Il Commissario folgt der Spur des Fuches
Es ist kein guter Morgen für Montalbano. Am Strand vor seinem Haus liegt ein erschlagenes Pferd. Und das verschwindet kurze Zeit später einfach wieder spurlos. Nun gehören malträtierte Tiere nicht unbedingt in den Zuständigkeitsbereich des Commissario. Aber – Montalbano ist empört. Wer ist zu einer solch grausamen Tat fähig? Getrieben von dem Wunsch nach Vergeltung begibt er sich auf die Suche nach dem Täter und stößt dabei auf die Spur eine überaus durchtriebenen Fuchses. Vigata, jenes beschauliche Hafenstädtchen mit seinen so außergewöhnlichen Bewohnern, wird erneut Augenzeuge von Verbrechen, die so typisch für Sizilien, aber doch auch seltsam anachronistisch für die kriminellen Energien unserer modernen Gesellschaft anmuten.
Es ist der zwölfte Fall, den Italiens hoffentlich noch viele, viele Jahre lebende Krimilegende Andrea Camilleri seinem kauzigen Commissario auferlegt. Der Zahn der Zeit, er nagt mittlerweile an Salvo Montalbano. Auch wenn der es sich partout nicht eingestehen will, seine Sehkraft lässt nach. Dass sein Kollege Mimi Augello dieser Tage mit Brille herumläuft, es verbessert die Laune des Commissario nicht. Und das bekommen seine Untergebenen Fazio, Gallo, Galluzzo und natürlich der Türen schlagende Catarella zu spüren. Dennoch begleiten sie ihren Chef treu vom Milieu der kleinen Gauner über die illegalen Pferderennen der besseren Gesellschaft bis hin zum unentwirrbaren Geflecht der Mafia und der unvermeidlichen Leiche. In deren Schlepptau sich wie stets der mindestens ebenso griesgrämige Pathologe Dottore Pasquano befindet. Spätestens hier muss Montalbano seinen ganzen Charme spielen lassen:
„Machen wir’s doch einfach so, Dottore: Sie reden und ich tupfe Ihnen in der Zeit den Schweiß ab, verjage die Fliegen und dann und wann gebe ich Ihnen auch noch einen Kuss auf die Stirn.“
Pasquano musste lachen. Und dann sagte er, ohne zwischendurch auch nur einmal Luft zu holen:
„Er wurde von einem Schuss in den Rücken getötet. Aber das musste ich Ihnen ja nicht erst sagen. Das Geschoss ist nicht ausgetreten. Und auch das musste ich Ihnen nicht erst sagen. Sie haben ihn nicht hier erschossen, weil, und das wissen Sie ja wohl auch selbst, einer nicht in Unterhosen herumläuft und erst recht nicht auf so einem elenden Überlandweg wie diesem. Er muss seit mindestens vierundzwanzig Stunden tot sein, auch um das zu begreifen besitzen Sie genug Erfahrung. Was den Biss in den Arm betrifft, so sieht ein Blinder, dass der von einem Hund stammt. Folglich bestand überhaupt keine Notwendigkeit, mich zum Sprechen aufzufordern, womit Sie nur meinen Atem vergeudet haben und mir wirklich ganz gehörig auf den Sack gegangen sind. War ich deutlich genug?“
Deutlich genug für den Commissario, doch nicht deutlich genug für die Presse. Wie schon in den vorherigen Büchern lässt sich Camilleri die Möglichkeit, die Seriosität der italienischen Medien in Frage zu stellen, nicht entgehen:
Im Fernsehen wurde die Meldung verbreitet, dass im Ortsteil Spinoccia der Leichnam eines Unbekannten von einem Fischer im Röhricht aufgefunden worden war. Nach Ansicht der Polizei handelte es sich um Mord, weil am Hals des Mannes Würgemale entdeckt worden waren. Unbestätigten Angaben zufolge habe der Mörder bestialische Grausamkeit gegenüber seinem Opfer walten lassen und es durch Bisse in Stücke gerissen. Die Ermittlungen führt Commissario Montalbano.
Und der kommt noch ganz schön in die Bredouille, beruflich wie privat. Beruflich, da er den Mörder des Toten schützen muss, und privat, da er seine langjährige Geliebte Livia, mit dem ihn vor allem ätzende Telefongespräche verbinden, mit der Besitzerin des getöteten Pferdes betrügt. Ehe unser Held sich aus dem emotionalen Geflecht befreien und das Geheimnis des toten Pferdes und das des Toten in Unterhosen lüften kann, lernt er zum Glück für ihn und uns noch viel über sich und die Natur des Menschen.
Dabei ist es mit dem zunehmend kurzsichtigen Montalbano letztendlich doch ein bisschen so wie bei einem guten Wein. Je älter, desto besser.
Andrea Camilleri
Die Spur des Fuchses
– Commissario Montalbano lässt den Blick in die Ferne schweifen
Hardcover, 267 Seiten
ISBN: 978-3-7857-2395-1
EUR 19,99