„Keltenzorn“: Beim Teutates – das schmeckt!

PJ liest: „Keltenzorn“ von Uli Aechtner und Belinda Vogt.

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Mit freundl. Genehmigung des emons-VerlagsMan nehme: Eine ehrgeizige, kompetente Archäologin, die auch noch gut aussieht = Mara; diese verbandele man mit einem Hauptkommissar, der nach einem traumatischem Erlebnis zur „Erholung“ in die Provinz versetzt wurde = Daniel. Dann füge man ein etwas durchgeknalltes Triumvirat von drei Burschen hinzu, die in ihrer Jugend voll auf dem Keltentrip waren – einer von ihnen noch heute. Das Ganze gebe man in einen druidischen Kochtopf, brate es mit einer tüchtigen Portion Emotionen an und würze mit einer gehörigen Menge Wissen über keltische Bräuche. Langsam auf historischen Feuerstellen wie dem hessischen Glauberg und dem gallischen Bibracte köcheln lassen und fertig ist ein Kriminalroman, der Zeiten und Räume überspannt.

Na ja, so einfach ist es nun wieder nicht. Sonst würden Krimis, die im Lokalen oder Regionalen angesiedelt sind und von pensionierten Lehrern oder ambitionierten Winzern verfasst wurden, eine weitaus zahlreichere Leserschaft verzeichnen. Die Autorinnen haben erkennbar umfangreich recherchiert, neben den detailreichen Informationen über die Kultur der Kelten liefern sie genaue Ortsbeschreibungen vom Glauberg oder dem Keltenmuseum bei St. Leger. Und sie sind tief in die mythische Welt der Kelten eingedrungen, die der Leser auf diesem Weg ebenfalls näher kennen lernt.

Anfangs glaubt man, man sei im falschen Film, denn die Geschichte beginnt in der Türkei. Aber auch hierher hatte es Kelten verschlagen. Der Grabungsleiter Peter Gruber erfährt per Handy von einem sensationellen Fund nahe beim Glauberg. Seine ehemalige Doktorantin Mara arbeitet dort und er weiß, daß er sofort eingreifen muß, als ihm der Anrufer sagt:

„Frau Doktor ist hier vor wenigen Stunden auf etwas sehr Außergewöhnliches gestoßen….Sie hat das Skelett einer keltischen Fürstin entdeckt.“ – „Wo? Am Glauberg? Der ist doch längst abgegrast. Was soll man denn da noch finden?“ – „Am Fuß des Glaubergs. Ein weibliches Skelett mit Schmuck und Grabbeigaben.“ Gruber schwieg angespannt. Seine Gedanken rasten.
Mara ist auf etwas gestoßen, das niemand je finden sollte.“

Er eilt nach Deutschland. Nun kommt der Hauptkommissar ins Spiel, denn die Keltenfürstin verschwindet und an ihrer Stelle findet sich eine andere, höchst neuzeitliche Leiche.

„In der Vertiefung saß ein menschliches Wesen. Der Statur nach ein Mann. Halb lag er, halb lehnte er am Rand der Ausschachtung. Die Kleider, die der Unbekannte auf dem Leib trug, waren schwarz von Blut, eine angetrocknete, schimmernde Blutlache bedeckte den Boden.
Daniel schluckte hart. Nicht nur das, was er da unten sah, erschreckte ihn bis ins Mark. Fast mehr noch verstörte ihn, was nicht vorhanden war. Das, was der Leiche fehlte.
Sie hatte keinen Kopf.“

Der taucht dann später wieder auf, aber bereits jetzt erkennt Mara in dem Toten ihren Doktorvater Peter Gruber und sie rätselt, was er hier auf ihrer Grabungsstätte wollte. Sie bemerkt ebenfalls, daß die Bestattungsposition und die Hinrichtungsart keltischen Ritualen entsprechen könnten.

aniel bittet Mara, ihr als Expertin bei den Ermittlungen zu helfen; dabei spielen auch ganz persönliche Gründe mit. Seine Gefühle für sie werden nicht gleich erwidert; doch auch Mara findet ihn sympathisch. Kein Wunder, denn beide werden wiederholt mit extremen Situationen konfrontiert. So schleicht sich Mara in den Bauernhof einer mehrköpfigen Keltengruppe nahe des Glaubergs ein.

„Sie stieß versehentlich einen der Stühle um. Es gab einen dumpfen Schlag, und sie zuckte zusammen. Hoffentlich hörte man das Geräusch nicht bis auf die Straße, hoffentlich kamen die Celtoi nicht gerade zurück. … Alles blieb ruhig. Nur ein feines Sirren lag in der Luft. Wo kam das bloß her? Ihre Blicke tasteten die Wände ab. An der Rückwand der Scheune, ziemlich weit oben, bewegte sich etwas. Dort hing ein dunkler Ballon, der zu leben schien. … Sie griff sich einen Besen, der in der Ecke stand und tippte den Ballon vorsichtig an. … Der lebende Ballon fiel in sich zusammen und wurde zu einem Schwarm Fliegen, der surrend auseinanderstob, um sich gleich wieder auf das Objekt an der Wand zu stürzen. Für einen kurzen Moment jedoch konnte sie erkennen, worauf sich die Fliegen niedergelassen hatten.
Es war Peter Grubers Kopf. Sie hatten ihn an seinem Zopf an der Wand aufgehängt.“

Übrigens eine uralte keltische Tradition: den Kopf des Feindes am eigenen Wohnhaus aufzuhängen, um so dessen Intelligenz und Stärke zu übernehmen … Mit dem Lerneffekt über die keltische Welt wächst gleichermaßen die Spannung. Durch die Parallelkonstruktion der Geschichte ist der Leser immer ein kleines Stück den Ermittlern Daniel und Mara voraus; aber eben nur ein kleines Stück. Allmählich kristallisiert sich heraus, daß da noch was anderes mitspielt; etwas, das in der jüngeren Vergangenheit geschah. Der geheimnisvolle Druide Bertrand trifft den Finanzjongleur Kaltwasser und bringt ihn auf den aktuellen Stand.

„Hast Du nichts von dem Mord an dem Archäologen gehört? Von der Leiche ohne Kopf an der Grabung am Glauberg?“ – „Nein.“ Kaltwasser spürte, wie seine Knie weich wurden. …
„Der Tote ist Peter. … Man hat ihn nach keltischem Brauch hingerichtet. … Jemand hat ihn enthauptet und seinen Kopf in einer Scheune aufgehängt.“
Kaltwasser drehte sich mit seinem Stuhl zum Fenster und schwieg. Sechzehn Jahre waren sie einander aus dem Weg gegangen. Doch nun hatte man die Fürstin gefunden, und die alten Geschichten wurden lebendig.
Das ist erst der Anfang. Wer wird wohl als Nächster dran sein, der Druide oder ich?“

Die Antwort auf diese Frage und die weiteren Zutaten zu diesem keltisch-modernen Gourmet-Gericht für Krimifans kann ich nun beim besten Willen nicht preisgegeben. Nur soviel noch: Die Story ist gut konstruiert, es bleibt nicht bei zwei Leichen, gleichzeitig ist das Personal angenehm überschaubar und alles steigert sich zu einem fulminanten Showdown inklusive Überraschung. Also alle Zutaten, die ein gut zu geniessender Krimi aufweist.

Bezüglich meiner Tischsitten beim Verzehr muß ich allerdings eines gestehen: Ich habe dieses 318-Seiten-Menü stellenweise viel zu hastig verschlungen …

Text und Podcast stehen unter der Creative Commons-Lizenz BY-NC-ND.
Quelle: PJ Klein/SchönerDenken

Uli Aechtner, Belinda Vogt
Keltenzorn
emons:kriminalroman, 320 Seiten
ISBN 978-3-95451-132-7
10,90 €

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