Prof. Pu empfiehlt : Weihnachtsschmaus – Kulinarische Geschichten zum Fest
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Die Weihnachtsanthologien aus dem Diogenes-Verlag sind immer ein gelungenes Potpourri aus alten und neuen Erzählungen. Das „literarische Weihnachtsmenu mit Gans, Karpfen, Pudding und mehr“ bietet ganz kalorienarm amüsante, spannende und besinnliche Geschichten rund ums Essen an der Deutschen beliebtestem Fest.
Bei Alphonse Daudet hastet ein Hochwürden mit großer Eile durch die drei Weihnachtsmessen, um möglichst schnell zum üppigen Abendessen zu kommen. Zur Strafe läßt ihn Gott an der Fresssucht sterben und bevor er ihn ins Paradies einlässt, muss er dreihundert Messen lesen.
Als es den Buddenbrooks noch gut ging, gab es bei ihnen die köstlichsten Dinge zu essen: Karpfen, gefüllter Puter, Mandelcreme, Schokoladeneis, dazu alten Rotwein, Marzipan natürlich und hinterher ein Glas kohlensaures Natron. Ein Karpfen spielt die Hauptrolle in Vicki Baums Geschichte: Unter großen Mühen organisiert Tante Mali während des Zweiten Weltkriegs einen mageren Karpfen, der dann zwei Wochen in der Familienbadewanne lebt und den am Weihnachtsabend aus lauter Liebe dann niemand mehr essen möchte.
Weihnachtsgänse gibt es von Oskar Maria Graf, Doris Dörrie, Vincent Klink und Ingrid Noll:
In meinem Elternhaus gab es am 25. Dezember den obligaten Gänsebraten und am Heiligabend die sogenannten Delikatessen. In den fünfziger Jahren verstand man darunter hartgekochte Eier mit einigen Krümeln falschem Kaviar sowie Fleischsalat vom Metzger …
Als ich meinen späteren Mann kennen und lieben lernte, stellte er mir schon früh die Gretchenfrage: „Was gibt es bei euch am Weihnachtsabend zu essen?“ Seine Mutter brachte nämlich die Gans nach bewährtem Rezept mit viel Majoran auf den Tisch und war damit aller weiteren Pflichten entbunden, denn am nächsten und übernächsten Tag wurden die Reste aufgewärmt. Ich war entsetzt, denn ich konnte mir den Heiligabend ohne Delikatessen nicht vorstellen.
Sehr amüsant ist auch der „Lamettakrieg“ im Hause Noll: Geworfen oder geknotet, viel oder keines – wer denkt nicht sofort an Loriots „Früher war mehr Lametta“!?
Am besten gefiel mit die kurze Erzählung von George Tabori: Die arme Familie eines verkannten Dichters hat an Weihnachten nichts zu essen. Kurzerhand kocht die Mutter aus der Kurzgeschichte, die alle Verlage abgelehnt haben, eine Suppe – die beste Geschichte, die sie je gegessen haben.
Agatha Christie schickt ihren Hercule Poirot, das Rätsel um den Weihnachtspudding zu lösen und Martin Suter seinen Protagonisten in die Weihnachts-Wellness-Abnehmkur – nur dass im neuen Jahr die fünf Kilo weniger keiner bemerkt. Dann doch lieber schlemmen … in diesem Sinne: schöne Weihnachten, guten Appetit und viel Zeit zum Lesen!
Weihnachtsschmaus
Ausgewählt von Daniel Kampa
Diogenes-Taschenbuch € 9,90
978-3-257-24064-1