Blockbuster Entertainment’s 2001: „Liebe, was immer das auch sein mag“

In unserer Reihe “14 Jahre ohne Kino” steht das Jahr 2001 auf dem Programm. Jetzt ist wieder die Stunde des Experten gekommen: Timo ist der Mann hinter Blockbuster Entertainmentein postideologischer Filmliebhaber zwischen Murnau und Mainstream. Er schaut sich für uns die Kinoklasse des Jahres 2001 genau an. Wir sind gespannt!

Blockbuster Entertainment„SchönerDenken hat mich um eine Zusammenstellung meiner persönlichen Lieblingsfilme des Filmjahres 2001 gebeten. Nach längerem Nachdenken (mir ist aufgefallen, dass ich Einiges nachholen muss) habe ich eine Liste mit fünf unsortierten Favoriten angefertigt, die aber keine Filme berücksichtigt, die erst 2000 oder 2002 einen deutschen Kinostart vorzuweisen hatten. Deswegen fallen geschätzte Werke wie „Mulholland Drive“ zum Beispiel raus. Nun denn:

#GOSFORD PARK

Agatha Christie trifft auf Robert Altman. Krimithriller begegnet Charakterstudie. So oder so ähnlich könnte man Altmans „Gosford Park“ elegant umschreiben. Mit ironischem Augenzwinkern und scharfem Auge für das Wesentliche gibt uns der Regisseur darin einen höchst lehrreichen, analytischen und bissigen Einblick in eine verflossene, in eine uns fremd erscheinende Welt, die von koketten Aristokraten und ihren treu ergebenen Dienern beherrscht wird. „Gosford Park“ als Abgesang auf eine längst vergangene Epoche ist vollgestopft mit einem Netz aus Intrigen, Rachegelüsten, Hass, Gesellschaftskritik, Witz und Intelligenz. Eine sehr vielschichtige Sicht auf die Grausamkeit hinter der glänzenden Fassade einer „feinen“ Gesellschaft.

#A.I.

Ich muss gestehen, eine große Schwäche für Steven Spielberg zu haben. Spielberg erinnert mich daran, dass ich einmal Kind war und es noch immer bin. Er spricht jenen jungen Schlauberger in mir an, der damals von „Star Wars“ begeistert war, dessen filmische Sozialisation mit „Indiana Jones“ und „Jurassic Park“ begann. Dieses Kindliche, Herzliche und dieses Naive, eine Märchengeschichte mit Bildern aufzuladen, die für sich selbst sprechen und Ausdruck eines Erzählers sind, in dessen Geschichten man sich fallen lässt, ist die größtmögliche Aufrichtigkeit, dem Kind im Herzen immer einen Platz reserviert zu haben. „A.I.“ ist halb Spielberg, halb Kubrick, vor allem aber hundertprozentiges Eindringen in eine verträumt-unschuldige Geschichte. Oder: Schöner Kitsch.

#AMORES PERROS

Was ist Liebe? Alejandro González Iñárritu vermag dies nicht zu beantworten, warum sollte er auch? „Amores Perros“, der Beginn seiner Schicksalstrilogie, greift sich einen Fetzen einer Vorstellung von Liebe, die Liebe sein könnte. Liebe, das könnte sein, dass man an ihr wächst oder scheitert, Liebe, das könnte sein, dass all die verschlungenen Trampelpfade und wahrnehmungsresistenten Webabkürzungen zu einer Liebe zusammenführen, die parallel zur eigenen Lebenslinie verlaufen. Die Frage nach der Identität der Liebe kontrastiert der mexikanischer Regisseur an dem Motiv der Hunde mitsamt deren Besitzern in drei mal schwarzhumorigen, mal elegischen Kurzgeschichten, die allesamt erfühlt werden wollen. Am Ende steht wohl dann die Liebe, was immer das auch sein mag.

#THE ROYAL TENENBAUMS

„The Royal Tenenbaums“ ist die tägliche XXL-Dosis Familienmisere, das wilde Chaos introvertierter Gestalten und ihren persönlichen Differenzen zueinander, das mit Schlaglöchern übersäte Katastrophengebiet zwischenmenschlicher Beziehungslandschaften, die verzweifelte Suche nach dem Sinn des Lebens bei unerfüllter Liebe, Vergangenheitsbewältigung, Vergebung, Enttäuschung. Schicksal. Dicht versponnen, spielfreudig geschauspielert und doch auf eigenartige Weise liebenswürdig, das ist Wes Andersons dritter Spielfilm, ein pointierter Ensemblefilm. Fehlt nur noch Aimee Mann. Wise Up! Save Me! Oder gleich beides. Wäre ihm der andere Anderson nicht zuvor gekommen.

#DER HERR DER RINGE: DIE GEFÄHRTEN

Den mag jeder, ist ja auch der totale Konsensfilm, wenn es darum geht, die allerbesten Filme des Jahres 2001 aufzulisten. Gefühlt jeder Zweite findet ihn entweder toll oder höchstens gut. Tolkiens Romanvorlagen waren mir schwer zugänglich, sodass ich beizeiten das Handtuch geworfen habe. Im Falle von Peter Jacksons wahnsinniger Leinwandadaption war ich dagegen mehr als erstaunt ob des erfolgreichen Wagnisses, aus Literatur lebendiges Kino zu destillieren, und das unter Zuhilfenahme eines epischen Atems, den Jackson im Laufe der langen Zeit beibehielt. Das Beachtliche daran ist hauptsächlich, dass der breitgezogene, sehr bedächtig erzählte Film über Freundschaft und ihren Zerreißproben Zuschauer aller Altersklassen angesprochen und schlussendlich tief berührt hat.“

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Quelle: Timo Kiessling/Blockbuster Entertainment

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