Kein Land für alte Männer

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Ich habe viel gelacht. Was ich überhaupt nicht erwartet hatte. Und „No Country for Old Men“ ist dabei kein komischer Film. Als ich aus dem Kino heraus kam, wusste ich nicht, was ich von diesem Film halten sollte. Das wurde erst – Stück für Stück – in den folgenden Tagen klar. Die Coen-Brüder bedienen eine ganze Menge Kino-Klischees und sie frustrieren sehr viele Erwartungen der Zuschauer. Es verhält sich mit diesem Film im Grunde genauso wie mit Maceo Parkers Saxophon-Spiel: Es kommt auf die Töne an, die er weglässt. Zwei Schlüsselszenen finden in dieser Geschichte statt, nur sind sie nicht zu sehen. Beide werden nur durch Blicke zusammengefasst. Der Blick auf den Tatort oder der Blick auf die Schuhsohle.

Der Focus des Films wechselt im Lauf der Handlung. Da ist eine Beute, und der Mann, der sie findet, wird schnell selbst zum Gejagten, sein Jäger ist ein scharfsinniges Raubtier, ein unaufhaltsamer Auftragskiller mit ganz eigenen Prioritäten. Da ist ein anderer Jäger, der ebenfalls zur Beute wird. Und ein alter, müder Mann mit staubtrockenem Humor, der eigentlich den Killer jagen sollte. Aber der Sheriff ist noch mit einer sehr persönlichen Suche beschäftigt, die schließlich den Film abschließt. An einem Punkt, an dem die Geschichte – natürlich – noch nicht zu Ende erzählt ist. Kein Wunder, dass ein Kinobesucher kurz vor dem Abspann leise fragte: „Ist das die Pause?“

Was bleibt zwischen all dem Weggelassenen? Eine Fülle von Kinobildern, die lange im Kopf bleiben werden und Sätze wie dieser:

„Was ist das Wertvollste, um das Du jemals gespielt hast?“

Dieser Satz ist untrennbar mit dem Gesicht Javier Bardems verbunden – in einer unglaublich spannenden Szene von archetypischer Wucht: Da ist ein Tankwart, der einfach nur freundlich seinen Job machen will, ein Unschuldiger und da ist dieser Killer, der mit seinen Fragen um diesen Mann herum schleicht wie ein Leopard um ein im Dschungel angebundenes Kalb. Minutenlang sucht der Killer nach einer Antwort, die in seinem wirren Koordinatensystem als Anlass für einen lustvollen Mord herhalten könnte. Minutenlang fiebern die Zuschauer in der Deckung des dunklen Kinosaals mit und beten um das Leben des Tankwarts.

Fazit: Die Coen-Brüder überlassen uns einen Teil der Arbeit, wenn sie Bilder in unsere Köpfe bringen, die auf der Leinwand gar nicht zu sehen können. Und eigentlich haben sie genau dafür den Oscar verdient.

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