Was die Welt zusammenhält

Die Welt ist erklärbar – bis zum nächsten Fragezeichen. Woher wir kommen, wohin wir gehen – Harald Lesch machte sich vergangenen Sonntag auf den Weg und schritt die Grenzen unseres Weltbildes ab. Im neuen Hörsaalzentrum der Frankfurter Goethe-Universität sollte das „Geheimnis des Urknalls“ gelüftet werden.

Harald Lesch (Foto: Christopher Henkel)Auf dem Programm standen 13 Milliarden Jahre in 90 Minuten und die Frage „Können wir wissen, was wir wissen?“. Eine leistbare Aufgabe für den Medienprofessor aus München. Leschs Einstieg in das Thema rührte an das Kernproblem des Themas. Kann die Astronomie als die Wissenschaft vom universalen Gestern wirklich den Ursprung der Welt erklären? Der Urknall als Initialzündung von Zeit und Raum fordert nicht nur die Vorstellungskraft heraus, er wirft auch methodische Fragen auf. Baryionen, Leptonen, Higgs-Teilchen und vieles mehr scheinen Beschwörungsformeln einer Geheimwissenschaft zu sein. Einer „arcana imperii“, zu der nur der Eingeweihte Zutritt hat. Leschs Antwort darauf lautete: Physik und damit auch die Astronomie, ist eine rationale Wissenschaft. Ihre Modelle sind logisch und damit für jedermann nachvollziehbar.

Und mehr noch sie sind verallgemeinerbar. Das ist nicht selbstverständlich und doch ein höchst willkommener Umstand. Die Kluft zwischen dem was wir wissen und dem was wir wissen können, wird durch die universelle Gültigkeit der Naturgesetze geschlossen. Diese auch mit dem Kausalitätsprinzip beschriebene Gesetzmäßigkeit erst ermöglicht es dem Physiker über den irdischen Tellerrand hinaus zu schauen und die Botschaften aus dem All zu verstehen. Ist damit also der Blick frei auf den Ursprung allen Seins? Hier musste der Wissenschaftsmoderator Lesch das interessierte Publikum enttäuschen. Quantenphysik und Relativitätstheorie führen die Astrophysiker zwar nah an die Stunde Null heran, einen Blick in die Wiege eröffnen sie ihnen jedoch nicht. Die Gründe hierfür sind systemimmanent. Die Hitzewallungen der Geburtsstunde überdecken das eigentliche Ereignis und versperren den Astronomen die Sicht.

Hörsaal der Goethe-Universität (Foto: Christopher Henkel)Trotzdem ist das Wissen um die ersten Minuten des Universums in letzten Jahren erheblich gewachsen. Dabei gehen die gegenwärtigen Modelle von der Annahme eines Symmetriebruchs aus um das Entstehen unseres Universums zu erklären. Konkret beschreibt dieser Symmetriebruch die Umwandlung von Strahlung in Materie. Ursache für diesen Vorgang war, so Lesch, eine bereits kurz nach dem Urknall einsetzende Abkühlung des Universums. Eine Entwicklung mit Folgen. Mit dem Auftreten der vier Grundkräfte der Physik (Starke Wechselwirkung, elektromagnetische Wechselwirkung, schwache Wechselwirkung und der Gravitation) entstand die uns vertraute Welt. Protonen, Elektronen – das Auftreten der Elementarteilchen schafft Klarheit. Doch löst es wirklich alle Probleme?

Astrophysiker und mit ihnen die Kollegen aus der Elementarteilchen-Fraktion haben neue Fragen ausgemacht. Sie sind bei der Bilanzierung der Masse des Universums auf Abweichungen gestoßen, die den Schluss nahe legen, dass nicht alle Energie in Masse umgewandelt wurde. Ein Problem dem man mit dem Begriff der „kosmischen Inflation“ beziehungsweise dem Vorhandensein von dunkler Energie beizukommen versucht. Ob es stimmt oder wir nur auf dem Weg zum nächsten Fragezeichen sind, wer weiß. Aber wie sagte schon Harald Lesch „Wissenslücken sind der Treibstoff unserer Erkenntnis“ und da wäre ein voller Tank schon ganz gut.

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