The Future … revisited (Folge 1)

The Future … revisited: schoener-denken entkorkt alte Jahrgangs-SF und testet die Nachhaltigkeit des Bouquets wiederveröffentlichter alter Science Fiction-Filme

Heute auf der Karte: Hendrik über Westworld (1973) und Futureworld (1975)

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Und da behaupte noch einer, der Mensch könne sich auf der Zeitachse nur in einer Richtung fortbewegen: in der jüngeren Vergangenheit erlebten wir immer wieder Neuauflagen von Zukünften, die man sich vor einiger Vergangenheit mal ausgedacht hat, wobei unsere Gegenwart mittlerweile teils schon zukünftiger ist als diese, so dass diese alten Zukünfte mittlerweile längst unsere Vergangenheit wären, wenn sie denn je … na ja, es ist etwas kompliziert.

Wer jedenfalls vor 20 oder 30 oder gar 40 Jahren schon Raumschiffe, Besuche auf fremden Welten oder Ausblicke in die Zukunft der Menschheit auf ihrer Heimatkugel liebte, darf sich seit Jahren der Wiederveröffentlichung verschiedenster zahlreicher alter Science Fiction-Filme und -TV-Serien erfreuen: von tschechischen Mini-Serien wie „Die Besucher“ bis zu einst aufwendigen u.s.-amerikanischen Kinoproduktionen wie „Westworld“, von eingängigen und amüsanten 60er-Jahre-Miniparodien wie „Immer, wenn er Pillen nahm“ bis hin zu neuerem europäischem Autorenkino wie z.B. der österreichischen Experimentaldystopie „Halbe Welt“ von 1993. Einige dieser DVDs haben wir uns zugelegt und wollen mal schauen, ob sie sich nach so langer Zeit immer noch als sehenswerte Filme und auch als sehenswerte Science Fiction erweisen. Denn mit Filmen ist es wie mit Spirituosen: manche sind einfach zeitlos gut, manche waren noch nie was und werden es auch nicht mehr, manche benötigen eine Zeit der Reife, um sich dann, im richtigen Moment genossen, als Meisterwerke zu entfalten, und manche haben ihre Zeit irgendwann einfach hinter sich und mit ihnen ist es dann schlicht Essig.

Ich möchte die Reihe eröffnen mit zwei zusammenhängenden Filmen, von denen der erstere und bekanntere schon seit Längerem auf DVD zu haben ist, während seine etwas unbekanntere Fortsetzung es erst kürzlich zur DVD-Veröffentlichung geschafft hat. Gemeint ist der 1973 entstandene Film „Westworld“ mit Yul Brynner sowie dessen 1975 gedrehte Fortsetzung „Futureworld“ mit Peter Fonda. Und selbst wenn die Titel der Filme nicht sofort jedem etwas sagen, so kann ich mir ganz sicher sein, dass jeder, der die Streifen zuletzt vor 25 Jahren spätnachts im ZDF unter der Rubrik Der besondere Film gesehen hat, weil die Eltern übers Wochenende verreist waren, an dieser oder jener Stelle sagen wird: Hey, DARAN kann ich mich erinnern!

Westworld und Futureworld, neu entkorkt und genossen

Das Böse mag kein Gesicht haben ... aber seine DVDs hochhalten kann es

Westworld (Regie: Michael Crichton)

Das Böse hat unendlich viele Gesichter – und manchmal gar keines. Hatte man sich noch in den 1950er Jahren im Kino bevorzugt vor Stop-Motion-Monstern wie Godzilla oder Tarantula gefürchtet, so begann spätestens in den 60ern parallel dazu die Wissenschaft, ein eigenes filmdramaturgisches Potential zu entwickeln. Waren es zuvor primär verrückte oder versklavte Wissenschaftler gewesen, in deren Pappmaché-Labors das Böse mal freiwillig, mal unfreiwillig seinen Anfang genommen hatte, ohne dass der Technologie dahinter selbst mehr als eine Statistenrolle zugekommen wäre, so waren es jetzt mehr und mehr die Schattenseiten unvermeidlicher zivilisatorischer Errungenschaften, gegen welche die Filmhelden anzukämpfen hatten. Und kein anderer hat dem damit geboren werdenden Filmgenre des Wissenschaftsthrillers spannendere Anfangsimpulse gegeben als Michael Crichton.

In den frühen 70ern und auch noch eine lange Zeit danach stand der Name Michael Crichton für die Fähigkeit, Facetten des wissenschaftlichen Fortschritts filmisch populär aufzubereiten und an eine steil nach oben gerichtete Spannungskurve zu knüpfen. Dieser Ruf fußt vor allem auf zwei Filmen: dem 1971 gedrehten „The Andromeda Strain“ (den mindestens zwei der schoener-denker für einen der besten jemals gedrehten SF-Filme halten) und dem zwei Jahre später entstandenen „Westworld“. Während sich die Helden in „Andromeda“ in klaustrophobischer Unausweichlichkeit mit der gesichtslosen Drohung eines schnell mutierenden, tödlichen Virus konfrontiert sehen, ist das Böse in „Westworld“ auf den ersten Blick völlig anderer und viel greifbarerer Art. Handlungsort ist ein mitten in der Wüste gelegenes futuristisches Urlaubsparadies namens Delos, das dem Entspannungswilligen die Möglichkeit bietet, sich in eine von drei authentischen Nachbildungen vergangener Epochen hineinzubegeben und für eine Zeitlang entweder ein Bürger der dekadenten Antike, des höfischen Mittelalters oder aber des rauhbeinigen Wilden Westens zu sein. Als lebende Requisiten dieser Themenwelten – herumzuschickende Leibsklaven, verführbare Königinnen und Saloonhuren, zu besiegende Schwarze Ritter und Revolverhelden – fungieren Roboter, so dass der Besucher sich für eine Zeit nach Herzenslust austoben darf. Selbstverständlich ist alles so gestaltet, dass der Gast stets zufriedengestellt wird, die Damen seiner Wahl bekommt und aus den Duellen siegreich hervorgeht. Sicherungsmechanismen verhindern, dass Menschen durch die Maschinen verletzt werden können.

Überwacht wird das Ganze von den weitläufigen unterirdischen Computeranlagen aus, wo weißbekittelte Mitarbeiter bei Bedarf Untreue in die Königin programmieren, auf Knopfdruck Saloonschlägereien initiieren und die des Nachts eingesammelten ‚getöteten‘ Roboterkämpfer wieder instandsetzen. Es würde sich allerdings nicht um einen besonders spannenden Film handeln, wenn dieses System nicht kurz nach dem Eintreffen der beiden Helden versagen würde: Plötzlich laufen die Maschinen Amok, Überwachungssystem und Stromversorgung fallen aus, und der Held sieht sich unvermittelt in einen tödlichen Kampf gegen einen mit eigenem Strom laufenden Revolverhelden-Roboter verwickelt, den er schon zweimal erschossen hatte und der das offenbar nun allmählich persönlich nimmt.

Dieses Element ist genau das Bild, dass sich vielen, die den Film womöglich sonst nur vage erinnern, eingebrannt haben wird: der schweigsame, schwarzbehemdete und unaufhaltsame Verfolger Yul Brynner als die visualisierte Unerbittlichkeit, die als fehlprogrammierter Cowboyroboter genau die Schnittstelle zwischen dem humanoiden Monster und der seelenlosen Seite der Wissenschaft darstellt. Doch: Wer oder was ist hier der oder das Böse? Der Roboter selbst, der ‚aufgewacht‘ ist und nun, als Individuum, begriffen hat, dass er den Menschen, zu deren Tötungsvergnügen er geschaffen wurde, weit überlegen ist? Oder sind es die Delos-Konstrukteure, deren völlige technologische Selbstüberschätzung sich durch den Totalausfall manifestiert findet? Gibt es überhaupt DAS Böse in dem Film, oder sind die Ereignisse lediglich die Konsequenz der exponentiellen Häufung von Fehlern in jedem zu kompliziert geratenen System? Falls ja, erweist sich „Westworld“ als näherer Verwandter von „Andromeda“, als man zunächst hätte glauben wollen, und übrigens auch von „Jurassic Park“ (Vorlage: ebenfalls Michael Crichton), in dem Jeff Goldblum als Chaostheoretiker das Versagen des komplizierten Steuerungssystems der Dinosaurierinsel voraussagt und sich kurz danach rennend, kletternd, schreiend und kriechend wünscht, er hätte nicht dauernd recht.

Wie mundet der Film „Westworld“ heute? Ich würde sagen: einfach gut. Gut vor allem, weil er so einfach und gradlinig gemacht ist. Zum größten Teil wendet Crichton unverschnörkelte, klassische Westerndramaturgie an, so dass sich der Film nach einigem Vorgeplänkel, einigen heiteren Einlagen, der ein und anderen Andeutung eines möglichen Unheils und natürlich einem tragischen Opfer zuletzt völlig auf das Duell des guten Mannes gegen den bösen Mannes konzentriert, wobei der gute Mann eigentlich kein Held und der böse Mann eigentlich überhaupt kein Mann ist. Und obwohl aus heutiger Sicht natürlich die gezeigte Computertechnologie eher drollig anmutet, funktioniert der Film als solches zeitlos glänzend: vollmundig, ausgereift, durchaus mehrschichtig im Abgang und völlig zu recht ein Klassiker des Genres.

Am Rande bemerkt: Die jüngst verstorbene Schauspielerin und Gattin Gene Roddenberrys Majel Barrett hat hier eine ihrer wenigen Nicht-Star-Trek-Rollen: als Saloonbesitzerin in Westworld.

Futureworld (Regie: Richard T. Heffron)

Zwei Jahrgänge später folgte umgehend eine Fortsetzung von „Westworld“ unter dem Titel „Futureworld“. Im Freizeitpark Delos hat man die Zwischenzeit genutzt, die Attraktionen wieder aufzubauen: die antike und auch die mittelalterliche Welt sind wieder da, allerdings hat man die durch die unglückseligen Ereignisse in Ungnade gefallene Westernwelt durch eine Weltraumsimulation ersetzt. Kräftig rühren die Manager der Freizeitwelten die Werbetrommel, um den beschädigten Ruf der Anlage wiederherzustellen. Prominente Gäste aus allen Ländern werden eingeladen, und natürlich auch die Presse. Die beiden Journalisten Ballard und Browing (verkörpert von Blythe Danner und Peter Fonda) verbringen einige Zeit in Delos, um dann eine, wie man natürlich hofft, enthusiastische werbewirksame Kritik zu veröffentlichen. Obwohl man ihnen gestattet, auch hinter die Kulissen der Anlage zu schauen, merken sie doch rasch, dass sie nur zu sehen bekommen, was sie zu sehen bekommen sollen, und dass das neue Delos eine völlig neue Art von Gefahr birgt… und da im Unterschied zum ersten Teil diese Fortsetzung etwas verliert, wenn man die weiteren Ereignisse vorab erfährt, lasse ich das so stehen.

„Futureworld“ baut auf den Ereignissen und Requisiten von „Westworld“ auf, bis hin zu einer etwas handlungsbezugsarmen Sequenz, in welcher Yul Brynner als der schwarzbehemdete Revolverheld der Journalistin Ballard im Traum erscheint – wohl vor allem, damit man auf dem Plakat mit ihm werben konnte. „Futureworld“ verknüpft jedoch die SF-Requisiten der futuristischen Erholungswelt mit einem völlig anderen Genre, nämlich dem Journalisten- und Enthüllungsthriller. Entsprechend weniger futuristisch ist auch die Geschichte, die sich hinter der Geschichte entfaltet, und die Frage nach dem Bösen ist hier rasch weniger metaphysisch als vor allem politisch. Die humanoiden Roboter sind auf diesem Wege zwar immer noch dauerhaft präsent, aber weniger an der Handlung beteiligt. Die in „Westworld“ offen gebliebene Frage, ob sie denn nun eine eigene Bewusstheit erlangt haben, wird daher hier auch nicht beantwortet. Immerhin wird sie, wenn auch nur am Rande, erneut gestellt, dies vor allem durch die Nebenfigur des Roboterhelfers des altgedienten Delos-Monteurs, den Browing interviewt, einer gesichtslosen und unbeholfenen Gestalt im Blaumann, scheinbar sogar eines der veralteteren Modelle, aber dennoch sollte man ihr beim Kartenspielen nicht den Rücken zukehren…

Es liegt in der Natur der Sache, dass Politik schneller veraltet als Metaphysik, und das ist – neben dem unsäglich hässlichen Journalistenbrillengestell Peter Fondas – wohl einer der Hauptgründe, aus denen „Futureworld“ nicht ganz so zeitlos bleibt wie sein Vorgänger. Er ist auch heute noch sehenswert, allerdings kommt einem schon nach kurzem Nachdenken die unglaubliche Enthüllung, welche zuletzt den Höhepunkt der Angelegenheit darstellt, doch reichlich naiv vor und hat ein wenig den Charme der kindlichen Welteroberungsträume der Bösewichte aus den allerersten James Bond-Filmen, die heute auch keiner mehr so ganz ernstnehmen kann.

„Futureworld“ aus dem Hause Heffron erweist sich, zusammenfassend abgeschmeckt, als ein durchaus sehenswerter, anregender Genuss, der zwar mit den Jahren etwas an Relevanz und Faszinationsaroma verloren hat, der jedoch immer noch einen gut gemachten Film darstellt und damit in der Basisnote überzeugt. Im Abgang bleibt er deutlich blasser als „Westworld“, weil er zwar SF-Requisiten nutzt, aber vornehmlich eine damit gar nicht wirklich glaubhaft verknüpfte Geschichte von Macht- und Profitgier erzählt. Und so gelingt es ihm auch nicht, sich als Klassiker des Genres Science Fiction-Film zu etablieren. Die Wissenschaftler der Zukunft sind hier weitestgehend wieder auf das Niveau der Zimmermänner des Bösen reduziert, und im Unterschied zu „Westworld“ kennen wir das hier zuletzt enthüllte Böse nur allzu genau.

Am Rande bemerkt: Der für die damals völlig neuartigen 3D-Grafiken in „Futureworld“ verantwortlich zeichnende Edwin Catmull war 1986 Mitgründer der Pixar Animation Studios.

So, das war ja schonmal sehr lecker. In Kürze gibt es die nächste Filmchenverkostung. Mal sehen, was dann Spannendes serviert wird…

Hendrik Schulthe für schoener-denken

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