Darum nerven Japaner

biginjapanFür BIG IN JAPAN hat sich Prof. Pu heute Christopher Neumanns Buch „Darum nerven Japaner“ vorgenommen, denn SchönerDenken berichtet ab dem 14. April vom Filmfestival “Nippon Connection” und widmet auch sonst den ganzen April der japanischen Kultur:

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Zwei Bemerkungen zu Beginn: Ich war noch nie in Japan und ich habe beim Lesen schon lange nicht mehr so laut gelacht. Das Buch über den „ungeschminkten Wahnsinn des japanischen Alltags“ hält genau das, was es mit seinem Untertitel verspricht: Es ist gnadenlos politisch unkorrekt und es macht herrlichen Spaß, es zu lesen. Neumann schreibt in seinem Nachwort:

Über Japan haben Tausende geschrieben: japanologische Abhandlungen, kaleidoskopartige Überblicke, objektive Analysen, bewundernde Schmeicheleien und wieder die Kapitulation vor der geheimnisvollen fernöstlichen Rätselhaftigkeit. Dieses Buch ist anders. Es hat nicht das Anziehende, Interessante oder Rätselhafte an Japan zum Thema. Das Hauptziel dieses Buches ist nur eins: Klipp und klar zu zeigen, warum sie nerven, ohne fernöstlichen Mystizismus, ohne beschönigenden Humanismus, ohne Bescheidenheit des neu ins Land Gekommenen, ohne den Versuch, daraus auch noch Vorbilder für den Westen zu erkennen. Nur aus reiner Menschenfreundlichkeit oder politischer Korrektheit müssen wir nicht jeden Quatsch respektieren.

Und von diesem Quatsch gibt es eine Menge. Allem voran das erste Kapitel „Regeln – Das Volk will belehrt werden“. Unvorstellbar, für wie unmündig der japanische Staat seine Bürger hält, wenn er sie den ganzen Tag mit visuellen und vor allem akustischen Parolen überschüttet, was nicht selten zur Folge hat, dass die Regeln und Warnungen einfach an ihnen vorbeirauschen. Allerdings schafft der Staat es aber auch, mit seinem infiltrierendem Regelungswahn und z.B. dem Nichtaufstellen von öffentlichen Papierkörben, dass alle ihren Müll brav mit nach Hause nehmen und dort entsorgen. Wie es dann aber auf den Straßen der Wohngebiete aussieht, wenn nicht jeden Tag die Müllabfuhr kommt, beschreibt Neumann auch. Und dass eine Tasse heiß ist, weil der Kaffee heiß ist und man sich daran verbrennen kann. Kennen wir das nicht auch aus Amerika?

Japaner

Sehr amüsiert haben mich auch die Übersetzungen der Bahnparolen-Plakate: „Wollen wir aufhören, uns in der letzten Minute in den Zug zu quetschen!“ Was auf der Yamanote-Linie dann wiederum nicht gelten kann, gibt doch die Bahnlinie selbst an, dass man bei 120 Prozent Auslastung noch seine Zeitung halb öffnen kann, bei 150 Prozent die Tasche nicht mehr auf den Boden stellen und bei 180 Prozent: Ich habe keine Armfreiheit, um mein Taschenbuch umzublättern. Und es steht an jeder Tür ein Schaffner, der quetschen hilft. Allerdings nur für kurze Zeit gab es das Schild „Bitte nicht zur Hauptverkehrszeit springen“.

Ein ganzes Kapitel ist den Schuhen gewidmet. Es gibt Pantoffeln, um in die Wohnung zu gelangen. Zimmer, die mit Reismatten ausgelegt sind, dürfen nur auf Strümpfen betreten werden. Es gibt Toilettenschuhe. Und wehe, man vergißt als dummer Ausländer, sie wieder vor der Rückkehr ins Zimmer auszuziehen. Mit Recht fragt sich Neumann, wie mag es um die Sauberkeit der Toiletten stehen, wenn Japaner beim Anblick von Toilettenschuhen im Wohnzimmer erstarren. Und wie oft schon kostbare Minuten bei Notfällen vergeudet wurden, weil die ganze Notarztmannschaft vor der Tür erst einmal die Schuhe auszieht.

Gelernt habe ich auch, dass den Japanern nichts lieber ist als dass ein Ausländer ihre Vorurteile über Ausländer bestätigt und somit auch, dass Japaner etwas ganz Besonderes sind, wie z.B. im Kapitel Schwimmbad:

Die zunehmende Erleichterung, dass zumindest im Schwimmbad nichts anders ist als zu Hause, wird spätestens nach einer knappen Stunde jäh zerstört. Jedes öffentliche Schwimmbad zwingt die Schwimmer nämlich alle dreißig bis fünfzig Minuten zur gemeinschaftlichen Erholungspause – mit Spaßfaktor 10. Ein gellender Pfiff des Bademeisters ertönt – und wehe, bei drei sind nicht alle auf den Bänken am Rand. Dort sitzt man dann müßig die fünf bis zehn Minuten Pause ab und erholt sich eben, wie verordnet. Wer nicht still sitzt, etwa weil er die Zeit nutzen möchte, um Ausgleichsgymnastik zu machen, wird sofort von einem weiteren Pfiff zur Räson gebracht. Pech, wenn man erst sieben Minuten vor Beginn der Pause angefangen hat zu schwimmen und eigentlich gerade so richtig in Fahrt gekommen ist. Aber schließlich weiß ja der Bademeister, was am besten für einen ist. Und er weiß es nicht nur – in bester Zugschaffner-Manier teilt er es uns auch mit.

Außer über das Schwimmbad erfahren wir einiges über das Radfahren in Tokio, die Mafia, Flirten auf Japanisch, Urlaubsgebaren und ihren Umgang mit Fremdsprachen. Ein wunderbares Kaleidoskop mit der Erlaubnis zu lachen. Schließlich erschien das Buch 2001 zuerst in Japan und sie haben es geliebt, die Japaner. Außerdem war Christoph Neumann jahrelang fester Bestandteil einer wöchentlichen Fernsehtalkshow mit dem Titel „Die spinnen, die Japaner“. Ich wünsche mir einer Serie von „Darum nerven Deutsche, Italiener, Franzosen etc. …“ Das wäre ein großes Vergnügen!

Christoph Neumann
Darum nerven Japaner
Serie Piper 4508 € 7,20
978-3-492-24508-1

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