Prof. Pu empfiehlt: „Ich kann mir alles merken, nur nicht mehr so lange“ von Nora Ephron
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Ich war wirklich sehr traurig, als Nora Ephron im Juni dieses Jahres starb. Wir verdanken ihr Filme wie „Harry und Sally“, „Schlaflos in Seattle“ und ihren letzten, „Julie & Julia“. Sie schrieb ein Buch über ihre Ehe mit Carl Bernstein, dem Watergate-Journalisten, aus dem dann der wunderbare Film „Sodbrennen“ mit Meryl Streep und Jack Nicholson wurde. Schon ihre Briefe aus dem College verarbeiteten ihre Eltern 1963 zu dem Film „In Liebe eine 1“. „Hollywoods erfolgreichste Drehbuchschreiberin“, so der Klappentext, schrieb mit ihrem unnachahmlichen Humor auch hinreissend-selbstironische Glossen. Ihr erster Band, „Der Hals lügt nie“, ist ein Buch, dass man jeder Frau zum Geburtstag schenken sollte – egal, zu welchem. Allein schon wegen der unverzichtbaren Ratschläge wie
• Leute bleiben wie sie sind.
• Schreib alles auf.
• Man kann mehr als ein Dessert bestellen.
• Wenn ein Schuh im Schuhgeschäft nicht passt, passt er nie.
• Der Grund, warum du mitten in der Nacht aufwachst, ist das zweite Glas Wein.
• Wenn jemand sagt „Unsere Freundschaft ist mehr wert als das“, passt Du besser auf, denn es stimmt fast nie.
In ihrem zweiten Band „Ich kann mir alles merken, nur nicht mehr so lange“, den ich erst nach ihrem Tod in die Hand bekam, rührten mich manche Stellen zu Tränen, zum Beispiel die beiden Listen am Ende des Buches:
Was ich nicht vermissen werde:
• Schlechtes Essen, so wie das in dem Lokal, in dem wir gestern waren
• Umfragen, die zeigen, dass zweiunddreißig Prozent der Amerikaner fest daran glauben, dass das Leben allein von Gott erschaffen wurde
• Diskussionsrunden über Frauen im FilmWas ich vermissen werde:
• Speck
• Lesen im Bett
• Abendessen mit Freunden in Städten, in denen keiner von uns lebt
• Paris
• Kuchen
So sinnenfroh schreibt sie über die Vergesslichkeit und das Glück, dass heutzutage jeder mal heimlich vor die Tür gehen kann, um in seinem Smartphone schnell den Namen des Schauspielers, nein, eigentlich seine Partnerin, in dem Film, dessen Titel einem auch nicht mehr einfällt, zu googeln. Herrlich selbstironisch ist ihre Glosse über floppende Drehbücher, dem Unterschied zwischen Total-Flops, Quasi-Flops und dem Vorteil, selbst Regie zu führen, denn wenn der Film dann floppt, gibt es nur einen Schuldigen: Man selbst.
Sie nimmt die Amerikaner mit ihrem Diätwahn und ihrer Angst vor Cholesterin auf die Schippe in ihrer Geschichte über das Eiweissomelette – ganz ehrlich, ich wäre nie auf die Idee gekommen, ein Omelette ohne Eigelb herzustellen … Die spinnen, die Amerikaner. Ebenso hinreissend ist auch die Story über den „Hackbraten Nora“ auf der Menükarte eines New Yorker Restaurants.
Ephrons Geschichten sind so vergnüglich und tiefsinnig zugleich, dass man sie immer wieder zwischendurch, besonders bei schlechter Laune, in die Hand nehmen kann. Am allermeisten aber liebe ich sie, bei allen schönen Filmen und Geschichten, die wir ihr zu verdanken haben, für diesen Satz in „Journalismus: Eine Liebesgeschichte“, über die Anfänge ihres Berufslebens bei „Newsweek“:
Archive sind das Größte, was einem im Journalismus widerfahren kann.
Danke für alles, Nora Ephron, und ich hoffe, im Himmel für gute Drehbuchautorinnen gibt es Speck und Kuchen und keine E-Mails …
Nora Ephron
Der Hals lügt nie
Übers. von Theda Krohm-Linke
Blanvalet-Taschenbuch € 7,95
978-3-442-37276-8
Nora Ephron
Ich kann mir alles merken
Übers. von Ulrike Clewing
Limes-Verlag € 14,99
978-3-8090-2601-3