Seerose im Speisesaal

Prof. Pu und die Pücher

Prof. Pu empfiehlt bei Lust auf venezianische Geschichten jenseits von Donna Leon: Ulrich Tukur „Die Seerose im Speisesaal“

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Podcast 40
„Jetzt schreibt er auch noch“ war mein erster Gedanke – da ich ihn aber gleichermaßen als Schauspieler, Sänger und Musiker schätze, musste ich seinen Erstversuch natürlich unbedingt haben. Und wen wundert es – er kann natürlich auch das, der Tausendsassa, der Hans Dampf in allen Gassen – wunderbare Geschichten schreiben.

„Es ist kein Buch über Venedig, es ist ein Buch, das nur in Venedig hat entstehen können“

schreibt er auf dem Umschlag des sehr schön gestalteten Buches, illustriert mit Fotos seiner Frau Katharina John, die als „K.“ auch in den Geschichten auftaucht und mit der er in Venedig lebt. Schon im Vorwort erzählt er Geschichten, zu denen der italienische Volksmund sagen würde:

„Se non è vero è ben trovato – wenn es nicht wahr ist, so ist es doch gut erfunden.“

Tukur wirft einen neuen Blick auf die Merkwürdigkeiten der Italiener, erzählt Geschichten aus seinem umtriebigen Leben und das seiner Ahnen und Nachbarn. Manchmal wirkt eine Geschichte wie eine erfundene Autobiographie, dann wieder wie ein Märchen. Er kommt von Hölzchen auf Stöckchen, findet immer wieder zurück und das bereitet große Lesefreude. Realistisch, plötzlich wieder phantastisch, manchmal ein wenig wirr und irre – und weiter geht es zu nächsten Geschichte, eine steckt in der anderen.

Barocke Fabulierkunst, in der man sich verlieren kann und plötzlich nicht mehr weiß, in welchem Jahrhundert er sich gerade befindet. Er schreibt vom Hochwasser im Speisesaal, in dem das Röckchen der Kellnerin um sie herumschwimmt wie eine Seerose, vom verrückt-innovativen Kellner Loredan, vom Klingelschild der deutschen Botschaft in Venedig, vom Elektriker mit dem Uniformtick, vom traurigen Gelataio Arturo und, gleich zu Beginn, von seinem eigenen Tod, leichtsinnig verursacht im Weinkeller. Man muß nicht in Venedig gewesen sein, man muß die Stadt nicht einmal besonders mögen, um den Erzählungen zu erliegen. Die Lektüre lohnt allein schon dafür, bei einem Glas Wein über das Motto des Buches zu grübeln:

„Una bugia è una bugia, cento bugie sono mezza verità – Eine Lüge ist eine Lüge, hundert Lügen sind die halbe Wahrheit.“

Typisch Ulrich Tukur.

Ulrich Tukur
Die Seerose im Speisesaal
Venezianische Geschichten
Claassen 2007
18.- Euro
ISBN 978-3-546-00386-5

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