Keine Stürmermentalität, aber jede Menge Teamgeist
Was macht man als Kommentator, wenn es in Spielpausen – mangels Stars – keine Stargeschichten zu erzählen gibt? Entweder man redet sich verzweifelt einen Starthemenbezug herbei (indem man sich z.B. darüber verbreitet, dass die Mutter von Ex-Guano Apes-Sängerin Sandra Nasic aus Kroatien stammt – aber mal ehrlich: wen interessiert’s?) – oder man nutzt die Zeit für einen Blick auf die Leute im Hintergrund: die geistigen Lederpolierer, Medienmechaniker, Ideenfachwerker, Abspannerwähnten, Kleinkramerlediger, kurz: die Teams, ohne die viele Überflieger ständig an den eigenen Schnürsenkeln scheitern würden.
Und auf diesem Level ist Kroatien schon seit geraumer Zeit besser plaziert als auf Ligatabellen. Denn obwohl die Amazonlistung DVDs-nach-Produktionsländern Kroatien als Filmland nicht einmal kennt, haben sich die Macher z.B. des Studios Zagreb Film schon seit 55 Jahren als kompetente Filmhandwerker profiliert – bis hin zum kurzzeitigen Aufstieg in die Oscarliga in der Saison ’62. Über 600 Trickfilme, mindestens ebensoviele Lehrfilme und Dokumentationen und noch mehr Werbespots entstanden dort; und in irgendeiner zagrebinischen Umkleidekabine stapeln sich über 400 Auszeichnungen von Meisterschaften auf allen Kontinenten. Einen interessanten Einblick in Philosophie und Werden der Studios gibt es hier. (Auf der Trainerbank: Hendrik Schulthe)
In vino veritas – aber: Was zählt is auffem Platz.
Die türkische Weinkultur blüht genauso im Verborgenen wie, sagen wir, die kroatische Weinkultur. Eigentlich schade. Denn vor allem in Thrakien, in der Ägäis, aber auch in Zentral-oder Südostanatolien haben sich in den letzten Jahren einige Weingüter entwickelt, deren Produkte durchaus trinkbaren Standard erreichen. Leider ist es in der Türkei bei den Rebsorten nicht wie bei der türkischen Nationalmannschaft. In der sind nämlich alle Mitspieler türkisch stämmig. Bei den Rebsorten dagegen dominiert im Anbau die internationale Langeweile: Shiraz, Chardonnay, Cabernet Sauvignon und Co.
Dabei gibt es in der Türkei doch Öküzgözü, Calkarasi oder Kalecik Karasi. Das sind türkische Rebsorten. Wenn wir jetzt noch das „c“ wie „tsch“, den Strich nicht wie „i“, sondern wie ein „e“ in „Pflaume“ und das „z“ wie „dsch“ aussprechen, dann haben wir uns der türkischen Weinkultur zumindest verbal ein bisschen genähert. Die gibt es übrigens erst seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts wieder, Kemal Atatürk persönlich hat den Weinbau nach 400-jähriger Pause wieder belebt. Mein persönlicher Favorit: Ein Doluca Öküzgözü. Der kostet rund 9 Euro im Internet, schmeckt nach Kirschen und ist ein wunderbarer Sommerwein für laue Fußballnächte. (Auf der Trainerbank: Axel Weiss)