Von Keschde und Burgen

Väter und Söhne im Pfälzer Wald – von Matthias Weber

200_baeume

Im Pfälzer Wald (Foto: Matthias Weber)

Christian döst auf einer Bank, ich liege unter einem Baum und schaue den Blättern beim Runterfallen zu, Christians Sohn Lukas und mein Sprößling Malte toben durchs Unterholz und sammeln Kastanien. „Am Zollstock“ heißt die Stelle zwischen Albersweiler und Annweiler, an der wir die erste größere Rast auf unserer zweitägigen Wanderung durch den Pfälzer Wald machen. Viele Wege führen hier zusammen, unserer soll uns an diesem Tag noch hoch zum Trifels und dann hinunter nach Annweiler führen.

Es ist ein wunderbarer Herbsttag, dieser 13. Oktober 2008: Die warme Sonne präsentiert uns ein Farbenmeer: blauer Himmel, rotbrauner Sandstein, dunkle Erde, grünes Gras, gelbe, rote, braune Blätter – die Idylle ist perfekt.

„Wenn jetzt Kurt Beck um die Ecke käme, würde das irgendwie passen“,

sage ich zu Christian. Beck spukt in allen Köpfen herum (vor allem, wenn diese zu Journalisten gehören), erst vor wenigen Wochen ist er als SPD-Chef entmachtet worden. Er hat irgendwie nie so ganz nach Berlin und in die ganz große Politik gepasst, aber an diesen Ort würde er prima passen. Kein Wunder, sein Heimatort Steinfeld liegt nur rund 20 Kilometer entfernt.

200_felsen

Kletterfelsen (Foto: Matthias Weber)

Vor zwei Jahren haben Christian und ich beschlossen, dass unsere Söhne (damals sieben Jahre alt) groß genug für längere Wandertouren sind. Und so ziehen wir jedes Jahr für zwei Tage los. Nach dem Rheinsteig zwischen Lorsch und Braubach (Klasse!) und dem Odenwald bei Breuberg (schön) ist der Pfälzer Wald die dritte größere Tour.

Wir starten am Bahnhof Albersweiler, den man – wenn man bereit ist, sehr oft umzusteigen – tatsächlich mit der Bahn vom Rhein-Main-Gebiet aus erreichen kann. Über eine große Wiese geht es hinein in den Wald und – da ja Mitte Oktober ist – gleich hinein ins Vergnügen. Denn der Boden ist nicht nur übersäht mit Blättern, sondern auch mit Esskastanien, die der Südpfälzer ‚Keschde’ nennt. Da wir alle vier in unserem früheren Leben offenbar Sammler waren (und nicht Jäger), sind Hosentaschen, Plastiktüten und Brotdosen schnell voll und am Ende der Tour haben wir gute vier Kilo beisammen – die die Papas natürlich gerne mit allen anderen Sachen im Rucksack durch die Wälder tragen.

Der Weg vom Parkplatz Ahlmühle zum Trifels ist für Kletterbegeisterte ein Genuss. Hoch und runter geht es, an zwei Burgruinen (Scharfenberg und Anebos) sowie zahlreichen zerklüfteten Sandsteinfelsen vorbei. Die Jungs sind begeistert, klettern mal hier hinauf und mal dort, laufen nach rechts und links, aber selten geradeaus.

Trifels (Foto: Matthias Weber)

Trifels (Foto: Matthias Weber)

Als wir um 16.19 Uhr schließlich vor dem Schild „Trifels 20 Minuten – Letzter Einlass 16.30 Uhr“ stehen, ist Kampfgeist gefragt. Querfeldein schlagen sich zwei Papas und zwei Söhne den Berg hinauf – und schaffen es! Um 16.27 Uhr bin ich oben, zwei Minuten später sind wir komplett und im Besitz gültiger Eintrittskarten. Die Sicht ist toll, die Rheinland-Pfalz-Fahne auf dem Turm falsch herum aufgezogen (warum, finden wir nicht heraus).

Der Abstieg nach Annweiler zieht sich, aber dort erwarten uns Senna, Uwe und Raphael mit selbst gemachtem Flammkuchen. Was will man mehr.

Madenburg (Foto: Matthias Weber)

Madenburg (Foto: Matthias Weber)

Am nächsten Morgen wandern wir von Annweiler in weitem Bogen wieder zum Parkplatz Ahlmühle und dann weiter zum Slevogthof. Aber wir lassen den ehemaligen Hof des Malers Max Slevogt links liegen und steigen zu unserer nächsten Ruine hinauf: der Burgruine Neukastell. Viel ist von der einstmals großen Burg allerdings nicht mehr übrig, nur der ehemalige Burgfels ragt noch aus den Bäumen hinaus. Der Blick von oben auf Berge und das Rheintal ist allerdings grandios – oder besser gesagt: Er wäre es, wenn die Sicht etwas besser wäre. Dazu kommt, dass der Wind ziemlich kalt über den kahlen Felsen pfeift, so dass wir schnell den Rückzug antreten.

200_schild1

Schilderflut (Foto: Matthias Weber)

Wir steigen ab nach Leinsweiler und können unsere schwächelnden Jungs nur mit Mühe überreden, einen letzten längeren Anstieg anzugehen: den zur Madenburg. Die Sonne zeigt sich, der Anstieg durch den Wald zieht sich und wird am Ende ganz schön steil. Aber gerade, als die Müdigkeit die Oberhand zu gewinnen droht, taucht die Madenburg auf und entschädigt uns für alle Strapazen. Gut erhaltene Türme und Wehranlangen bieten zwei plötzlich wieder unternehmungslustigen Neunjährigen beste Möglichkeiten – und das kleine Bistro versorgt zwei müde, aber glückliche Väter mit einem Feierabend-Bierchen, das bei Sonnenschein auf der Terrasse prächtig mundet. Ein schöner Abschluss zweier gelungener Wandertage.

P.S.: Fast an ein Wunder grenzt es, dass wir uns in den beiden Tagen nur einmal verlaufen haben – und das trotz der mehr als großzügigen Ausschilderung. Denn kaum ein Weg hat einfach nur eine Bezeichnung. „Keschde-Weg“, „Cramer-Pfad“, „Annweiler Rundwanderweg Nummer 5“, „Mönchsweg“, „Weg 101 des Pfälzerwaldvereins“ –  nicht selten zieren zehn verschiedene Markierungen die Baumstämme. Wer sich da noch orientieren kann, muss wohl ein Südpfälzer sein.

Schreibe einen Kommentar