„Mr. Banks, sprechen wir doch mal über Ihre Unkultur …“ 2. Träume vom Kanal

Hendrik liest drei der Nicht-SF-Romane vom Autoren des <Culture>-Zyklus: <Die Wespenfabrik>, <Träume vom Kanal> und <Die Aufsteigerin>

Zweiter Teil: Träume vom Kanal

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<Träume vom Kanal> (wiederum von Heyne als SF-Roman deklariert) scheint erstmal nur zu bestätigen, dass Iain Banks auf Schiffe steht; allerdings handelt es sich diesmal nicht um die hochintelligenten, meist reichlich exzentrischen Raumschiffe seines <Culture>-Zyklus, sondern um drei Frachtschiffe, die zu Beginn der 80er Jahre im Panamakanal festsitzen, weil Terroristen begonnen haben, jedes Schiff zu beschießen, das versucht, diesen Verbindungsweg zu passieren. Mit an Bord ist die weltberühmte japanische Cellistin Hisako Onoda, die sich aufgrund ihrer panischen Flugangst diesen Transportweg für eine Konzertreise nach Europa ausgesucht hat. Während um die drei Schiffe herum die politische Situation mehr und mehr eskaliert, wird parallel Hisakos Lebensgeschichte erzählt. Dann besetzt eine Gruppe der Terroristen die Schiffe und nimmt die darauf Befindlichen als Geiseln – mit der üblichen, zur ständigen Eskalation gezwungenen Rhetorik des alle Mittel rechtfertigenden edlen Zieles –

„Sehen Sie, die Großen müssen manchmal krumme Dinger drehen, Fräulein Onoda. Um groß zu bleiben, muß man krumme Dinger drehen; da führt kein Weg dran vorbei. Man kann es versuchen und sich von denjenigen distanzieren, die die krummen Dinger drehen; ich meine, sich von der ausführenden Hand zu distanzieren, aber man bleibt doch verantwortlich. In einer schlechten Welt muß man schlechte Dinge tun, wenn man fähig bleiben will, gut zu sein. Verstehen Sie das?“ (S. 242)

Zuletzt ist es ausgerechnet Hisako, welche die Dinge in die Hand nimmt und sich dieser Eskalation entgegenstellt, und so wird aus den zwei augenscheinlich unvereinbaren Elementen eine Geschichte.

Obwohl mir <Die Wespenfabrik> recht eindeutig der bessere Roman zu sein scheint, steht <Träume vom Kanal> den SF-Romanen Banks‘ spürbar näher. Das hat weniger mit dem Handlungsort der Schiffe zu tun, als vor allem mit der Protagonistin, die als vielschichtige und – auch für sich selbst – widersprüchliche Frau eine nahe Verwandte z.B. der weiblichen Hauptfigur aus <Vor einem dunklen Hintergrund> ist. Man lernt Hisako kennen, beginnt ihre inneren Konflikte und Unvereinbarkeiten zu verstehen, und doch überrascht sie mit plötzlich hervortretenden Stärken und Schwächen in der Grenzsituation, in die sie gerät. Bei einem schlechteren Autoren als Banks würde das willkürlich, unzusammenhängend und damit trivial wirken, aber Banks gelingt es tatsächlich, diese Widersprüche zu einem Charakter zu vereinen, an dessen weiterem Schicksal man interessiert ist.

Banks entwirft seine Protagonistin dabei ein weiteres Mal nur bedingt so, dass man sie mag. Der Konvention, seine Handlungsträgerin als Identifikationsfigur nahezulegen, stellt er konsequent ihre innere Ambivalenz entgegen. Damit erzeugt die Figur der Hisako aus sich selbst heraus bereits ein eigenes Spannungsfeld, zumal an einem Ort, an dem sie völlig deplaziert wirken muss: eine zierliche japanische Cellistin an Bord eines von Militärs festgesetzten Tankers.

Das verleiht dem Roman wesentlich mehr Spannung als der weitere Verlauf der politischen Konfliktsituation selbst, die denn auch im Roman merkwürdig beiläufig bleibt: das Drumrum und die Beweggründe des Konfliktes interessieren kaum, nur das Hier und Jetzt dessen, was auf den drei Schiffen geschieht, ist für die Beteiligten (und damit für den Lesenden) noch relevant: ein eingeengter Raum, in dem mit zunehmender Wucht entgegengesetzte Kräfte aufeinanderprallen. In der Physik wie in der Literatur sind die Konsequenzen die gleichen; irgendwann muss es zu einer Entladung kommen, und Banks hat diese Versuchsanordnung (ein vornehmerer Rezensent würde jetzt schreiben: dieses Kammerspiel) erzählerisch kompetent umgesetzt.

Morgen folgt bereits der dritte und letzte Teil.

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