Nicole sieht Slinkachus Fotografien als einmalige Chance für Kunstmuffel
Schwimmflügel sind eine gute Sache, um nicht unterzugehen. Der kleine Junge auf der Fotografie treibt sicher im Wasser – inmitten der kleinen Pfütze. Die zwei Männer im nächsten Bild kommen heftig ins Schwitzen. Es kostet sie vollen Körpereinsatz, um den weggeworfenen Erdnuss-Flip im Hinterhof von der Mülltonne weg zu tragen. Und schließlich der Vater, der sich schützend vor seine Tochter stellt. „Das sind keine Kuscheltiere, Susan!“ sagt er und zielt mit einem Gewehr auf das Untier am Boden – eine Hummel.
Da scheint wohl etwas mit den Größenverhältnissen durcheinander gekommen zu sein in Slinkachus Fotografien. Um genau zu sein, der Maßstab hat sich auf 1:87 verschoben. Dabei handelt es sich nicht um geschickte Bildbearbeitung sondern um eine ungewöhnliche Inszenierung. Der Londoner Street-Artist arbeitet für seine Motive mit winzigen Modellen gleich denen von Modelleisenbahnen. Diese Figuren verfremdet er, bastelt ein bisschen daran herum und stellt sie schließlich in die große Londoner City, hier an eine Straßenecke, dort ans Ufer der Themse und gerne auch mal neben einen Hundehaufen. Dann wird fotografiert: einmal die ganze Szenerie – und hier muss der Betrachter oft lange suchen, um die Figuren im Großstadtdschungel zu entdecken – und dann noch einmal en Detail.
Winzige Menschen in einer großen Stadt – so spannend und schräg kann Kunst sein. Slinkachu, gerade einmal dreißig Jahre alt, könnte mit seinen Arbeiten tatsächlich schaffen, woran andere große Namen der Szene gescheitert sind: Museumsmuffel für moderne Kunst zu begeistern und das quasi im Vorbeigehen.
Ein Video-Tribut an Slinkachu:
Es ist der besondere Blick auf das Alltägliche des menschlichen Lebens, der die Inszenierungen Slinkachus auszeichnet. Dabei spart der Künstler einerseits nicht an Spott und übt bittere Kritik an der Anonymität modernen Großstadtlebens. Andererseits drapiert er seine Figuren fast schon liebevoll und gibt ihnen Raum im großen Ganzen der pulsierenden, nie zur Ruhe kommenden Metropole. Slinkachus Kreaturen leben ihr eigenes ganz und gar bedeutsames Leben neben dem unseren, unbeeindruckt von unserem Kommen und Gehen, in ihrer eigenen Welt und doch nach den Gesetzen ihrer großen Vorbilder. Ein Abbild unserer Gesellschaft im Kleinen und doch immer wieder weit über die Grenzen des Skurrilen hinaus, das macht die Fotografien Slinkachus so überaus spannend.
Sein Projekt „Little People in the City“ betreibt Slinkachu seit 2006. Eine Auswahl seiner Fotografien sind in einem kleinen aber feinen Kunstbuch erschienen unter dem Titel „Kleine Leute in der großen Stadt“. Herrlich witzig, hintersinnig und überraschend kommt es daher und ist für solche unter uns, die für Kunst bisher so gar nichts übrig hatten, der bestmögliche Einstieg ins Kunstgeschehen.
Übrigens, wer durch die Londoner City schlendert, für den besteht durchaus die winzigkleine Möglichkeit, über eine von Slinkachus Figuren zu stolpern. Der Künstler lässt sie nach getaner Arbeit nämlich einfach zurück. Es könnte sich also lohnen, einfach mal mit der Nase am Boden durch die Stadt zu flanieren.
Slinkachu in den Tagesthemen: