Die Götter müssen verrückt sein …

Prof. Pu empfiehlt: „Götter ohne Manieren“ von Marie Phillips

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Irgendwo müssen sie ja leben, die Götter des Olymps, schließlich sind Götter unsterblich. Schon 1665 hat es sie nach London verschlagen, die ganze Sippe. Wegen der Pest waren damals die Immobilienpreise günstig. Leider werden sie das Haus aber auch nicht mehr los – Götter interessieren sich nicht für Renovierung, Instandhaltung oder Putzen. Also gehen sie sich seitdem in der heruntergekommenen Villa gegenseitig extrem auf die Nerven. Unsterblich sein ist nicht lustig. Aphrodite vertreibt sich die Zeit mit Telefonsex, ihr Handy-Klingelton ist „Venus“ in der Bananarama-Version.

„Mama, bitte“, sagte Eros. „Sei nicht so widerlich.“
„Ach, halt die Klappe“, sagte Aphrodite. „Du bist auch kein Spaß mehr.“
„Warum kannst Du nicht einen anständigen Job annehmen?“ meinte Eros. „Du könntest Model werden …“
„Modeln ist langweilig“, sagte Aphrodite. „‚Stell dich hierhin, stell dich da hin.‘ Telefonsex ist viel lustiger. Und du glaubst gar nicht, wie viele Sterbliche gewillt sind, für ein bisschen heftiges Atmen zu bezahlen und für einen vorgetäuschten …“
„Glaub‘ mir, ich will es gar nicht wissen“ sagte Eros.

Apollo arbeitet als Wahrsager bei einem drittklassigen Fernsehkanal – seine Show heißt „Apolls Orakel“:

„Ähm, Apoll“, sagte die Stimme des Regisseurs in seinem Kopfhörer. „Dein Mund steht offen, du hast seit über zehn Sekunden kein Wort gesagt, und wenn ich Kamera zwei glauben darf hast du so was wie eine mächtige Erektion. Willst Du fünf Minuten Pause?“


Athene, die Göttin der Weisheit, kümmert sich um ominöse Forschungsprojekte „zum Wohle der gesamten Götterschaft“ und will die Bestimmerin sein. Artemis, die Göttin der Jagd und Hüterin der Frauen und Kinder, trauert ihren Hunden nach und verdingt sich als Dogsitterin. Ares, der Kriegsgott, kümmert sich um die Kriege der Sterblichen, Dionysos verkauft seinen teuflisch wirkenden Wein in der eigenen Diskothek und gibt den DJ.

Einzig Eros arbeitet ehrenamtlich, er bringt Kindern das Bogenschießen bei. Er hat sich Jesus zum Vorbild auserkoren und versucht, seitdem ER auf der Welt war, „ein guter Mensch“ zu sein. Und er wünscht sich Maria zur Mutter – statt der hypersexualisierten Aphrodite, die von ihm eine Strafe für Apoll verlangt. Der neigt dazu, Frauen, die ihm nicht zu Willen sind, in Bäume zu verwandeln. Eros soll Apolls Begierde auf eine unscheinbare Sterbliche lenken, diese wiederum seine Neigung aber nicht erwidern.

Die Wahl fällt auf Alice, eine arbeitslose Putzfrau. Sie landet mit Hermes‘ Hilfe – dem Gott, der für alles zuständig ist, was die anderen nicht tun wollen – vor der Tür der göttlichen Bruchbude. Artemis engagiert sie sofort – und das Unheil nimmt seinen Lauf. Nicht umsonst gibt es Anordnungen von Zeus und Hera, sich nicht mit Sterblichen einzulassen. Doch die beiden leben auf dem Altenteil unter dem Dach und lassen sich kaum blicken. Zeus ist schwach, hat Alzheimer, und auch die anderen spüren ihre Kräfte geringer werden – ganz nach Terry Pratchetts Theorie, dass die Kräfte der Götter schwinden, wenn man nicht mehr an sie glaubt.

Irgendwann hat Apoll genug von der unerwiderten Liebe und befördert Alice mit Hilfe von Zeus’ Blitzschlag in die Unterwelt. Und dann braucht es einen Helden, um sie zu retten … Ich habe mich göttlich-köstlich amüsiert!

„Sehr, sehr komisch und erfrischend originell. Und wenn Sie alles, was Sie über das Thema je wussten, wieder vergessen haben, wird dieser Roman Sie nicht nur zum Lachen bringen und Sie mit einem angenehm wohligen Gefühl zurücklassen. Sie werden beim Lesen auch ein solides Grundwissen der griechischen Mythologie mitgeliefert bekommen.“

The Independent, London

Marie Phillips
Götter ohne Manieren
C. Bertelsmann
ISBN 978-3-570-01003-7
€ 17,95

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