Christopher hebt ab mit dem Roten Baron
Nun fliegt er wieder – der Rote Baron, gefühlsechter und sensibler als je zuvor. Neunzig Jahre nach seinem letzten, finalen Abschuss entdeckt die Filmindustrie den „letzten Ritter der Lüfte“ neu. Richthofens Revival wird dabei zu einem amourösen Blitzkrieg, an dessen Ende sich die Hauptdarsteller Matthias Schweighöfer (Richthofen) und Lena Headey (Käte Otersdorf) im Niemandsland zwischen Karriere und Liebe wiederfinden.
Aber der Reihe nach: Am Anfang steht ein Hubertus-Erlebnis. Auf der Jagd nach einem Reh werden die Richthofen-Buben Manfred und Lothar von einem vorbeifliegenden Doppeldecker überrascht. Das Reh ist gerettet, Richthofens Flugleidenschaft geweckt. Westfront 1917, der Krieg am Boden ist zum Stillstand gekommen. Wahres Heldentum lässt sich nur noch im Kampf von Flieger gegen Flieger erleben – Richthofens Stern steigt. Kameradschaft, Draufgängertum und Ritterlichkeit prägen das Verhältnis der Piloten untereinander. Da werden Kränze über den Gräbern abgeschossener Kriegsgegner abgeworfen, Prostituierte besucht, Abschusslisten ergänzt und Orden gesammelt.
Richthofen will nach oben, will das „Ass der Asse“ werden. Der Weg dorthin führt über Abschüsse, Abschüsse und nochmals Abschüsse. Doch einer sollte sein Leben verändern. Nach dem erfolgreichen Luftkampf mit Roy Brown (Joseph Finnes), rettet Richthofen dem kanadischen Piloten das Leben und lernt quasi als Belohnung die Krankenschwester Käte kennen. Zuneigung zu Käte einerseits und militärische Erfolge anderseits bestimmen von nun an das Leben Manfred von Richthofens. Allmähliche Annäherungen zwischen den beiden werden durch Bombenangriffe, Versetzungen oder durch Diskussionen über das Wesen des Luftkrieges unterbrochen. Derweil lichten sich die Reihen in Richthofens Geschwader, ja selbst der Kriegsheld wird verwundet und natürlich von Käte versorgt.
Richthofen wandelt sich vom jugendlichen Himmelsstürmer zum reflektierenden Kriegsteilnehmer. Ein Wandel, der nach dem Willen des Drehbuchautors Nikolai Müllerschön durch den konkurrierenden Bruder und Kampfpiloten Lothar (Volker Bruch) verdeutlicht wird. Der fanatische Lothar wird zum Gegenentwurf seines berühmten Bruders. Und so kommt es wie es kommen muss. Zu deutlich wird die Sinnlosigkeit der letzten Offensiven, zu eindeutig ist die Überlegenheit des Gegners. Richthofens Tod ist absehbar, auch die Liebe Kätes rettet ihn nicht.
Zugegeben, ein Spielfilm ist keine Geschichtsstunde und aus Geschichte kann schnell Geschichten erzählen werden. Geschenkt also die Sache mit der Kadettenanstalt, in die der junge Richthofen gesteckt wurde. Vergessen wir einfach die Aussage Richthofens, dass zuerst auf den Piloten und dann auf das Flugzeug geschossen werden sollte. Sehen wir mal drüber hinweg, dass das Schießen auf bereits abgeschossene Piloten nicht sportlich ist. Ignorieren wir also das Nichtgesehene, aber was bleibt dann? Nun vor allem die Liebe und natürlich die Kameradschaft. Was die Liebe angeht, es verkauft sich halt besser mit als ohne. Da macht es es eigentlich auch nichts, dass Frauen in Richthofens Leben nur Nebenrollen spielten. Bis auf Mama (Gitta Schweighöfer), aber die spielt im Film nun wirklich keine Rolle. Das ist bedauerlich, denn gerade Kunigunde von Richthofen war Manfreds engster familiärer Bezugspunkt. Gerade sie hätte die Möglichkeit geboten Richthofens Charakter beziehungsweise seine Vorgeschichte zu verdeutlichen. Homöopathisch bis zur Unwirksamkeit auch der Vater (Jan Vlasak), immerhin einer der Hauptverantwortlichen für Richthofens Militärlaufbahn und Jagdleidenschaft.
Richthofen der Killer? Nein. Richthofen der Dandy? Nein Richthofen der Ehrgeizige? Vielleicht. Simplifizierungen führen bei der Ergründung dieser Person nicht weiter. Mythen wie die polyglotte Ritterlichkeit und selbstbewusste Aufmüpfigkeit gegenüber Autoritäten ebenso wenig. Richthofen und seine Kameraden waren Perfektionisten des Todes, diszipliniert und zielstrebig. Typen dieser Art sind auch im Jahre 2008 kein Kassenschlager. Stattdessen sollten sie einen Hauch von Esprit versprühen, weltmännisch, emotional und echte Teamplayer sein. Das aber war der „echte“ Richthofen trotz aller Legendenhaftigkeit leider nicht. Vorschlag: Der nächste Rettungsversuch Preußens sollte sich eher auf Personen wie Fürst Pückler konzentrieren. Zugegeben kein Kriegsheld, aber wenigstens kommen neben viel Natur und Kunstsinnigkeit auch die Liebe und die Lebensfreude nicht zu kurz. Immerhin für einen Preußen nicht schlecht.
Hier Christophers Besprechung der Richthofen-Biographie von Joachim Castan
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