Istanbul ist Geschichte, Istanbul ist aber auch Gegenwart. Eine Einsicht, die uns pünktlich zur Buchmesse völlig unvorbereitet trifft. Besucher der Ausstellung „Becoming Istanbul“ erwartet darüber hinaus noch ein weiteres, ziemlich verstörendes Erlebnis. Kargheit, ja richtig Kargheit. Statt opulenter osmanischer Architektur – Cyberspace. Das Frankfurter Architektur-Museum arbeitet mit dem Schock. Keine Hagia Sophia, kein Basar, oder richtiger nicht nur. Denn das Istanbul, das sich hier dem Besucher präsentiert, ist vielgesichtiger als Fes und Döner-Bude. Es ist ein virtueller Raum. Istanbul 2008 bedeutet Umbruch, Stadterneuerung und das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen auf engstem Raum. „Becoming Istanbul“ versucht dies in einer Fülle von Slideshows und Videos zu verdeutlichen. Hinter dieser Bilderflut verschwimmt für den Zuschauer das traditionelle Istanbul zu einer „Tag-Cloud“, einem irritierenden Labyrinth aus Begriff und Beziehungen. Sichtbar wird eine Stadt, die sich der räumlichen Vorstellung entzieht und zum Netzwerk mutiert ist. Das alles mit allem zusammenhängt ist nicht neu. In den Bildern von Istanbul überrascht es doch.
Die Ausstellung ist eine Kampfansage an das Klischee der „ewigen Stadt“ am Bosporus. Der Wandel dieser Stadt erschreckt, auch ihre Bürger. Die wichtigste Stadt der Türkei durchlebt eine Veränderung, die auch innerhalb der Stadt Wunden schlägt und in dem der Westen Istanbuls sich scheinbar immer weiter von dem Ostteil der Stadt entfernt. Anhand einer Vielzahl von Grafiken und Statistiken verdeutlichen die Ausstellungsmacher diese wachsende Kluft. Starbucks, McDonalds und Levis sind zum festen Bestandteil des europäischen Istanbuls geworden. Im asiatischen Teil dagegen sind sie noch immer Exoten. Gleichwohl bleibt die Stadt die Nahtstelle zwischen den Kontinenten. Istanbul ist ein großer Feldversuch, in dem ethnische und religiöse Gruppen, Kapital und Religion aufeinandertreffen und das Zusammenleben wagen. Das hierbei nicht die klare Antwort, sondern vielmehr die unausgesprochene Frage nach dem wohin im Vordergrund steht, verdeutlicht die Ausstellung auf ihre ganz eigene, abstrakte Art und Weise.
Die Ausstellung ist noch bis zum 9. November 2008 geöffnet.