Das Erlkönig-Manöver

PJ liest Robert Löhr

Hätte Alexandre Dumas ein Epos mit dem Titel „Die 6 Musketiere“ geschrieben und dies zur Zeit Napoleons (1805) angesiedelt, dann wäre möglicherweise so etwas herausgekommen:

Der Erlkönig – und da wird es modern – ist eben nicht nur der verballhornte Elfenkönig aus dem bekannten Gedicht, es ist auch ein getarntes neues Automodell, das im alltäglichen Leben erprobt wird, aber nicht erkannt werden soll.

So auch in diesem Buch, einem „historischen Roman“: Der angebliche Sohn des enthaupteten französischen Königs wird in Mainz gefangen gehalten, Napoleon will um jeden Preis verhindern, dass die Existenz des Thronerben bekannt wird und ihn töten lassen, wenn seine Identität geklärt ist.

Da schickt der Herzog von Weimar eine kleine, aber potente Truppe aus, den Dauphin zu befreien. Das sind aber nicht irgendwelche Haudegen, nein da kommt keiner (auch der Gegner nicht) drauf: Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Alexander von Humboldt, Achim von Armin, Bettina von Brentano und Heinrich von Kleist sollen gegen die Bonapartisten antreten.

Ein skurriles Abenteuer, in dem zum Beispiel Schiller zeigt, dass er ein treffsicherer Armbrustschütze ist, in dem es von literarischen Anspielungen nur so wimmelt und das durch flotte Szenenwechsel und überraschende Wendungen den Leser am Buch hält – ganz im Stile Dumas’, so dass auch die emotionale Komponente in Form erotischer und nationalistischer Regungen nicht fehlt.

Ganz ernst darf man den Roman nicht nehmen – obwohl ernsthafte Diskussionen darüber geführt werden, ob man mit dem Sturz Napoleons auch die eigentlich geschätzten Revolutionsfrüchte in den Staub tritt. Ob man die Ziele der Revolution weiter erhalten kann, aber dennoch einen Nachfolger der verhassten Königslinie inthronisieren darf – da prallen innerhalb der bunten Truppe die Meinungen hart aufeinander.

Am Ende kehrt man mit Goethe und einem zu Tode erschöpften Schiller nach Weimar zurück und will gar nicht mehr so richtig wissen, ob der Jüngling wirklich der Dauphin war oder nicht, ob er gerettet, getötet oder inthronisiert wurde – man hat eine Art Roadmovie in Buchform durchlebt, hat aaan manchen Stellen geschmunzelt, gar gelacht und ganz nebenbei miterlebt, dass die deutschen Größen zumindest zeitweise ganz normale Menschen mit ganz normalen Schwächen und Leidenschaften waren.

Schreibe einen Kommentar