Prof. Pu empfiehlt: „Kulinarisches Traktat für traurige Frauen“ von Héctor Abad
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Zugegeben, gekauft habe ich das Buch wegen seines originellen Titels, umso glücklicher war ich, dass Abad sein Versprechen hält. Er tröstet, amüsiert und lenkt ab – sollte Lektüre nicht genau so sein?
Heutzutage nennt man es ja gerne Soulfood – ich nenne es lieber Trostessen: Kartoffelpüree, Vanillepudding mit dem Plastiklöffel, Milchreis, Nuss-Nougat-Creme direkt aus dem Glas, Schokolade sowieso … Bei Héctor Abad gibt es wesentlich kompliziertere Dinge, dafür versprechen sie für alle Aggregatszustände von Traurigkeit eine erheblich bessere Wirkung als der schnöde Pudding es je erreichen kann.
„An den Nachmittagen mit anhaltendem Nieselregen, wenn der Geliebte weit fort ist und die Last seiner Abwesenheit dich erdrückt, schneide aus deinem Garten achtundzwanzig frische Melissenblätter und brühe sie mit einem Liter Wasser zu einem Tee.“
Er empfiehlt, den Tee „mit dem Rücken zum Nachmittag aus einer weißen Tasse“ zu trinken, wie poetisch! Hinreißend auch das Rezept für „Blumenkohl im Nebel“ , mit der Empfehlung, seine Melancholie mit diesen „unverwelklichen, absurden, prähistorischen Röschen“ zu teilen.
Abads Traktat ist eine Mischung aus mittelalterlichem Hausbuch, Ratgeber für alle Formen von Liebeskummer, inklusive Eifersuchtsanfällen, und einer Art Hexenkochbuch, vor allem aber ist es ein wunderschönes, intelligentes und spielerisches Bekenntnis zur Melancholie. Mit leichtfüßiger Ironie und erstaunlichem Einfühlungsvermögen in die weiblichen Empfindsamkeiten und Empfindlichkeiten scheut er die Wahrheit nicht, nimmt er kein Blatt vor den Mund.
Eine Frau sucht nach Bestätigung?
„Ich habe das geeignete Rezept dafür. (…) Es wird auf der Grundlage von einfachstem Geflügel zubereitet und hat einen Namen, den du mir angesichts der Umstände verzeihen musst: Hähnchen à la cocotte. Cocotte, coco-tte – kokettierst du gerne?“
Es gibt Rezepte gegen Gelüste in der Schwangerschaft, für eine gesunde Gesichtsfarbe, Rezepte zum Auslöschen unangenehmer Erinnerungen, gegen Eifersucht, für die perfekten Küsse, gegen trostloses Zusammenleben. Meine allerliebste Empfehlung aber ist, für den Fall, dass einen alle Worte krank machen und man sich selbst nicht mehr hören kann, einen Teller Spaghetti aglio e oglio zu kochen, ihn zwischen zwei Gedichtbände zu legen und immer abwechselnd in den Büchern zu lesen.
„Dahinter stellst du ein volles Glas trockenen Rotwein. Jede andere Gesellschaft ist nicht empfehlenswert.“
Buchprädikat: Besonders empfehlenswert!
Héctor Abad
Kulinarisches Traktat für traurige Frauen
Deutsch von Sabine Giersberg
Wagenbach Taschenbuch € 8,90
ISBN 978-3-8031-2546-0