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Hendriks imaginäre Anthologie,
NICER FICTIONS, Band 1,
Sechste Geschichte
Raphael Aloysius Lafferty
NEUNHUNDERT GROSSMÜTTER
(Nine Hundred Grandmothers, 1966)
“Ich bin die älteste, die allerletzte Großmutter”, sagte eine der Kreaturen fröhlich, “alle die anderen sind meine Kinder. Bist du auch eines von meinen Kindern?”
“Natürlich”, sagte Ceran, und ein ungläubiges Gelächter schwirrte aus der unzählbaren Menge hoch.
“Dann mußt du das allerletzte Kind sein, denn du bist anders als alle anderen. Wenn das so ist, dann ist das Ende genauso komisch, wie es der Anfang war.”
R.A. Lafferty hätte einer dieser aus einer unscheinbaren Montageluke kletternden Männer im Blaumann sein können, die nach Jack Vance in Wahrheit die Welt regieren. Erst spät begann der gelernte Elektriker überhaupt mit dem Schreiben. Und er erwies sich in seinen schnurrpfeifigen Erzählungen als einer der originellsten und in gewisser Hinsicht skrupellosesten SF-Autoren seiner Zeit. Denn er scheute sich nicht, unhinterfragt feststehende Genreklischees und Paradoxa ad absurdum zu führen: Helden haben heldische Namen (Flash und Buck und derlei) und tun immer das Richtige. Zeitreisende sind sich völlig ohne Erklärung immer dessen bewußt, was sie verändern. Und wenn die Menschheit mal einer viel weiter entwickelten utopischen Gesellschaft begegnet, stellt sie mit scharfem Verstand die richtigen Fragen und erweist sich als gelehriger Schüler. Nicht so bei Lafferty, der die SF manchmal gedanklich in Regionen führt, wo sie vielleicht gar nicht so gerne hin möchte, weil dort ihre Lieblingsstandards nicht mehr funktionieren. Aber eigentlich wird es doch dort erst spannend, oder?
Ich fand diese Geschichte in…: R.A. Lafferty, “So frustrieren wir Karl den Großen”, Heyne Verlag, München.