Die Türkei ist junger Staat mit einer langen Vorgeschichte. Das Gleiche gilt für ihre Literatur. Erzählen hat Tradition im Land des Halbmondes. Die Einflüsse sind vielfältig und durchziehen die Jahrhunderte. Islam und Christentum haben ebenso ihre Spuren hinterlassen wie die Perser und Araber. Erste Hinweise auf eine türkische Literatur führen in das Reich der Mythen und lassen sich daher nur schwer festmachen. Alte Sagen wie „Alp Er Tunga“ oder „Ergenekon“ gehören zu den frühsten Zeugnissen nomadischer Erzählkunst.
Jenseits dieser mündlichen Überlieferungen finden sich mit den Orhon-Inschriften des siebten Jahrhunderts aber auch erste Belege für eine türkische Schriftsprache. Eine Entwicklung, die mit der Einführung des Islam durch persische und arabische Stilelemente ergänzt wurde. Literaten wie Al-K?schghar? und Ali ?ir Nevai verfassten im 11. Jahrhundert Gedichte und Wörterbücher und legten damit das Fundament für das bis heute gültige „Türkei-Türkisch“.
Mit der Begründung des Osmanischen Reiches durch Osman I. (1281-1326) verfestigten sich die gesellschaftliche und kulturellen Strukturen. Konventionen und Hierarchien gewannen an Bedeutung. Ähnlich wie in Europa etablierte sich auch im Osmanischen Reich neben der persisch geprägten Diwan-Literatur eine lebensnahe Volksdichtung. Mystik und Liebeslyrik auf der einen Seite, Volkslieder und Märchen auf der andern, bestimmten diese Literaturformen bis in 19. Jahrhundert.
Erst mit der 1839 durch Mahmut II. eingeleiteten Öffnung gegenüber dem Westen, erreichten französische Romane und Novellen das Osmanische Reich. Stil und Aufbau dieser Literatur übten eine nachhaltige Wirkung auf die türkische Leserschaft aus und inspirierten Literaten wie Tevfik Fikret und Halit Ziya U?akl?gil zu gesellschaftlichen Betrachtungen. Mit der Hinwendung zur Moderne entstand im Osmanischen Reich aber auch eine patriotische Literatur, die nach der nationalen Bestimmung der Türken suchte. Ihre politische Opposition gegenüber dem Sultan verbannte Schriftsteller wie Namik Kemal ins französische Exil. Andere, zum Beispiel Mehmed Emin Yurdakul, schlossen sich in nationalen Zirkeln zusammen.
Mit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und der Ausrufung der Türkei verstärkte sich diese Tendenz. Unterstützt wurde diese Entwicklung durch Einführung der lateinischen Schrift sowie durch die seit 1932 durchgeführten Sprachreformen. Die Veränderung von Schrift und Sprache brachten auch eine neue inhaltliche Ausrichtung der türkischen Literatur mit sich. Nach dem Tod Atatürks 1938 wendeten sich Schriftsteller wie Fakir Baykurt oder Sait Faik Abas?yan?k verstärkt gesellschaftlichen Themen zu und beschrieben das Leben der einfachen Menschen in den Dörfern und Städten. Neben der sozialen Frage wurden nun vermehrt auch politische Repressionen durch den Staat thematisiert. Äußerungen für die zum Beispiel Nâz?m Hikmet und Ya?ar Kemal langjährige Gefängnisstrafen verbüßen mussten. Eine Situation, die sich in den letzten Jahren deutlich verbessert hat, wie das Beispiel von Orhan Pamuk belegt.