Club der Guernseyer Freunde von Dichtung und Kartoffelschalenauflauf

Prof. Pu empfiehlt: Deine Juliet von Mary Ann Shaffer und Annie Barrows

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London, Anfang 1946: Die junge Schriftstellerin Juliet Ashton verdient zum ersten Mal ein wenig Geld mit ihren Kolumnen. Das tröstet sie darüber hinweg, dass ihre Biografie über Anne Brontë so gar nicht gut läuft. Ihren ersten Verlobten hat sie aus der Wohnung geworfen, nachdem er alle ihre Bücher in den Keller geräumt hatte. Ob sie den neuen Verehrer erhören wird, ist fraglich. Am liebsten schreibt sie amüsante Briefe an ihren Verleger und an ihre Freundinnen. Eines Tages erhält sie einen Brief von Dawsey Adams. Er hat ein Buch erworben, das irgendwann einmal ihr gehörte. In dem von enormen Mangel geprägten Nachkriegs-England für ihn ein großer Luxus. Und weil er sich über die Maßen über seinen Fund freut, teilt er es der Vorbesitzerin mit:

Sehr geehrte Miss Ashton,
mein Name ist Dawsey Adams, ich lebe auf einem Bauernhof in St. Martin’s Parish auf Guernsey. Ich weiß von Ihnen, weil ich ein altes Buch habe, das einmal Ihnen gehörte – Ausgewählte Essays von Elia von einem Verfasser, der im wirklichen Leben Charles Lamb hieß. Ihr Name und ihre Adresse stehen auf der Innenseite des Einbands. Ich möchte Sie um eine Gefälligkeit bitten. Könnten Sie mir Namen und Adressen einer Buchhandlung  in London schicken?

Charles Lamb hat mich während der deutschen Besatzung zum Lachen gebracht, insbesondere mit dem, was er über den Schweinebraten geschrieben hat. Der Club der Guernseyer Freunde für Dichtung und Kartoffelschalenauflauf wurde wegen eines gebratenen Schweins ins Leben gerufen, das wir vor den Deutschen geheim halten mussten, weswegen ich mich Mr. Lamb verbunden fühle.

In der Hoffnung, Ihnen nicht lästig zu fallen, verbleibe ich hochachtungsvoll,
Ihr Dawsey Adams

Die freundliche und neugierige Juliet antwortet prompt und schickt ein neues Lamb-Buch nach Guernsey. Sie beschließt, über die genaue Entstehungsgeschichte der „Guernsey Literary and Potato Peel Pie Society“ einen Artikel für die Times zu schreiben. Nach und nach tritt sie mit fast allen Mitgliedern des Clubs, was gleichbedeutend ist mit der halben Kanalinsel, in Briefkontakt. Da lässt eine Einladung auf die Insel nicht lange auf sich warten. Sie wird begeistert aufgenommen und aus dem Artikel wird ein Buch werden, und nicht nur das …

Diese wunderbare Mischung aus neu erwachter Lebenslust, schlimmen und traurigen Kriegserlebnissen, Mangelwirtschaft, Herzensangelegenheiten, anrührender Mit-Menschlichkeit und einer Liebeserklärung  ans Lesen und an die Literatur, egal welcher Couleur, macht dieses Buch zur idealen Sommer-Lektüre. Juliet spricht mir aus dem Herzen wenn sie schreibt:

Das ist es, was ich am Lesen so liebe; an einem Buch interessiert einen eine winzige Kleinigkeit, und diese Kleinigkeit führt zu einem anderen Buch, und etwas in diesem führt wiederum zu einem dritten Buch. Es ist geometrisch progressiv  – es ist kein Ende in Sicht und es hat keinen anderen Zweck als das pure Vergnügen.

Voilà: Nie zuvor habe ich mir Gedanken über die deutsche Besatzung auf den Kanalinseln im Zweiten Weltkrieg gemacht. Jetzt würde ich am liebsten einmal hinreisen. Der Briefroman stand lange auf Platz 1 der New York Times. Mary Ann Shaffer – Buchhändlerin und Bibliothekarin –  hat den Erfolg leider nicht mehr erlebt. Sie starb 2008.

Mary Ann Shaffer und Annie Barrows
Deine Juliet
rororo € 8,95
978-3-499-24593-0

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