Die Üblichen Verdächtigen kommen aus „Wall Street – Geld schläft nicht“ und während der eine sich die Pralinen des Films aus der Schachtel holt, ärgert sich der andere über die optischen Mätzchen, die sich Oliver Stone leistet. Im Podcast reden sie über einen talentfreien Bubi im zu engen Anzug, cineastisches Sodbrennen, style over substance, Länge, Langeweile, fehlende Tiefe und gute Unterhaltung:
[display_podcast]
Kurzkritik
Der Film hat seine Momente: Zum Beispiel, wenn Gekko aus dem Gefängnis entlassen wird, die Stretch-Limousine aber nicht auf ihn wartet, sondern einen farbigen Gangster abholt. Aber aus dem ungeheuren Potential des Themas macht Oliver Stone sehr wenig, und schließlich verliert er auch in der langatmigen Familiengeschichte den roten Faden. Dafür geizt er nicht mit optischen Spielereien, die einem aber auch auf den Geist gehen können. Über jede Kritik erhaben allerdings die darstellerischen Leistungen von Michael Douglas und Josh Brolin. Das alleine war wiederum die Eintrittskarte wert.
Rückblick
Und der Blick zurück auf „Wall Street“ vor 25 Jahren? Ich habe ihn noch einmal in den Player gelegt und war von Michael Douglas tief beeindruckt, von der vollkommenen Talentlosigkeit von Daryl Hannah überrascht, und zuckte jedesmal zusammen, wenn das World Trade Center auftauchte (verdammt oft). Oliver Stone hat damit das (Berufs-)Leben seines Vaters aufgearbeitet und moralische Fragen gestellt, als sie nur wenige hören wollte. Die spannende Auseinandersetzung zwischen dem Spekulanten Gekko, dem jungen Broker Buddy Fox und seinem Vater und Gewerkschafter gipfelt immer wieder in prägnanten Sätzen – zum Beispiel, wenn der Vater seinem Sohn vorwirft:
„Ich lege mich nicht mit einer Hure ins Bett und darum wache ich auch nicht neben einer auf.“
Und das inszeniert Stone viel stringenter als im Sequel ein Vierteljahrhundert später. Aber dennoch wurde offenbar sein Film nicht nur als Kritik rezipiert. Er hat mit Gordon Gekko den Spekulanten unfreiwillig ein Denkmal gesetzt – war das nicht das Idealbild des Finanzhais, wenn er am Strand vor seinem Haus am See steht und im Morgengrauen Buddy Fox anruft und sagt:
„Geld schläft nicht, Buddy. Ich habe gerade eben 800.000 Dollar in Hongkong gemacht!“
Und spätestens die Gier-Rede, die so ähnlich der Börsenspekulant Ivan F. Boesky gehalten hat, gilt als der Inbegriff des Raubtierkapitalismus. Und daher das Zitat noch einmal im Wortlaut zum Genießen:
„Der entscheidende Punkt ist doch, dass die GIER, leider gibt es dafür kein besseres Wort, gut ist. Die GIER ist richtig. Die GIER funktioniert. Die GIER klärt die Dinge, durchdringt sie und ist der Kern jedes fortschrittlichen Geistes. Die GIER in all ihren Formen, die GIER nach Leben, nach Geld, nach Liebe, Wissen, hat die Entwicklung der Menschheit geprägt. Und die GIER, bedenken Sie diese Worte, wird nicht nur die Rettung sein für Telda Papers, sondern eben auch für diese andere schlecht funktionierende Firma, die USA.“
Links
Sven Safarow (NEGATIV) ist zufrieden, dagegen beschwert sich flightattendant genau wie wir über den talentfreien Shia LaBeouf, Jan Witte (Kineast) vergleicht den alten mit dem neuen Film. Sehr treffend – wie so oft – das Fazit von Carsten Baumgardt (filmstarts):
„Fazit: „Wall Street – Geld schläft nicht“ ist wieder nicht das erhoffte Qualitäts-Comeback für Oliver Stone. Der Börsen-Thriller enttäuscht die hohen Erwartungen, die durch den kultigen Vorgänger geweckt wurden, denn Stones Abrechnung mit dem System ist nur eine zahme Zusammenfassung medial längst ausführlich diskutierter und analysierter Probleme. „Die Menschen haben sich nicht geändert, nur das Spiel“, fasst Eli Wallach, der einen Börsenguru mimt, in Cannes zusammen. Wenigstens das zeigt Stone, aber unter dem Strich bleibt bedauerlicherweise sehr viel ungenutztes Talent und nicht ausgeschöpftes Potenzial. Oder in einem Wort zusammengefasst: Mittelmaß.„