Einmal Superheld bleifrei, bitte!

Die dritte Folge von: The Future … revisited! schoener-denken entkorkt alte Jahrgangs-SF und testet die Nachhaltigkeit des Bouquets wiederveröffentlichter alter Science Fiction-Filme

Heute auf der Karte: Hendrik über „Mr. Terrific“ oder auch „Immer, wenn er Pillen nahm“ (1967)

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Vorgeschmack

Was kommt uns alles in den Sinn, wenn wir uns eine Welt vorstellen, in der ALLES möglich ist? Wir denken an tolle Erfindungen, Abenteuer in fremden, exotischen Gegenden, Reisen zu unerhört fernen Orten und natürlich auch – mit dem dazugehörigen wohligen Grusel – an die schattigeren Ecken unserer Phantasie und die dort hausenden Monster und Schrecknisse, manche menschlich, manche nicht.

Um diese zu besiegen, brauchen wir natürlich Superkräfte. Und schon sind wir bei den ältesten Träumen der Menschheit überhaupt, nämlich denen von der eigenen Übermenschlichkeit. Und eine der natürlichen literaturökologischen Nischen für Geschichten über Superhelden ist heute, neben Märchen und Mythen, der Comic.

Foto: Hendrik SchultheAlles weitere kennen wir schon aus dem Kino: kaum ist ein Filmgenre im Aufwind, infizieren sich die erfolgreichen und wegweisenden Produktionen rasch sowohl mit Fortsetzungsherpes als auch mit Imitationsakne. Und natürlich auch mit – zuweilen sehr niedlichen – Parodiesommersprossen.

Dieser Effekt ist keine neue Erscheinung. Die Idee zu der U.S.-TV-Serie „Mr. Terrific“ entstand 1966 ebenfalls auf diesem Wege, und zwar im Fahrwasser der damals überaus erfolgreichen „Batman“-Serie. In das Konzept einer familienfreundlichen Superhelden-Persiflage hatte man so viel Vertrauen, dass man sich dafür einen namhaften Regisseur leistete, nämlich keinen Geringeren als Jack Arnold.

„… denn seine große Stunde kam immer, wenn er Pillen nahm.“

Der gereimte Vorspann jeder Episode erzählt, warum eigentlich der freundlich verschusselte, kleine dünne Tankwart Stanley Beamish so wichtig für den U.S.-Geheimdienst ist: er ist nämlich der einzige Mensch im ganzen Land, der dessen neueste Geheimwaffe verträgt, die Superpille, die einem für bis zu einer Stunde übermenschliche Kräfte verleiht inkl. des verstärkten Selbstbewusstseins, das man benötigt, um sich in einem völlig bescheuerten Kostüm quer durch die Lüfte zu schwingen und humorlosen Bösewichtern entgegenzutreten.

Ende der 60er Jahre sind das natürlich zumeist KGB-Spione, abtrünnige Überläufer, geldgierige Staatsgeheimnishändler oder andere Figuren der Standardbesetzungsliste eines Kalten Krieges. Diese versuchen, mittels zuweilen kleinkalibrig-metallischer, zuweilen großkalibrig-weiblicher Argumente ihre finsteren Machenschaften zu betreiben, denen sich der in solchen Notfällen herbeizitierte Mr. Terrific in seiner Tankwartfreizeit mutig entgegenstellt – zumindest bis ein kleiner Wecker ertönt, der ihm mitteilt, dass gerade wieder einmal seine Superpille zu wirken aufhört. Dies und die offenbar auch durch die Pille unausrottbare Schusseligkeit Beamishs sorgen meist erst einmal dafür, dass die Bösewichter die Oberhand gewinnen, aber natürlich ist am Ende jeder Episode dann doch irgendwie fast alles gutgegangen. Und wenn man schon die zurückeroberte neueste Miniaturerfindung Professor Sowiesos nun nicht mehr besitzt, weil Mr. Terrific das Gerätchen mit seinen Superkräften versehentlich zu Staub zerdrückt hat, naja, dann hat der Feind das Ding wenigstens auch nicht.

Die humoristische Basisnote dieser familienfreundlichen Miniserienrezeptur ist vor allem zeitloser Slapstick, der den anspruchsvolleren Gaumen zu allen Zeiten relativ rasch ermüdet. Und das wäre auch hier der Fall, wenn nicht den charmant vertrottelten Figuren zuweilen beiläufig richtig nette Pointen in den Mund gelegt worden wären. Ich könnte mich heute noch kringeln, wenn der hochrangige Geheimdienstchef Reed, von dessen Bürofenster aus man stets im Hintergrund das Capitol sieht, irgendwo in der 12. oder 13. Folge ganz nebenbei sagt, irgendwann müsse er mal herausfinden, was das da hinten für ein komisches Gebäude sei. Oder wenn er, um zu betonen, dass es um jede Sekunde geht, in fast jeder Folge sagt, da müsse man sich „… beeilen – be, doppel-e, i, l, e, n, nicht wahr!“ [im Original „… get into action – a, c, t, i, o, n“, wenn ich richtig erinnere]. Klar, das gewinnt keinen Originalitäts-Pulitzer, aber es besitzt aus heutiger Sicht die eingeschunkelt familiäre Wärme der frotzelnden Streitdialoge zwischen den Offizieren der Enterprise oder des Raumkreuzers Orion. Und irgendwie erinnert mich der Humor der Serie persönlich auch ein wenig an die zeitlosen Pointen aus „Asterix“, den es 1967 ja bereits im achten Jahr gab – und sei es nur, weil Stanleys Gesichtsverfärbungen, wenn die Pille zu wirken beginnt, mich an die Tranknebenwirkungen aus meinem Lieblingsband „Der Kampf der Häuptlinge“ erinnert.

„Mr. Terrific“ erlebte in der gnadenlos quotenorientierten TV-Landschaft der U.S.A. leider nur eine einzige Staffel, und nur 17 Folgen wurden ins Deutsche synchronisiert. Dennoch etablierte sich „Immer, wenn er Pillen nahm“ in Deutschland sehr erfolgreich und wurde diverse Male mit großem Erfolg wiederholt. Anlass genug, die 17 Episoden, versammelt auf zwei DVDs, neu aufzulegen.

Fazit: Ein durch Kürze und Würze überzeugender Ausflug in die persönlichen Fernsehjugenderinnerungen meines Jahrgangs – die letzte Generation, bei der das nur drei Programme (vier bei gutem Wetter) und die Eurovisionsmelodie um Mitternacht bedeutete. Der sommersprossige Stephen Strimpell schusselt sich als Mr. Terrific so charmant durch seine Abenteuerepisoden wie Danny Kayes kleiner Bruder und alles ist so herrlich harmlos wie alkoholfreier Kindersekt. Länger als ein oder zwei Episoden hält pro Abend die Begeisterung über dieses sf-filmische Blubberwasser-Äquivalent denn auch nicht an, aber zwischen all den schwerblütigen Endkampfdramen ist es, finde ich, eine freundlich benickenswerte Gelegenheitsabwechslung.

Oder – um es zur Würdigung von Mr. Beamishs Hauptberuf etwas tankstellenmetaphorischer auszudrücken: eine Episodenfüllung dieser Serie ist weitgehend bleifrei, hinterlässt kaum Rückstände und darf auch in die Hände von Kindern gelangen.

Es dürfte vor allem jenen Kostnichtverächtern munden, die auch einmal im Jahr ihre Freude an einer Portion altem Komödienklassiker haben können, von „Arsen und Spitzenhäubchen“ über „Der Hofnarr“ bis hin zu „Ladykillers“. Und natürlich ist es perfekt für all jene, die im zuweilen etwas arg dramaschwelgerischen, heldenschemabehafteten Genre des Superheldenfilms ein bißchen guten alten comic relief zu würdigen wissen. Besonders nach schwer im Magen liegenden düsteren Legenden wie „The Dark Knight“ ist ein Schlückchen „Mr. Terrific“ ausgesprochen verdauungsfördernd.

Hendrik Schulthe für SchönerDenken

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