Aufs falsche Pferd gesetzt

Prof. Pu empfiehlt: Das war ich nicht von Kristof Magnusson

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Die Sendung „ttt -Titel, Thesen, Temperamente“ pries das Buch als den ersten Roman der Finanzkrise – dabei sagt der Autor, er habe sich den Plot schon vorher ausgedacht, weil ihn das „Sackgassengefühl“ interessierte. Eine gute Bezeichnung für das, in was sich die drei Protagonisten da hineinmanövriert haben, jeder für sich und auch ein bißchen gemeinsam.

Jasper Lüdemann, ein junger, unbedeutender, deutscher Trader einer Bank in Chicago, überschätzt sich beim Ausbessern eines Kollegen-Fehlers und produziert einen Börsencrash größten Ausmaßes inklusive Pleite seiner arbeitgebenden Bank.

So schnell konnte es gehen. Ich hatte Jeffs kleinen Verlust auf meine Kappe genommen, wollte ihn ausgleichen, hatte dabei zu viel Geld gewonnen, und bei dem Versuch, dieses Geld wieder loszuwerden, hatte ich 650.000 Dollar in den Sand gesetzt. Wie eine unbedachte Lenkbewegung auf nasser Fahrbahn, die mich Richtung Leitplanke rutschen ließ, woraufhin ich so abrupt gegensteuerte, dass ich fast im Gegenverkehr gelandet wäre, das Lenkrad wieder herumriss, und nun schoss die Leitplanke rasend schnell auf mich zu.

Buch

Meike Urbanski, Übersetzerin, mitten in einer Dreißiger-Krise, auf der Flucht vor ihren verspiesserten Freunden mit „Himalaya-Salz und Weinklimaschränken“, zieht überstürzt von Hamburg aufs Land und wartet dort verzweifelt auf den „Jahrhundertroman“ Henry LaMarcks, um endlich wieder Geld zu verdienen.

Jetzt mußte ich mich nur noch daran gewöhnen, dass es hier richtig schön war. Ich musste mich daran gewöhnen, dass diese Haustür meine Haustür war, und dahinter kein nach Putzmittel riechender Hausflur, keine Kinderwagen, kein von weggeschmissener Werbepost überquellender Plastikeimer, sondern nur meine blauen Schuhe auf den braunen Natursteinfliesen im Vorflur. Dies war ich in meinem neuen Leben.

Henry LaMarck, Pulitzerpreisträger mit Schreibblockade, flieht in Chicago vor seiner eigenen Geburtstagsfeier und taucht unter. Leider hat er vor einiger Zeit in einer Talkshow den Mund zu voll genommen und den Roman zum 11. September 2001 angekündigt – und seitdem keine Zeile mehr geschrieben.

Ich sollte mich wirklich schämen! Schämen solltest du dich, Henry LaMarck! Auf jeder anderen Party wäre es im Rahmen des gesellschaftlich Akzeptierten gewesen, sich sang- und klanglos davonzustehlen, doch auf der Party zu meinem eigenen sechzigsten Geburtstag war es das sicher nicht. Meine Verlegerin Gracy Welsh hatte mich zu Parker Publishing gebeten, angeblich um mir die Umschlagentwürfe für die Taschenbuchausgabe meines letzten Romans, Windeseile, zu zeigen. Als ich jedoch das Großraumbüro im 24. Stock betrat, standen plötzlich jede Menge Leute um mich herum und riefen: „Überraschung!“ Viele hatten sich mit Hütchen dekoriert, mit ganz ironisch hässlichen Hütchen natürlich, da ich bei Parker Publishing für meinen Humor bekannt war. Humor – Schmumor, ich war sechzig geworden, was war daran witzig?

Witzig aber ist die ganze Geschichte. Magnusson führt die drei in Chicago zueinander. Meike macht sich überstürzt auf den Weg, um Henry zu suchen. Henry lauert Jasper auf, weil er von ihm ein Foto in der Zeitung gesehen hat und plötzlich wieder Inspiration für ein Buch verspürt. Schon beim ersten Gespräch verliebt er sich hoffnungslos in Jasper und vertraut ihm völlig kopflos sein nicht gerade geringes Vermögen an. Jasper wiederum, abwechselnd von Panikattacken und Größenwahn ergriffen, lernt zufällig Meike kennen und verliebt sich in sie, die doch nichts anderes will, als Henry zu finden, um endlich seinen Roman zu übersetzen. Und nicht ahnt, wie nah sie LaMarck durch Jasper schon ist …

Sie benehmen sich unmöglich, manchmal wie Kinder, die sagen, „Ich war’s nicht!“, driften auseinander, treffen wieder zusammen. Sie verlieren sich und fast ihr ganzes Hab und Gut, es wird einem beim Lesen ganz schwindelig. Der Roman ist ein köstlicher Reigen mit einem unerwarteten Ende. Meike, Jasper und Henry erinnerten mich an diese aufgehängten Metallkugeln, die man anschubsen muss und die eine Zeitlang viele Schreibtische zierten. Nie hätte ich geglaubt, komplizierteste Börsengeschichten auf eine so amüsante Weise nahegebracht zu kriegen. Das ist es, was eine gute Geschichte ausmacht: Wenn sie mir etwas erzählt, was mich im Grunde gar nicht interessiert, ich sie aber bis zur letzten Seite nicht aus der Hand legen kann. Das ist Kristof Magnusson bestens gelungen. Ich wünsche mir mehr davon!

Kristof Magnusson
Das war ich nicht
Kunstmann-Verlag € 19,90
978-3-88897-582-0

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