Prof. Pu empfiehlt: „Sterbenskalt“ von Tana French.
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Seit Monaten warte ich ungeduldig auf das Erscheinen des dritten Kriminalromans von Tana French. Ich war sehr gespannt, welche Geschichte sie für den Undercover-Ermittler Frank Mackey bereit hält. Jener Frank, der in „Totengleich“ die Polizistin Cassie Maddox zu einer gefährlichen Ermittlung schickt.
Frank stammt aus einer armen Dubliner Familie und ist der Einzige unter fünf Geschwistern, der sich aus der Familie gelöst hat. Zusammen mit seiner jungen Freundin Rosie plante er vor 22 Jahren, nach England abzuhauen. Alles war gut organisiert, sie hatten ein wenig Geld gespart und Tickets für die Fähre, doch in jener Nacht taucht Rosie nicht am verabredeten Ort auf. Stattdessen findet Frank einen Brief, aus dem hervorgeht, dass sie sich allein auf den Weg gemacht hat. Danach hat niemand mehr etwas von Rosie gehört. Für Frank blieb das bis in die Gegenwart ein traumatisches Erlebnis. Seine Ehe ging darüber kaputt, seiner Tochter gegenüber hat er ein permanentes schlechtes Gewissen.
Seit Olivia zur Vernunft gekommen ist und mich vor die Tür gesetzt hat, wohne ich an den Kais, in einem wuchtigen Appartementblock, der in den Neunzigern gebaut wurde. Allem Anschein nach von David Lynch. Die Teppichböden sind so dick, dass ich noch nie einen Schritt gehört habe, aber selbst um vier Uhr morgens ist das Summen von fünfhundert Köpfen ringsherum zu spüren. … Eingerichtet ist meine persönliche Ecke von Twin Peaks im Geschiedenen-Schick, womit ich meine, dass es bei mir auch nach vier Jahren immer noch so aussieht, als würde gleich der Umzugswagen kommen. Die einzige Ausnahme ist Hollys Zimmer, das vollgestopft ist mit allen erdenklichen flauschigen Gegenständen.
Alles geht seinen Gang – bis zu dem aufgeregten Anruf seiner jüngsten Schwester Jackie: In einem abbruchreifen Haus in der Straße, in der die Familie immer noch lebt, wurde ein Koffer gefunden – Rosies Koffer. Zum ersten Mal nach 22 Jahren fährt Frank wieder zu seinen Eltern. Dabei wollte er dort nie mehr wieder hin, in dieses Haus, in dem der Vater trinkt und dann die Mutter schlägt. Dahin zurück, wo es immer noch so ärmlich riecht wie in seiner Kindheit, wo der älteste Bruder auf ein eigenes Leben verzichtet hat, um die Mutter zu beschützen.
Frank, der Profi, hat sofort einen bösen Verdacht. Im Haus Nr. 16, dort, wo er sich immer heimlich mit Rosie getroffen hat, weil ihr Vater strikt gegen ihre Verbindung war, findet sich tatsächlich nicht nur ihr Koffer. Unter einer Betonplatte liegt ihre Leiche. Rosie ist nie nach England gefahren. Und Frank wird mit aller Wucht in seine Vergangenheit geschleudert.
Natürlich beginnt er seine eigenen Untersuchungen, hinter dem Rücken der Mordkommission, und bewegt sich auf sehr dünnem Eis. Doch es bleibt nicht bei einer Leiche. Franks jüngster Bruder Kevin liegt eines Morgens tot im Garten des Hauses Nr. 16. Selbstmord? Mord? Frank rotiert, er bringt sogar einen neuen jungen Kollegen mit seiner enormen Überzeugungskraft dazu, ihm heimlich die Ermittlungsakten und Untersuchungsberichte zu kopieren. Immer tiefer zieht es ihn in seine Familie zurück, von der er glaubte, alles abgehakt zu haben. Und sein Verdacht, der Mörder, der, der sein Leben mit Rosie verhindert hat, stamme aus der Verwandtschaft, manifestiert sich …
Mein Warten auf diesen Roman Frenchs war fast spannender als letztendlich die Lektüre. Zuviel Familiendrama, zu wenig Spannung. Ihre Stärke liegt nach wie vor in den ausgefeilten Dialogen, den Psychogrammen ihrer Protagonisten und im unerwarteten Ende. Trotzdem hatte ich mir eine etwas andere Lebensgeschichte vom coolen Undercover-Frank erwartet.
Tana French
Sterbenskalt (Faithful place)
Scherz-Verlag € 16,95
978-3-502-10216-8