„Ohne Dummheit kann es überhaupt kein Leben geben!“ Georg Seeßlen und Markus Metz im Interview

Sozusagen als Weihnachtsgeschenk für alle Buch- und Filmfreunde: ein Interview mit dem Journalisten und Autor Markus Metz und Deutschlands bedeutendstem Filmkritiker Georg Seeßlen. Die Gelegenheit ergab sich, als die beiden Autoren ihr Buch „Die Blödmaschinen“ am 4. Dezember 2012 in Mainz vorstellten – in einer multimedialen Lesung mit Überraschungseiern. Mit den „Blödmaschinen“ liefern Seeßlen und Metz eine Medienkritik ab, die die Strukturen und Mechanismen der Verblödung in unserer kapitalistischen Mediengesellschaft analysiert.

Markus Metz und Georg Seeßlen (Foto: Thomas Laufersweiler)
Markus Metz und Georg Seeßlen (re.) Foto: Thomas Laufersweiler

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SchönerDenken: Haben Sie sich abgefunden mit dem real existierenden Kapitalismus oder sind Sie zu verzweifelt und wütend, um da noch etwas zu hoffen?

Seeßlen: Wir wären nicht hier, wenn wir nicht Hoffnung hätten. Außerdem ist es natürlich so, dass nach dem bekannten Spruch von Jorge Luis Borges der Kritiker die Pflicht hat, so weit zu übertreiben, auch bis die Energien seiner Zuhörer sich möglicherweise zum Widerstand finden können. Insofern haben wir auf gar keinen Fall die Hoffnung aufgegeben.

Was gibt Ihnen Hoffnung?

Metz: Im Prinzip die Hoffnung darauf, dass eine gewisse Art von aufklärerischer Information möglichst vielen Menschen die Augen öffnet.

Kann es überhaupt einen Kapitalismus geben ohne Dummheit?

Seeßlen: Ohne Dummheit kann es überhaupt kein Leben geben! Deswegen ist es, glaube ich, sehr wichtig zwischen Dummheit und Blödheit zu unterscheiden. Dumm bin ich wie jeder andere Mensch auch und jedes Nachdenken, jedes Denken, jedes Bewusstsein fängt damit an, dass man merkt, wie dumm man ist – und wie blöd gemacht. Diese beiden Sachen darf man wirklich nicht in einen Topf schmeißen. Die Blödheit ist etwas, das man sich erwirbt – und zwar in der gesellschaftlichen Praxis. Und gegen die Blödheit kann man ankämpfen. Jeder Mensch hat die Fähigkeit – wenn es auch manchmal ein bisschen anstrengend ist – sich gegen seine Verblödung zur Wehr zu setzen.

Also der Ausgang aus der selbstverschuldeten Blödheit sozusagen. Können Sie ein Buch empfehlen gegen die Blödheit – außer Ihrem eigenen?

Seeßlen: Also mir würde eine Bibliothek einfallen. Es wäre schon sehr viel geholfen, wenn Menschen in der Lage sind durch ihre Lebensumstände sich wieder auf die Suche zu machen nach Ideen, nach Kontroversen, nach Konflikten. Insofern ist im Grunde genommen, eigentlich jedes Buch … Es kommt auf den Leser an. Es kommt auf die Fähigkeit an, kritisch auf die Dinge zu reagieren. Wenn ich ein kritisches Publikum habe, kann auch das tägliche Fernsehprogramm ausgesprochen anregend und erkenntnisreich sein. Auch unser Buch ist – glaube ich – nicht für sich schon mal eine große aufklärerische Tat, sondern das braucht den Leser, der sich damit auseinander setzt und der eigene Wege geht. Wir sind keine Prediger oder so etwas, die sagen: „Ihr müsst so denken wie wir denken!“ Die Idee dahinter ist wirklich, dass jeder einen eigenen Impuls zur Befreiung … dass er irgendwann aufwacht und sagt: „Ich möchte nicht mehr verblödet werden!“ Das ist genau die Hoffnung eigentlich, die hinter all der Arbeit steckt.

Jetzt noch eine letzte Frage, die mit Dummheit/Blödheit gar nicht so viel zu tun hat – vielleicht aber auch. Von beiden würde ich gerne den Lieblingsfilm wissen.

Metz: Ich habe keinen Lieblingsfilm leider, weil das eher wechselnde, momentane Lieblingsfilme sind, die immer wieder neu dazu kommen, andere wegfallen. Ich kann Ihnen keinen Lieblingsfilm sagen.

Seeßlen: Gilt mehr oder weniger für mich auch. Es gibt natürlich Filme, zu denen man immer wieder zurückkehrt. Auf der einen Seite, weil sie so viel mit dem eigenen Leben zu tun haben und auf der anderen Seite, weil sie vielleicht die Bewegung, die man selbst anstrebt, so fantastisch in Bilder umsetzt. Wenn ich so ganz spontan diese Frage beantworten würde, dann sind es drei Filme, die mit kolossalen Reisen zu tun haben: „The Searchers“ von John Ford, sozusagen eine Reise in die eigene Mythologie, vielleicht auch in die eigene Schuld. Der zweite ist Kubricks „2001“, sozusagen die Reise gleichzeitig in die Zukunft und in die Vergangenheit. Der dritte wäre so ein Film wie „Wild at Heart“ oder vielleicht das gesamte Werk von David Lynch als Reise ins Innere, nicht nur ins Innere der Seele, sondern auch tatsächlich manchmal ganz buchstäblich auch eine Reise in das Innere des Körpers. Aber auf jeden Fall sind es Filme, die einen irgendwohin bringen, wo man noch nie war und wo auch möglicherweise nie jemand hin kommen kann – wo nur ein Film hin kommen kann. Das ist der Traum des Kinos überhaupt, glaube ich, an einen Punkt zu kommen, wo vorher noch nie jemand war.

Herr Metz, Herr Seeßlen, vielen herzlichen Dank.

Die Fragen stellte Thomas Laufersweiler.

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