Ein Winterfilm: „A little trip to heaven“ – Der Himmel über Minnesota

Es gibt Filme, in denen spielt die Landschaft die Hauptrolle. Und das sind manchmal nicht die schlechtesten. „A little trip to heaven“ ist so ein Film – hier spielt Minnesota die Hauptrolle, genauer: der Winter in Minnesota. Obwohl es ja eigentlich der Herbst in Island ist. Okay, jetzt wird es etwas unübersichtlich. Spulen wir zurück an den Anfang.

Es gibt Filme, denen kein Erfolg an der Kinokasse zugetraut wird. „A little trip to heaven“ ist so ein Film. Das mag am eher unbekannten isländischen Regisseur Baltasar Kormakur gelegen haben oder am kleinen Budget von 12 Millionen Dollar. An der Qualität des Films lag es auf jeden Fall nicht.

Kormakur (von dem auch Idee und Drehbuch stammen) erzählt vom Versicherungsdetektiv Abe Holt (Forest Whitaker), der ermittelt, als der vorbestrafte Kelvin Anderson (Jeremy Renner) angeblich bei einem Autounfall stirbt. Eine Lebensversicherung lief auf seinen Namen – die Begünstigste ist die Schwester des Toten, Isold – die Prämie: eine Million Dollar. Eine Million Gründe für Holt tief zu graben, ob hier alles mit rechten Dingen zugegangen ist.


„- Die genaue Adresse haben Sie nicht?
– Süßer, in der Gegend gibt es keine Straßennamen.“


Auftritt der Hauptfigur Minnesota. Die Provinz hüllt sich in kalten Regen und betrachtet teilnahmslos die Menschen, die sich hier abmühen, miteinander verwandte Polizisten mit kläglichem Humor, eine ebenso nymphomanische wie übergewichtige Kellnerin, ein unhöflicher Leichenbeschauer und vor allem die attraktive Isold, die in einem heruntergekommenen Haus mit ihrem Sohn und ihrem Mann Fred lebt, arme Weiße, white trash.


„Wer hier weggeht, kommt nicht mehr zurück.“


Kormakur hat ein sehr waches Auge für diese Menschen und das Leben, das sie leben müssen. In seinem Drehbuch müssen sie nicht überlebensgroß sein, sie dürfen sein wie im wirklichen Leben: überfordert, manchmal grausam, resigniert, naiv und doch irgendwie in der Lage zu überleben. Vor allem die, die sich nicht an die Regeln halten. Wenn Holt durch das Fenster nachts heimlich Isold beobachtet, dann lässt er uns ganz ungewöhnlich nah an sie und an den Beobachter heran.


„Weißt Du, wie lange es dauert in den Himmel zu kommen? Und gehen Katzen auch da hin?“


Überlebensgroß ist nur der Winter in Minnesota, der nach kaltem Regen das weite Land unter Schnee begräbt und die Häuser mit Stürmen schüttelt. Aber vielleicht ist das Wetter in Minnesota – so nah an Alaska – wirklich ungnädig. Das Wort „Minnesota“ bedeutet in der Sprache der Dakota Sioux „mit Himmel gefärbtes Wasser“. Was immer das bedeuten mag. Gedreht hat der isländische Regisseur übrigens nicht in Minnesota sondern überwiegend in seinem Heimatland Island – aus Kostengründen.

Kormakur inszeniert sein unaufgeregtes Drehbuch mit sehr überlegten Bildern. Der sehr gelungene Soundtrack setzt immer wieder auf die Tom Waits-Ballade, die dem Film auch den Namen gab. Da der Regisseur nicht sonderlich an der Kriminalgeschichte interessiert ist, sondern sich ganz den Motiven seiner Figuren zuwendet, konzentriert er sich auf seine hervorragenden Schauspieler – und auf Farben, Einstellungen, Schnitte, Stimmungen. Und lässt so den aufmerksamen Zuschauer mitfühlen und mitdenken.

Diese kleine, cineastische Reise in den Himmel über Minnesota habe ich als Schnäppchen-DVD entdeckt. Jetzt ist sie vom Ramschstapel gewandert ins Regal mit den Filmhighlights. Und bevor der Winter in Deutschland zuende ist, werde ich mir Kormakurs Winter in Minnesato wieder angeschaut haben.

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Filmkritker René Malgo nennt „A little trip to heaven“ „eine kleine, feine und faszinierende Filmperle“. Er hat recht. Häufig geäußerte Vergleiche zu „Fargo“ sind ebenso naheliegend wie dämlich. Mehr Kritiken und Meinungen bei Moviepilot und der Online-Filmdatenbank.


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