Ich hatte ein Fest in Norwegen (Weihnachtsgeschenktipp)

Prof. Pu empfiehlt rechzeitig vor dem Weihnachtsfest das perfekte Geschenk: Babettes Fest von Tania Blixen

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Tania Blixen verbindet man meist mit „Ich hatte eine Farm in Afrika“, allein schon durch diesen wunderbaren Film mit Meryl Streep und Robert Redford, „Jenseits von Afrika“. Doch auch ihre Erzählungen verdienen Beachtung, allen voran meine Lieblingsgeschichte – es geht um gutes Essen – „Babettes Fest“. In einem kleinen Städtchen mit bunten Häusern am Beerlevaag Fjord in Norwegen leben zwei ältere Schwestern und kümmern sich dort um die Armenküche. Es ist das Jahr 1871.

Die Damenwelt trug zu jener Zeit die Tournüre, und die beiden Schwestern hätten sich mit allem Anstand so kleiden können, denn sie waren rank und schlank gewachsen. Doch sie hatten nie auch nur den geringsten Modeartikel besessen, sich vielmehr zeitlebens in züchtiges Grau und Schwarz gehüllt. Ihre Taufnamen waren Martine und Philippa, nach Martin Luther und seinem Freund Philipp Melanchthon. Ihr Vater war Propst gewesen und ein Prophet, Gründer einer pietistischen Partei oder Sekte, die in ganz Norwegen bekannt und hoch angesehen war.

Die beiden hübschen Schwestern hatten in jungen Jahren Verehrer. Martine wurde von einem kleinen feigen Offizier nach dem einzigen Kuß wieder verlassen, worüber sie daraufhin für immer schwieg. Philippa bekam wegen ihrer herrlichen Stimme Gesangsunterricht bei einem französischen Opernsänger, der sich nahezu aus Versehen in das kleine Beerlevag verirrt hatte und sie in der Kirche singen hörte. Achille Papin träumte davon, mit der jungen Norwegerin an der Pariser Oper zu reüssieren. Als er sich während der Gesangsstunde beim Duett zwischen Zerline und Don Giovanni nicht beherrschen konnte und Philippa im Überschwang die Hand küßte, ging diese nach Hause und sagte ihrem Vater, sie wolle keine Gesangsstunden mehr nehmen. Auch sie sprach nie mehr über Achille Papin. Damit endeten die Ausflüge der braven Schwestern in die Welt der Liebe und sie blieben für den Rest ihres Lebens unter sich.

Fünfzehn Jahre später, in einer regnerischen Juninacht des Jahres 1871, wurde dreimal heftig am Klingelzug des gelben Hauses gerissen. Die beiden Hausherrinnen öffneten und fanden eine üppig gebaute, schwarzhaarige, totenblasse Frau mit einem Bündel am Arm vor der Tür stehen, die sie anstarrte, einen Schritt vortrat und plötzlich wie tot auf der Schwelle niedersank.

Nachdem die Frau, ohne ein Wort zu sprechen, sich wieder ein wenig erholt hat, zeigt sie den beiden Damen einen Brief auf Französisch, von Achille Papin, an den sie sicher schon lange nicht mehr gedacht hatten. Er bat sie, sich um Babette Hersant zu kümmern, die „ebenso wie meine göttliche Kaiserin“ wegen des Bürgerkriegs aus Paris hat fliehen müssen. Auch verschweigt er nicht, wie sehr er bedaure, daß Philippas Stimme nicht die Opéra Garnier in Paris erfüllen konnte. Die sparsamen Schwestern erklären Babette, eine Wirtschafterin könnten sie sich nicht leisten, doch sie ist bereit, völlig umsonst für die beiden zu arbeiten, wenn sie sie wegschickten, müsse sie sterben. Doch die beiden Damen bleiben skeptisch, was die angeblichen Kochkünste der Französin betrifft.

In Frankreich, das wußten sie, aßen die Leute Frösche. Sie zeigten Babette, wie man Stockfisch und Brotsuppe mit Bier zubereitet: während der Vorführung wurde das Gesicht der Französin völlig ausdruckslos. Binnen einer Woche aber kochte Babette ihren Stockfisch und ihre Brotsuppe mit Bier so tadellos, als wäre sie in Beerlevag geboren und großgeworden.

Schnell erweist sich Babette als hervorragende Wirtschafterin. Auf dem Markt und am Hafen war sie wegen ihres Verhandlungsgeschicks gefürchtet. Auch ihren Arbeitgeberinnen bleibt sie unheimlich, uneinschätzbar. Gleichzeitig fürchten sie, sie könne nach Frankreich zurückkehren. Diese Angst steigt, als Babette ihnen mitteilt, sie spiele seit Jahren in einer französischen Lotterie mit und habe nun tatsächlich 10.000 Francs gewonnen.

Sie wagten nicht, Babette danach zu fragen, wann sie abreisen wollte. Vielleicht bestand doch Grund zu der Hoffnung, daß sie noch über den fünfzehnten Dezember bliebe.

An diesem Tag jährte sich der hundertste Geburtstag ihres Vaters und die Damen wollten zu einem kargen Imbiß mit einer Tasse Kaffee laden und zählten auf Babettes Hilfe. Zur großen Verblüffung bietet Babette ihnen an, ein großes Festmahl zu Ehren des Propstes zu bereiten, das sie auch noch aus eigener Tasche bezahlen wolle, sozusagen als Dankeschön für die vielen Jahre des Asyls in ihrem Hause. Natürlich wehren sich die Schwestern gegen jede Form von Verschwendung, doch vergeblich. Die dickköpfige Französin setzt sich durch.

Was dann passiert, muss man lesen, sich auf der Zunge zergehen lassen. Es kommen darin vor: Eine Schildkröte, Wein von 1846, Blinis Demidoff, Veuve Cliquot,Wachteln und — pietistische Gäste, die sich zuvor geschworen hatten, kein Wort über das Essen von sich zu geben. Bis auf den Zufallsgast – der Offizier, der Martine schmählich im Stich gelassen hatte, ist zu Besuch bei seiner Tante in der Nachbarschaft und wollte sie sehen. Also laden sie ihn, höflich wie sie sind, zum Essen ein. Nur er wird erkennen, was hinter diesem Mahl steckt, wer so etwas zubereiten kann. Dieses Diner wird seine Gäste am Ende verwandelt haben, jede auf seine Weise versinnlicht. Obwohl keiner der Beteiligten auch nur ein Wort zum Essen äußert und die Schwestern sich nicht einmal an einzelne Gerichte erinnern. Wie traurig für die vollkommen erschöpfte Babette, die dann auch noch ihr Geheimnis lüftet …

Meine Empfehlung: Das Buch zusammen mit der Verfilmung von Gabriel Axel verschenken, der übrigens 1988 einen Oscar dafür erhielt, erst lesen oder noch besser: vorlesen, den Film schauen und dann schwelgerisch, vielleicht sogar dabei, essen. Das perfekte Feiertags-Kultur-Paket!

Text und Podcast stehen unter einer Creative Commons-Lizenz.
Quelle: Petra Unger/SchönerDenken

Tania Blixen
Babettes Fest
Übers. von W.E. Süskind
Manesse € 9,90
978-3-7175-4034-2

Babettes Fest DVD
Concorde € 12,99
EAN 4010324022820

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