Dear Mister Lang Lang …

China – aufstrebende Macht und Gastgeber der Olympischen Spiele: Im Spannungsfeld zwischen Menschenrechtsverletzungen, Doping und einer faszinierenden Kultur schreiben die SchönerDenker Briefe in die chinesische Gegenwart.

Dear Mister Lang Lang,
Sie werden als Kulturbotschafter während der Olympischen Spiele für das ZDF aus China berichten. Ein hoher Anspruch – eine Herausforderung, der Sie sich als Wanderer zwischen West und Ost stellen. Ihre Musik, Ihr Name und nicht zuletzt Ihr Selbstverständnis als Künstler scheinen Sie zu qualifizieren. Als Musiker haben Sie eine Sprache gefunden, in der, wie es Yehudin Menuhin einmal ausdrückte, man nicht lügen kann. Als Kulturbotschafter werden Sie eine äquivalente Ausdrucksweise finden müssen. Ich denke hierin liegt die Herausforderung. Zweifelsohne, ein Botschafter ist immer Vermittler und Repräsentant zugleich. Mit Ihrer CD „Dreams of China“ haben Sie einen Akzent gesetzt und zusammen mit anderen chinesischen Künstlern wie Tan Dun eine musikalische Grußadresse formuliert.

In der Vergangenheit hat sich Ihr Künstlerkollege Tan Dun wiederholt mit Marco Polo beschäftigt. Einem anderen, weniger medienwirksameren Kulturbotschafter. Bis in die Gegenwart haben seine Beschreibungen von China unsere Phantasie angeregt. Durch Ihn haben wir die Weisheit des Laotse, Yin und Yang, das Porzellan und Räucherstäbchen kennen gelernt. Und wir haben China als ein friedfertiges, duldsames Land in unsere Vorstellungen aufgenommen. Wenn Sie so wollen auch eine Form von „Dreams of China“. Um so erschrockener reagieren wir hier im Westen, wenn wir Bilder aus dem anderen China sehen. Bilder vom Tiananmen, auf dem uns der „himmlische Frieden“ eher beklemmend erscheint. Oder wenn unsere Korrespondenten aus Lhasa oder über Massenhinrichtungen berichten. Chinas Öffnung nach Westen weckt Hoffnungen, aber auch Befürchtungen. Sein Wachstum schafft Wohlstand und verunsichert. Die Hochhäuser von Shenzhen beeindrucken und doch erschreckt uns die Radikalität des Wandels. Vom Fischerdorf zur Millionenstadt: glitzernde New Economy-Paläste und gestrandete Wanderarbeiter und über allem thront die allmächtige Partei.

Ähnlich wie bei Marco Polo halten sich Bewunderung und Zweifel die Waage. Und jetzt auch noch die olympischen Sommerspiele, technisch sicherlich perfekt, organisatorisch makellos – aber ist das alles? Werden die Spiele tatsächlich den olympischen Geist atmen, werden es Spiele des Volkes oder die Spiele der Partei sein? Was werden Sie, als Kulturbotschafter, uns davon zeigen? Peking, die verbotene Stadt und chinesische Nudelsuppe? Klar! Aber was passiert jenseits des glamours, wie erleben die Menschen in der Provinz die Spiele? Wird es auch Bilder von Chinesen geben, die gar keinen Fernseher, vielleicht noch nicht einmal elektrisches Licht haben? Ich weiß diese Erwartungen sind hoch, vielleicht zu hoch für einen Kulturbotschafter. Aber vielleicht gibt es ja doch die Chance der Nische, aus der Sie uns ein menschliches China vorstellen können. Ein China abseits der Paraden, der Siegerpodeste und abseits der Mao-Büsten. Gespräche mit Bauern, Intellektuellen und vielleicht sogar mit Vertretern von Minderheiten wären so eine Alternative. Gesellschaftliche Vielfalt im Einparteienstaat – das wäre zwar keine Kulturrevolution, stattdessen aber eine gute Grundlage für gemeinsame Träume.

Kind regards
Christopher

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