Cher Monsieur Daj Sijie …

China – aufstrebende Macht und Gastgeber der Olympischen Spiele: Im Spannungsfeld zwischen Menschenrechtsverletzungen, Doping und einer faszinierenden Kultur schreiben die SchönerDenker Briefe in die chinesische Gegenwart.

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Cher Monsieur Daj Sijie,
es stimmt mich traurig, daß die Verfilmung Ihres zauberhaften autobiographischen Romans „Balzac und die kleine chinesische Schneiderin“ in Ihrer Heimat wohl nicht den Weg in die Kinos finden wird. Tröstlich finde ich, dass einem Roman kaum etwas Besseres passieren kann als vom Autor selbst verfilmt zu werden, denn wer hat die besten Bilder im Kopf als deren Erdenker? Immerhin erhielten Sie nach einjährigem Kampf wenigstens die Erlaubnis, den Film in Sichuan zu drehen. Dort, auf dem Berg namens „Phönix des Himmels“, wohin man Sie und ihren Freund, die „Intellektuellen“ mit den „reaktionären Eltern“ 1971 für vier Jahre zur Umerziehung ins Bergwerk und auf die Reisfelder schickte.

Gerettet hat Sie, so erzählen Sie es in Ihrem Roman, ein Koffer voll französischer Literatur, dazu Humor, Selbstironie, die Fähigkeit, Filme nachzuerzählen und die leider unerfüllt gebliebene Liebe zu einem schönen jungen Mädchen aus dem Dorf. Die kleine namenlose Schneiderin, die nicht durch Maos Umerziehung sondern eher durch die der Madame Bovary in der Stadt ihr Glück versucht, haben Sie leider nicht wiedergesehen. Ob sie auch noch manchmal an Sie denkt? Ich jedenfalls habe Buch und Film sehr geliebt und genossen und freue mich auch heute abend wieder auf ein Wiedersehen mit Ma Jianling und seinen besten Freund Luo Ming.

Darauf, wie sie dem Dorfvorsteher weismachen, dass auch Genosse Mozart beim Komponieren immer in Gedanken beim Genossen Mao weilt und somit ihre Geige vor dem Feuertod retten. Auf die abenteuerliche Geschichte, wie sie an den Koffer mit den literarischen Kostbarkeiten kommen. Auf diese wunderbare Liebeserklärung an die Literatur.

Cher Monsieur, ich kann es nachempfinden, wenn Sie sagen

„Wie ich im Roman geschrieben habe, verspürte ich mein erstes Glücksgefühl beim Lesen von Büchern. Und nun, bei dem bloßen Gedanken, dass auch ich ein Buch geschrieben habe, bekomme ich weiche Knie!“

Bitte schreiben Sie weiter!
Mit bibliophilen Grüßen nach Frankreich
Prof. Pu

Heute abend auf arte 20.45 Uhr „Balzac und die kleine chinesische Schneiderin“

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