Wenn Gott einen doppelten Ramazotti braucht …

Prof. Pu empfiehlt: „Faust – Der Tragödie erster Teil“ von Flix

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Für H.

Faust ist im 21. Jahrhundert angekommen. Als Graphic Novel. Wow. Würde der Faust von Flix dazu sagen. Sage ich auch. Ich habe schon lange nicht mehr beim Lesen so laut gelacht. Allein schon der Umschlag: Die Tragödie kommt in Gelb daher, wie ein zu groß geratenes Reclam-Heft. Das Vorspiel, die Rahmenhandlung, findet im Himmel statt: Gott sitzt am Computer und bekommt Besuch vom Teufel. Der zieht ihm kurzerhand den PC-Stecker und Gottes neues Schöpfungsprogramm geht den Weg alles EDV-Irdischen – es ist gelöscht.

Teufel: Wie lautet das oberste Gebot? Du sollst regelmäßig Backups machen. Und nur, weil man hier der Chef ist, heisst das nicht, dass man sich nicht dran halten muss. Mannmannmann … immer ’ne Extrawurst, der feine Herr.

Darauf braucht Gott erst einmal einen doppelten Ramazotti, ohne Zitrone mit Eis und Schirmchen, serviert vom Engel Sekretär. Denn Gott hat Kreislauf. Und reagiert etwas cholerisch, als sich „Meph“, voller Name „Mephistopheles Beelzebub Tunichgut“, über die magere Datei namens „Alle meine Schäfchen“ lustig macht.

Schon mal über eine neue Inquisition nachgedacht? Ich meine, die hat dir doch damals scharenweise Fans eingebracht. Let’s do it again. Ich könnte dir helfen. Ich hab da Kontakte. Oder eine Pestepidemie via Klingeltondownload. Pest 2.0. Das rockt.

Auf diese Weise quält er den armen Gott so lange, bis sie eine Wette eingehen: Sie wählen aus der Datei der Gläubigen einen Zufallskandidaten, diesen muss der Teufel binnen eines Jahres vom Wege abbringen – der Kandidat heißt Heinrich Faust, lebt in Berlin und ist studierter Taxifahrer (Philosophie, Medizin, Jura und leider auch Theologie …). Sein Freund Wagner, Rollstuhlfahrer mit Migrationshintergrund, ist sehr sauer auf Faust, weil er denkt, er habe seinen Pudel (!) Charlotte von Stein überfahren. Gretchen ist eine Muslima und heißt Margarete, weil ihr Vater für Schreinemakers schwärmte – sehr zum Missfallen der Mutter, die sie lieber Özlem nennt und mit Kopftuch sehen würde. Und auch sonst geht die Geschichte ein ganz bisschen anders aus …

Respektlos und gleichzeitig respektvoll, dieser Flix. Das hat mich beeindruckt, dieses Feuerwerk an Ideen, Spitzfindigkeiten, Zitaten und Anspielungen. Da findet man das Dschungelbuch, Loriot, Dale Carnegies „Sorge Dich nicht – lebe“, Goethe selbstverständlich, und der Sekretär-Engel erinnert an Peter Pans Tinkerbell. Es kommt auch schon mal vor, dass er die Texte tauscht, so wie zum Beispiel der betrunkene Faust von sich plötzlich meint, er sei der Geist, die stets verneint … Auch ein schöner Einfall: Mephisto sitzt bei Faust im Wohnzimmer und liest Faust von Goethe. Intertextualität heißt das, habe ich aus dem Vorwort gelernt. Da sage noch mal einer, Comics würden nicht bilden …

Ach ja, endlich weiß ich jetzt auch, wer die Spam-Mails verschickt – kleine nichtsnutzige Looser-Teufel in der untersten Etage der Hölle. Und hier noch eine Empfehlung von Meph für die Tage nach Weihnachten: Die Paradiesdiät – morgens einen Apfel und sich den Rest des Tages schuldig fühlen!

Faust von Flix
Der Tragödie erster Teil

Carlsen Comics  14,90
ISBN 978-3-551-78977-8

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