Splitter aus Südafrika

PJ kommt aus Südafrika zurück und berichtet von einer widersprüchlichen Welt:

Straße in Franschoek (Foto: PJ)
Straße in Franschoek

Es beginnt damit, daß die Autos auf der falschen Seite fahren – denn in Südafrika herrscht Linksverkehr. Den haben die früheren britischen Kolonialherren vererbt. Andererseits werden hier Entfernungen in Kilometer gemessen – dieses Maß kommt wahrscheinlich von den Buren, also den Holländern. So vieles ist hier andersrum: Der Mond am prächtigen Sternenhimmel steht andersrum als auf der Nordhalbkugel; die Rotweine werden auf der sonnigen Nordseite der Hügel angepflanzt, die Weißweine auf der eher schattigen Südseite. Da muß man schon zweimal überlegen, wenn man den Sonnenschirm optimal positionieren möchte. Und man braucht ihn, denn die Sonne brennt ziemlich heftig, woran auch der manchmal ebenso heftige Wind nur wenig ändert. Aber in der Nacht wird es angenehm kühl, das Meereswasser kommt selten über 15 Grad hinaus. Dazu kräftige surferfreundliche Wellen und eine sehr schwimmerunfreundliche Unterströmung, die nicht unterschätzt werden sollte.

Strand bei Wilderness (Foto: PJ)
Strand bei Wilderness

Ein Mosaik aus Afrika und dem Rest der Welt, so könnte man denken, hat sich hier am Südrand des schwarzen Kontinents zusammengewürfelt. Das Problem ist nur: Die vielen Steinchen ergeben kein geschlossenes Bild. Was der Reisende sieht und erfährt, sind lediglich Schlaglichter, Impressionen.  Eigentlich ist jeder Staat auf dem afrikanischen Kontinent Produkt einer mehr oder weniger willkürlichen Grenzziehung und einer in den vergangenen Jahrhunderten mehr oder weniger zufällig zusammengewürfelten Bevölkerung.  Das gilt auch für Südafrika, das zusätzlich bis vor 20 Jahren eine strikte Apartheit-Politik betrieb. Die Auswirkungen dieser Rassentrennung spürt der Reisende auch heute noch.

Franschoek Straßenszene (Foto: PJ)
Franschoek Straßenszene

Das Leben teilt sich immer noch in zwei Bereiche: Weiße und schwarze Zonen, auch wenn die Vertreter der jeweiligen Hautfarbe mittlerweile einander sehr nahe kommen und auch mit einander agieren. Das trifft vor allem auf den geschäftlichen Sektor und Großstädte wie Kapstadt zu. Die Bedienung im Restaurant ist meist schwarz, die Verkäuferin in der Boutique, der Polizist, der Bankangestellte, usw. Aber die Kunden sind zumeist weiß. Selten, daß man ein schwarzes Pärchen z.B. in einem Ferienort in einem Restaurant sieht. Die Vermischung findet in den Einkauf-Malls und dort vor allem im Supermarkt statt. Die Attraktivität günstiger Angebote beseitigt schon Rassenschranken.

Mall in George (Foto: PJ)
Mall in George

Auch da, wo touristisch motivierter Bummel (der meist aus der Kombination von Einkauf und Essen besteht) lockt, wie an der Waterfront von Kapstadt, bestehen keinerlei Berührungsängste, hier glaubt der Unbedarfte an das hehre Prinzip der alles umfassenden Egalité.

Kapstadt Waterfront (Foto: PJ)
Kapstadt Waterfront

An der Stadtgrenze, also dem Bereich, wo die legale Bebauung endet, sieht das schon anders aus. Hier erstrecken sich quadratkilometerweit die Wellblechhütten der weniger legalen Hometowns. Hier lebt man als Schwarzer.
In kleineren Städten, wie Hout Bay, stehen moderne, teure Häuser der reichen Weißen ganz in der Nähe der Schwarzensiedlung. Hier scheint man mit einander auszukommen.
Hot Bay (Foto: PJ)
Hout Bay

Doch auch hier kommt es zu Konflikten, zwischen den Farbigen: Die Ansässigen sind wütend auf die Flüchtlinge aus Simbabwe, denn die sind besser ausgebildet, fleißig und vor allem: Sie nehmen weniger Lohn. Da bekommt Rassismus völlig andere Ausprägungen.

So ist Security immer noch ein alltäglicher Begriff und selbstverständlicher Alltag. Streifen von privaten Sicherheitsdiensten kontrollieren die Wohnhäuser der Weißen, die sich hinter Mauern, elektrischen Zäunen und anderen Schutzeinrichtungen verbarrikadieren.

Ganze Wohnsiedlungen (Residences) mit kasernenähnlichen Einfahrtsbereichen hinter Mauern und Draht versprechen vor allen älteren Weißen ein unbeschwertes Leben mit Restaurant, Hausmädchen und Gärtner. Dabei greift man gerne auf Flüchtlinge aus Simbabwe zurück – die sind besser gebildet, fleißiger und billiger. Mit einheimischen farbigen Arbeitern sind manche nicht zufrieden; sie wollten nur Geld, nicht arbeiten und wenn man sie deshalb entlässt, beschweren sie sich bei den Behörden. Aber wie soll man verstehen bzw. rational erklären, daß ein einfacher Hotelbediensteter mit gut 300.- .€uro im Monat so viel verdient, wie ein Weißer oftmals für eine Nacht in einem besseren Kapstadt-Hotel ausgibt. In manchem Restaurant wird allerdings schon Egalité praktiziert: Die Kellner sind gleichermaßen weiß und farbig, haben die gleichen Aufgaben und Positionen.

Oft wuchern direkt neben den noblen Häusern der Weißen z.B. in Hout Bay die selbstgezimmerten Hütten der Farbigen. Jeder Weiße hat einen oder zwei Hunde auf seinem Grundstück. Und in der Nacht sitzt ein Wachmann in seiner Hütte vor dem Haus. Die Küche und der Haushalt werden von schwarzen Angestellten versorgt, spätkoloniales Leben sozusagen.

Wächterhütte (Foto: PJ)
Wächterhütte

Direkt von der Terrasse vor unserem Guesthouse-Zimmer kann man das Wuchern der Slums beobachten. Nur wenige hundert Meter entfernt ziehen sich sechs 4-stöckige Wohnblocks an der Straße entlang. Dahinter drängen sich Hütten in Selbstbauweise. Die Materialien variieren von grob zusammen gezimmerten Holzbrettern über Wellblechtafeln bis zu Schrebergartenhüttchen auf Hohlblocksockeln. Dazwischen mit Steinen oder sandgefüllten Autoreifen Pfade, die zum oberen Rand der Hangbebauung führen. Hier wird weiter gebaut: An zwei Stellen planieren zwei Männer den schrägen Boden mit Pickel und Schaufel. Weiter oben lagert in den Büschen das gehortete Baumaterial – Holz- und Plastikteile, alles, was irgendwie eine Wand, ein Dach, eine Tür oder (ganz luxuriös) ein Fenster werden kann.

Hout Bay Home (Foto: PJ)
Hout Bay Hometown

Aber eines muß man diesen Bruchbuden lassen: Sie haben den gleichen Panoramablick über die Bucht wie andere viel luxuriösere Unterkünfte. So gleicht sich manches an und aus. Womit wir wieder beim Straßenverkehr sind: Kommt man an eine Kreuzung (zumeist innerorts) stellt der erstaunte vorschriftenverwöhnte Deutsche fest, daß alle vier ankommenden Fahrzeuge ein Stoppschild mit den dazugehörigen weißen Haltelinien vor sich sehen. Da heißt es, halten, schauen, sich orientieren und vor allem – sich verständigen. Und diese Verkehrsregelung könnte auch für die künftige Entwicklung Südafrikas vorbildlich sein.

4-Way Stop (Foto: PJ)
4-Way-Stop

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