Hendrik dreht sich selbst ein Remake
Mit dem neuen Endzeitstreifen „I am Legend“ hat auch der letzte Kinogänger wieder einmal gemerkt, dass Remakes alter Filme offenbar in sind; bei den Budgets, die ein anständiger Blockbuster heutzutage einfordert, ist es ja auch viel einfacher, den Produzenten eine bereits bewährte Idee zu verkaufen, als mit etwas Neuem aufzuwarten, das sich bei dem uneinschätzbaren Kinopublikum der Welt als Flop herausstellen mag.
Ich bin also vermutlich meiner Zeit nicht allzuweit voraus, wenn ich sicherheitshalber schonmal den Remake des B-Movie-Klassikers „Die Blumen des Schreckens“ („The Day of the Triffids“) von 1962 rezensiere. Glücklicherweise lässt sich jetzt schon ganz gut voraussagen, wie der wohl aussehen wird, denn der wache Kinofeinschmecker hat längst bemerkt, dass es mit den Remakes oft so bestellt ist wie mit den Erzeugnissen der zweitklassigeren Sorte von Restaurant: es gibt nur scheinbar eine große Auswahl, und letzten Endes stellt sich die Kreation der Woche oft als besser ausgeleuchtetes Aufgewärmtes von Vorgestern heraus.
DAS GRUNDREZEPT
„Die Blumen des Schreckens“ basiert auf einer Romanvorlage von John Wyndham aus dem Jahre 1951 namens „The Day of the Triffids“. In diesem SF-Romanklassiker treffen zwei Katastrophen die Menschen gleichzeitig. Zum einen hat man eine neue Pflanzenart gezüchtet, die Triffids eben, übermannsgroße Blumen, die zwar hübsch anzusehen sind, aber die man auch im Auge behalten muss. Denn wenn man sie nicht regelmäßig stutzt, entwickeln sie eine Giftpeitsche und die Fähigkeit, sich mit ihren Wurzeln aus dem Boden zu erheben und zu wandeln.
Zum anderen zieht ein Komet an der Erde vorbei und überzieht den Sternenhimmel eines Nachts mit einem wundervoll anzusehenden Leuchten. Alle, die dieses Himmelsphänomen beobachtet haben, sind am nächsten Morgen erblindet. Und schon beginnt der Aufstieg der Triffids, die man nun eben nicht mehr im Auge behalten kann, die sich plötzlich als semiintelligent herausstellen und die hilflose Menschheit bedrohen.
Held der Geschichte ist Bill Mason, der wegen einer Augenoperation das Kometenleuchten nicht beobachten konnte und daher weiterhin sehen kann. An ihm ist es nun, einer sich inmitten der in panischer Auflösung begriffenen Zivilisation heranbildenden Gruppe von Überlebenden zu helfen und den Kampf gegen die Heerscharen der tödlichen Gewächse aufzunehmen…
VORSPEISE
Ein guter Titel muss erstmal her, und der muss natürlich englischsprachig sein, weil „The Time Machine“ und „I am Legend“ nunmal mehr nach Action klingt als „Die Zeitmaschine“ und „Der Omega-Mann“. Thomas hat mit seiner Rezension zu „The Reaping“ ja leider den wunderbaren Titel „Die Saat des Bösen“ leider schon unverfilmt verbraten. Und „Die Triffids“ klingt einfach zu sehr nach irgendwas zwischen „Die Waltons“ und „Die Flodders“ und damit einfach nicht bedrohlich genug (bzw. nicht auf die gemeinte Art bedrohlich). Ich schlage also „The Flowers of Evil“ vor. Dazu gehört natürlich eine kernige Hookline auf das Plakat, vielleicht etwas in der Art von „Die Zeit der Ernte ist gekommen!“.
COSTNER ODER SMITH? – DIE FLEISCHBEILAGE
Das Allerwichtigste zuerst: ein Blockbuster braucht einen oder mehrere große Namen auf dem Plakat, sonst kommt keine Sau. Ob sich das für die Produzenten rechnet (was bei den letzten Filmen Nicole Kidmans z.B. ja nicht der Fall war), ist egal; auf diesen Teil der Rezeptur lässt sich z.Zt. noch nicht recht verzichten, und die computergenerierten Bildclone sind einfach im Moment noch nicht gut genug (wie „Die Legende von Beowulf“ unstrittig bewies).
Für einen solchen Endzeitstoff wird sich zunächst Kevin Costner melden, der sich ganz sicher auch schon für „I am Legend“ beworben hatte, aber daran scheiterte, dass die Rechte an dem Filmtitel „Kevin allein auf der Welt“ bei Macaulay Culkin liegen. Also wurde es doch wieder Will Smith. Der mimt dann in „The Flowers of Evil“ vermutlich einen aufgrund einer traumatischen Spinaterfahrung allem Grünzeug gegenüber mißtrauischen Cop oder Ex-Cop, der sich der eingänglichen Augenoperation unterziehen muß, weil ihm ein Bösewicht namens Bloom (merkt Euch den) einen tiefgefrorenen Sellerie ins Gesicht geschossen hat. Solche Hintergrundgeschichten sollen dem Zuschauer stets gleich klarmachen: das hier ist nicht nur ein Held, nein, er hat auch Charakter.
Natürlich brauchen wir nebendran noch die üblichen Begleiterscheinungen – die mutige und zugleich zerbrechliche Gefährtin des Helden, mindestens ein Quotenkind und ein oder zwei sympathische Mitreisende, die jeweils kurz nach ihrem einzigen längeren Dialog Opfer von Blutorangenbäumchen werden.
AUGENSÄTTIGUNGSBEILAGE: DIE EFFEKTE
Die Effekte werden natürlich vom Feinsten sein und dem Besten entsprechen, was Industrial Plant & Magic an Software zu bieten haben. Während die Triffids der alten Verfilmung sich im Stop Motion-Verfahren bewegten und ihre Opfer ziemlich lange herumstehen und schreien mußten, ehe die bösen Gewächse endlich bei ihnen waren, werden die Effektspezialisten hier ein ganzes splatterfreudiges Szenario auffahren, möglicherweise inspiriert von den Zeitrafferaufnahmen von David Attenboroughs „The Private Life of Plants“.
Hier wird sich gleich die ganze Pflanzenwelt gegen die Unterjochung durch die rasenmähende Menschheit auflehnen: Blind umhertastende Kinder werden von marodierenden Ginstern überwältigt, stachelbewehrte Himbeerranken werden verkeilte Türen aushebeln, mit Flüchtlingen vollbepackte Züge werden von Baumwurzeln zum Entgleisen gebracht. Gärtner werden mit Macheten effektvoll, aber vergeblich gegen um sich peitschende Knöteriche kämpfen – und die Triffids organisieren das Ganze. Blut wird sich mit roter Bete mischen, und das Ganze wird ein Schlachtfest für die Augen sein und nur wenig fürs Gehirn.
Während oft in alten Filmen der Schrecken sehr effektvoll nur als Spiegelung in den Augen der Opfer gezeigt wurde, schwelgen neuere Filme gerne in der Möglichkeit, alles zeigen zu können, bis hin zu den sich im Bauch ahnungsloser Vegetarier windenden Sojasprossen, die sich anschicken, alienmäßig aus ihrem Gefängnis auszubrechen, dass selbst der miesepetrige Dr. House seine Freude hätte.
DEKOPETERSILIE: DER TIEFERE SINN
Die im Roman eigentlich viel interessantere „Geschichte hinter der Geschichte“ – nämlich die Spekulation darüber, wie sich Angehörige einer Hochzivilisation in einer solchen Krise verhalten – wird auf diese Sättigungsbeilage vermutlich noch ausgedünnter in Handlung und Dialoge aufgestreut als in der Version von 1962 schon, so dass zu vermuten ist, dass auch bei diesem Gericht wieder die Deko das Verdaulichste sein wird; die meisten schlucken sowas (zumindest nach der offenbaren Meinung zahlreicher Remake-Produzenten) aber fast unbemerkt gerade mal mit runter und wech.
SAUCE GEFÄLLIG? DIE MUSIK
Oh, und natürlich brauchen wir noch gute Musik. Howard Shore hat sich beim Anruf der Produzenten nur kurz an den Kopf getippt, daher wird der Soundtrack des neuen Publikumsmagneten erfüllt sein von Remakes guter alter Blumenlieder. Während des ersten Gemetzels könnten Nickelback den guten alten Genesis-Klassikers „The Return of the Giant Hogweed“ covern; später ertönt Marilyn Mansons leicht umgetexte gebremst-manische Version des Hippiehits „If you’re running from San Francisco, you’re sure to have some flowers on your heels“. Denn selbstverständlich spielt dieser Film in den U.S.A. und nicht mehr in Europa, wo kämen wir denn da hin, wenn wir uns in Hollywood auf einmal fremde Geographie zuzögen.
WÜRZUNG: NICHT NUR DAS BÖSE, AUCH DER BÖSE
Es reicht heutzutage nicht, wenn das Böse einfach nur so vor sich hin böse ist, sondern es ist viel effektvoller (und belastet das Budget nicht so arg), wenn es eine Stimme und ein Gesicht bekommt. Daher lernen die Triffids, mittels des vegetativen Nervensystems Menschen unter ihre Kontrolle zu bringen. Will Smith trifft also in der zweiten Hälfte des Films auf den mittlerweile zum Gefolgsmann allen Unkrauts mutierten alten Widersacher Bloom (Ihr erinnert?), der von Til Schweiger verkörpert wird und sich jetzt Darkbloom nennt, leicht lispelnd sonnenblumenkernige Drohungen ausstößt und seine Befehle von einem auf seiner Schulter reitenden schwarzen Löwenmäulchen empfängt. Am Ende des großen Schlußkampfes wird er in einem rapsölbetriebenen Häcksler versinken und dabei „Passsst auf – wir werden euch alle jäten! Sssschon baaaa….“ rufen.
DESSERT: EIN SEQUEL
Wie mittlerweile üblich, wird die Kamera zuletzt auf ein völlig unschuldig aussehendes Fleckchen Asphalt zufahren, den Blick des Betrachters durch einen winzigen Spalt zwängen, um ein darunter schlummerndes Samenkorn zu zeigen …… das plötzlich die Augen öffnet.
THE END?
Sich eine Fortsetzung vorzubehalten, ist mittlerweile fast genauso ein festes Ritual der Hollywoodfachleute wie penetrantes product placement. Nicht umsonst werden die Figuren des Films die halbe Zeit über in verlassenen KFC-Filialen campiert haben, wohin sich Vitamine bekanntlich nur sehr selten verirren.
Wenn der Film dann endlich in die Kinos kommt, gibt es im Merchandisingfachhandel schwarze Ledergartenschürzen, und zwei Wochen lang wird Kresseselbersäen echt cool sein.
UND DANN?
Ist doch klar: Im Jahr darauf folgt unweigerlich die Parodie: „Ich weiß, was du letzten Sommer gepflanzt hast“, „Der Herr der Ringelblumen“ oder vielleicht auch „28 Beete später“.
Sehr freuen würde ich mich ja auch mal über ein Remake von „Barbarella“, vielleicht mit der knusprigen Jessica Alba in einer FSK16- und einer um zwei Minuten längeren Doppelverdiener-FSK18-Version. Falls wir Pech haben, übernimmt allerdings Keira Knightley die Rolle.
Wenn es dann ganz übel kommt, dreht kurz darauf SAT1 einen Remake-Zweiteiler mit Otfried Fischer als „Der Blob“. Und im wiederum darauffolgenden Re-Re-Remake von „The Ring“ ist DAS dann wohl jenes Video, nach dessen Anblick sich alle Leute umbringen – was schon wieder Sinn ergibt, wenn man’s recht bedenkt.
[An dieser Stelle schlug mir meine Freundin vor, mir schnellstens die Rechte an all den Ideen zu sichern, um dann in spätestens fünf Jahren irgendjemanden in den U.S.A. erfolgreich wegen Plagiats verklagen zu können. Also: © Alle Rechte für Übersetzung und Verfilmung auch einzelner Auszüge vorbehalten 2008 Hendrik Schulthe. Klar soweit?]