„Denn wenn ich Dich heirate, hat alles durch und durch ein Erfolg zu werden.“

Prof. Pu empfiehlt: „In der Ferne so nah“ – Der Briefwechsel zwischen Vita Sackville-West und Harold Nicolson

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Sie waren ein auffallendes und außergewöhnliches Intellektuellen-Paar, die adlige Vita Sackville-West und Harold Nicolson, der Diplomatensohn. 1912 schreibt sie ihm nach Konstantinopel:

Denn wenn ich Dich heirate, hat alles durch und durch ein Erfolg zu werden.

Und es wurde ein Erfolg. In den 49 Jahren ihrer Ehe schrieben sie sich Tausende Briefe voller Gefühl und Zuneigung, da sie die meiste Zeit ihres Lebens getrennt voneinander lebten. Den Alltag fast ganz aus ihrem gemeinsamen Leben herauszuhalten, war sicher ein Rezept für ihre gute Beziehung. Ebenso wie sich zeitlebens diese liebe- und vertrauensvollen Briefe zu schreiben, gefühlvoller als sie wahrscheinlich je miteinander von Angesicht redeten.

Beide hatten nicht wenige Affären mit gleichgeschlechtlichen Partnern. Virginia Woolf verewigte ihre Freundin und Geliebte Vita in ihrem Roman „Orlando“, verfilmt von Sally Potter, mit Tilda Swinton in der Hauptrolle. Doch als Ehepaar blieben sie sich in ihrem Sinne immer treu.Vita schreibt an Harold:

Wir sind einander ganz sicher in diesem sonderbaren, seltsamen, distanzierten, intimen, mystischen Verhältnis, das wir einem aussenstehenden Menschen niemals erklären könnten.

Wenn Du eine andere Frau liebtest oder ich einen anderen Mann, würden wir beide oder einer von uns eine natürliche sexuelle Erfüllung finden, die unserer eigenen Beziehung etwas rauben würde. Tatsache ist, dass die Liaisons, auf die Du und ich uns einlassen, von ganz anderer Qualität sind als das natürliche Verhältnis, das wir zueinander haben, und diese nicht beeinträchtigen.

Lange Jahre arbeitete Nicolson, laut Herausgeberin aus tiefster Seele „ein wahrer homo politicus“, im diplomatischen Dienst in Konstantinopel, Teheran und Berlin. Ihr zuliebe verließ er diese Laufbahn, wurde kurzzeitig Journalist, dann Abgeordneter im britischen Unterhaus und schrieb später renommierte Biographien über Byron, Verlaine und König George V. In seinen Briefen begegnen dem Leser Churchill, de Gaulle, Hindenburg, Thomas Mann, Prinz Edward und Wally Simpson, Somerset Maugham und Konrad Adenauer, den er 1929 als Kölner Oberbürgermeister kennenlernte:

Der seltsame Mongole mit seinen schlauen Augen im gelben Gesicht saß mit dem Rücken zum Fenster, sprach sehr langsam und höflich, (…) Es ist keine Art, die mir zusagt, aber es ist eine Art, die man, hat man sie einmal gesehen, nie wieder vergisst.

Vita verfasste unzählige Romane, reüssierte aber ganz besonders mit ihrer Gartenkolumne im Observer, nachdem sie auf Schloss Sissinghurst einen der berühmtesten Gärten Englands erzauberte. Harold schreibt 1938 an sie:

Meine Liebste, sorg Dich nicht um diese Dinge [der drohende 2. Weltkrieg, d. Verf.], sondern bestelle Deinen Garten. Trotzdem wünschte ich, Du wärst hier. Du glättest immer mein zerzaustes Gefieder.

Vita stirbt 1962, Harold 1968, doch Sohn Nigel sagte:

In Wirklichkeit starb er mit ihr.

Das schmale Bändchen ist nicht nur Zeugnis einer großen Liebe und ein Zeitgeschichtspanorama der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, es ist auch eine Meisterleistung der Herausgeberin Barbara von Becker. Ihr ist es gelungen, aus dem umfangreichen Briefwechsel eine Auswahl zu treffen, die die beiden Charakterköpfe bestens präsentiert. Dazu empfehle ich die Biographie über die beiden von Sohn Nigel Nicolson, Porträt einer Ehe. Leider nur noch antiquarisch zu erhalten.

Text und Podcast stehen unter einer Creative Commons-Lizenz. Quelle: Petra Unger/SchönerDenken

Vita Sackville-West
Harold Nicolson
In der Ferne so nah
Herausgegeben von Barbara von Becker
Hoffmann & Campe € 12.-
978-3-455-50243-5

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