Auch vor den Borgs machten Würfel schon Ärger, weiß Martina:
Bestimmt gibt es irgendwo im Trekkie-Universum eine Website, auf der man alle fremden Raumschiffe finden kann, die der Enterprise je begegnet sind. Da ich persönlich ja den angemalten Styroporbehältnissen an zuckenden Nylonschnüren der Original Series den Vorzug vor Computeranimationen und perfektem Technikoverkill gebe, ist mein Horizont in dieser Hinsicht ziemlich beschränkt.
Natürlich liebe auch ich den Borg-Würfel aus „First Contact“ – gar keine Frage. Aber böse, aggressive Würfel, Würfel mit Eroberungstendenzen und warnende Blockade-Würfel gab es natürlich in der Mutterschiff-Serie auch schon (Oh mein Gott – ein Würfel-Universum!), in der Folge „Pokerspiele / The Corbomite Maneuver“ zum Beispiel.
Dabei handelt es sich bei dem rotierenden Würfel mit roten, gelben und blauen Lichtern, die sich via „auf den Schirm!“ in den entsetzten / ängstlichen / angespannten Gesichtern der Crew effektvoll spiegeln, um eine von einem sehr viel größeren Raumschiff ausgesetzte Warnboje, die die Enterprise am Weiterfliegen hindern soll. Um freizukommen, muß der Würfel schließlich zerstört werden, was das Auftauchen des ungleich mächtigeren Raumschiffes Fesarius – wunderbar: eine riesige schimmernde facettierte Discokugel – zur Folge hat. Die Fesarius steht unter dem Kommando eines gewissen Balok, der der Enterprise noch zehn „Abschiedsminuten“ schenkt, bevor er sie zu zerstören gedenkt.
Trotz blanker Nerven entwickelt Kirk eine List, um mit dem überlegenen Gegner fertigzuwerden: In der Art eines Pokerspielers blufft er und behauptet, die Enterprise führe die Substanz „Corbomite“ mit sich, die im Falle eines Angriffs zu einer Kettenreaktion führen und nicht nur die Enterprise, sondern auch die Fesarius vernichten würde. Mit diesem Trick gelingt es Kirk letzten Endes, zu einer für alle Beteiligten befriedigenden Lösung zu kommen: Balok entpuppt sich als friedfertiger Außerirdischer, der an einem Austausch mit den fremden Besuchern durchaus interessiert ist, und am Ende der Episode trinken alle zusammen ein Schöppschen – den köstlichen „Tranya“-Trank.
„Pokerspiele“ war in der ursprünglichen Produktionsreihenfolge der ersten Staffel von Star Trek – The Original Series die erste „richtige“ Episode nach den beiden Pilotfilmen „Der Käfig / The Cage“ und „Die Spitze des Eisberges / Where No Man Has Gone Before“. Die Charaktere befinden sich noch im Entwicklungsstadium, was die Äußerlichkeiten angeht – beispielsweise sind Spocks Haare noch im Zackenschnitt und seine Augenbrauen steil nach oben gezogen – genauso wie in Bezug auf Naturell, Persönlichkeit und Denkweise – unser Beispiel Spock zeigt Emotionen und ist auch einmal ratlos. Uhura und Janice Rand sind nur hübsche Deko; Janice serviert auf der Brücke Kaffee und Kirk in seinem Quartier Salat (weil er laut McCoy ein Rettungsringlein zuviel besitzt) und hat sonst keine Funktion.
Überhaupt McCoy: Er gibt sein Debüt, ist sehr ruhig, ausgleichend und psychologisierend.
Und der Captain?
Ein Kritiker schreibt:
Like many other Star Trek episodes, The Corbomite Maneuver is a good exploration of an essential 20th century theme such as the futility of war, with the addition of a riveting portrait of what makes a commander worthy of the title, as seen in the episode’s depiction of Captain Kirk’s skills.
Das einfache Drehbuch gab den Schauspielern die Gelegenheit, sich ganz auf die neuen Rollen zu konzentrieren. William Shatner fremdelte offensichtlich kaum mit der Kirk-Rolle; er war von der ersten Sequenz dieser Episode an schon fast der „vollständige“ Kirk, was natürlich auch an einer gewissen charakterlichen Ähnlichkeit zwischen realer Person und Rolle lag. William Shatner nannte einmal seine Verkörperung des Kirk einen „einzigen langen egoistischen Adrenalinrausch“.
Trotz mancher Indifferenzen und charakterlichen Feinheiten im Entstehungsstadium tritt Kirk uns schon mit der vollen Wucht seiner sinnlichen Präsenz entgegen – und das bezieht sich nicht nur darauf, daß er gleich in seiner allerersten Einstellung halbnackt und schweißglänzend (wie oft schon habe ich, wenn ich von Kirk geschrieben habe, das Wort „schweißglänzend“ verwendet? Man sehe es mir nach: ein schönes Wort und ein schöner Anblick!) auf einem Konditionstrainer bei McCoy liegt und seinen Gesundheits-Check Up absolviert. Er erweist sich auch in der aussichtslosen Lage der Enterprise in ihrer Konfrontation mit der Fesarius als ideenreich, kämpferisch, optimistisch, hart und führungsstark. Und auch wenn er später Dutzende Frauen mit solch großartigen Sätzen wie:
Was macht ein so nettes Energiemuster wie du in einem solchen Quadranten?
becircen sollte, so wird bereits in dieser ersten regulären Folge klar, daß die Enterprise seine wahre (Haß-)Liebe ist, für die er jeder befriedigenden und dauerhaften Beziehung entsagen wird (muß); ihre Rettung ist genauso wichtig wie die Rettung der Menschen an Bord. Manch ein aufmerksamer Zuschauer, der sich die Enterprise in dieser Episode zum ersten Mal genauer ansieht, wird ihr eine gewisse Weiblichkeit attestieren – ihre Form erinnert, wie der Autor Dennis W. Hauck assoziierte, an eine symbolische Gebärmutter, die durch gewaltige Eileiter mit einer großen Energiequelle verbunden ist.
Aber egal ob man nun das ganze Enterprise-Spektakel durch eine leidenschaftliche und sinnliche Brille sieht oder ob man an den technischen Daten fieser Raumwürfel wie dem Borg-Kubus interessiert ist: Mit „Pokerspiele“ begann ganz offiziell eine unvergleichliche Mission, die im ersten Drehbuchentwurf vom 27. 05. 1965 (Achtung, Jubiläum!) zum zweiten, endgültigen Pilotfilm „Die Spitze des Eisberges“ wie folgt beschrieben wurde:
Dies ist unsere Galaxis – eine riesige Wolke aus Sonnen und Planeten, in der unsere Erde nur ein winziger Punkt, nur ein Staubkorn ist. (…) Unsere Galaxis ist nur eine von Milliarden anderer Galaxien, die durch einen so großen leeren Raum voneinander getrennt sind, daß dort draußen vielleicht nicht einmal mehr Zeit, Materie und Energie dasselbe bedeuten wie bei uns… Zur Sternenzeit 1312.6 erreicht die U.S.S. Enterprise mit ihrem mächtigen Warpantrieb den Rand dieser schwarzen Leere.
Und die Abenteuer, die sie beim Überqueren dieser „Final Frontier“ erleben wird, werden Raum und Zeit überdauern – 44 Jahre haben sie schon locker geschafft, und es ist kein Ende abzusehen.