Gerade gesehen: Thomas über „Pans Labyrinth“
Es gibt solche Filme, in denen man wartet und wartet, bis einen das irgendwie berührt, was da auf der Leinwand passiert. Und es passiert einfach nicht. So ein Film ist „Pans Labyrinth“. Dabei wird er von den meisten Kritikern (zum Beispiel dem Abspannsitzenbleiber) überschwänglich gefeiert – ein Meisterwerk des Fantasy-Genres sei er, ein anspruchsvolles Horrormärchen. Und „Filmstarts“ schreibt:
„Die perfekt gelungene Gratwanderung zwischen Alptraum und Coming-Of-Age in der Welt des spanischen Bürgerkriegs machen „Pans Labyrinth“ zu einem Must-See-Erlebnis jenseits jeglichen Klischees des Popcornkinos.“
Nein. Wirklich nicht. Wenn man genau hinschaut, sind es vor allem Klischees, die man in der Mitte dieses Labyrinths findet. Regisseur Del Toro erzählt ein Märchen: Dass alles gut wird, wenn auch erst in einem jenseitigen Leben. Dass Prüfungen zu bestehen sind, damit aus dem kleinen Mädchen eine Feenprinzessin wird. Märchen spielen in der Welt des Wunderbaren und sie können eine erschreckende Gewalttätigkeit an den Tag legen. Das ist ganz nach dem Geschmack von Del Toro. Er beschreibt seinen Film als
„ein Märchen, das den einfachen Mechanismen des Märchens folgt, aber emotional und visuell für Erwachsene gedacht ist – also nichts, was Sie sich am Sonntagnachmittag zusammen mit Kindern ansehen sollten.“
Kindern ist dieser Film in der Tat nicht zu empfehlen. Denn gerade in der Darstellung der realen Welt des faschistischen Spaniens im Jahr 1944 schwelgt der Film in sadistischen Gewaltdarstellungen. Hauptmann Vidal (Sergi Lopez) foltert und mordet und die Kamera ist immer dabei. Vidal und seinen Schergen stehen die Gutmenschen des Widerstands gegenüber. Sie leben in den Wäldern wie einst Robin Hood und sollen wohl die Hoffnung auf eine bessere Welt verkörpern. Das alles ist mit einem sehr dicken Pinsel in Schwarz und Weiß gemalt und darüber liegt dann noch ein schwülstiger Soundtrack, der jede subtile Atmosphäre im Keim erstickt.
Die Kombination aus intelligenzbeleidigender Naivität und Lust an der Gewalt erscheint mir ausgesprochen katholisch. Und verdirbt mir dann leider jeden Spaß am wirklich gelungenen Produktionsdesign: Pan redet zwar wie ein Fantasy-Stereotyp, aber er sieht wirklich aus, als hätte ihn Arthur Rackham persönlich gezeichnet. Und das Katholische verdirbt mir auch den Spaß an den beeindruckenden Schauspielern, gekonnter Kameraführung und einem wirklich surrealen, kinderverschlingenden Ungeheuer. Zumindest kann man Del Toro nicht vorwerfen, er stünde nicht hinter dieser sehr eigentümlichen Art der spanisch-lateinamerikanischen Vergangenheitsbewältigung. Kameramann Guillermo Navarro erklärt:
„Guillermo del Toro musste seinen Film und sein Drehbuch mit Händen und Füßen verteidigen, die Geldgeber meinten, die Geschichte sei viel zu hart, zu gewalttätig, aber er ging keine Kompromisse ein. So hat der Film gerade in dieser Kombination etwas sehr Wahrhaftiges bekommen, und ermuntert vielleicht auch andere, dass man auch so Geschichten über den Faschismus erzählen kann, ohne ein Pamphlet zu machen.“
Wahrhaftig? Nun ja. Subtile Filme sind eigentlich eine Stärke der mexikanischen Regisseure der Gegenwart – das hat Inarritu mit „21 Gramm“ und „Babel“ ebenso bewiesen wie Cuaron mit „Children of Men“ (der hier als Produzent auftritt). Del Toro hingegen ist dann am besten, wenn er seine groben Farben mit Humor mischt – wie in „Hellboy“. Gerade dreht er „Hellboy 2“. Da wird Del Toro seine Kunstfertigkeit mit mehr Erfolg einsetzen. Ist ja auch kein Märchen.
Ganz anderer Meinung ist Oliver Naujoks. Auch für ihn ist „Pans Labyrinth“ ein Meisterwerk. Ebenso für den Kinokritiker Florian Kummert.
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