„Operation Walküre“ stieß in Deutschland teilweise auf heftige Kritik. Zu unhistorisch lautete der Vorwurf. Doch der Film ist besser als seine Kritiker wahrhaben wollen.
Es ist viel geschrieben worden über Claus Schenk Graf von Stauffenberg in den letzten Tagen und Wochen. Was ist geschehen? Mit dem Kinostart von „Operation Walküre“ kehrten die Ereignisse des 20 Juli 1944 auf die deutsche Leinwand zurück. Ein umstrittener Film über ein schwieriges Thema. Dennoch blieb die Kinokritik so vorhersehbar wie das Ende des Hitler-Attentats. Routiniert machte man sich auf die Fehlersuche, beschwor den Geist von Plötzensee und verlor sich in Detailstudien. Dank Jahrzehnte langer politischer Aufklärung versprüht Stauffenberg mittlerweile in Deutschland den Charme eines Staatsbegräbnisses: Wichtig, staatstragend aber auch ein wenig der Realität entrückt.
Eine komplexe Person
Stauffenbergs Hitler-Attentat oder der „Aufstand des Gewissens“, wie er später bezeichnet wurde, fand räumlich wie politisch in der Peripherie statt. Fernab der Metropole detonierte eine Bombe. Das „erlösende“ Attentat fand im Hinterzimmer statt, die versuchte Befreiung Deutschlands mutierte zum Kammerspiel. Stauffenbergs Staatsstreich blieb ein elitäres Ereignis. Der Glaube an die eigene Berufung, seine Karriere als Wehrmachtsoffizier und die späte Ablehnung des NS-Regimes vermitteln das Bild einer komplexen Person. Der George-Bewunderer war auf der Suche nach einem “Geheimen Deutschland” und bewegte sich dabei im Schattenreich zwischen Idealismus und Mystik. Visionen, die ihn wohl kaum zum Volkstribun oder Anführer einer Massenbewegung gemacht hätten.
Inbegriff eines anderen Deutschland
Der historische Stauffenberg wirkt fremd und das nicht erst seit heute. Seine Motivation, seine politischen Ziele für die Zeit nach Hitler warfen auch bei Zeitgenossen Fragen auf. Dieser Claus Schenk Graf von Stauffenberg wirkt unnahbar. Stauffenbergs Attentat dagegen sorgte weltweit für Aufsehen. Es wurde auch jenseits der deutschen Grenzen wahrgenommen. Teils als eine Chance zum Neuanfang, teils als Hoffnung auf einen baldigen Sieg über das verhasste Nazi-Deutschland. Wie kein anderes Attentat vorher erschütterte der 20. Juli 1944 den Mythos vom bedingungslos kriegführenden Hitler-Deutschland. Unabhängig von seinem ideengeschichtlichen Hintergrund ist der Offizier mit der Augenklappe damit national wie international zu Inbegriff des anderen Deutschlands geworden.
Gelungener Spagat
Stauffenberg als Symbol eines anti-totalitären Deutschland, als mutig handelndes Individuum bleibt aktuell. Allerdings und hier folgt die Einschränkung: Statt ritueller Bekundungen müssen Bezüge zur Realität geschaffen werden. Geschichte als Gegenstand der Kunst bietet hier eine Möglichkeit. Die Entscheidung Singers einen solchen Film zu drehen, ihn weltweit in die Kinos zu bringen und damit auch noch Geld zu verdienen, setzt eine international verständliche und historisch nachvollziehbare Choreographie voraus. Der Regisseur von „Operation Walküre“ bewerkstelligt diesen Spagat in dem er die gleichzeitige Suche des Protagonisten nach privater Geborgenheit und seinen Willen zur politischer Handlung zum Leitmotiv des Films macht. So präsentiert „Operation Walküre“ Stauffenberg einerseits als zielstrebigen Offizier, der die „Militäraktion“ zum Erfolg führen will. Andererseits zeigt sie ihn als Familienvater, dessen Sorge der Erhalt der Familie ist . Stauffenbergs Gegnerschaft zu Hitler ist nicht Programm. Sie konkurriert vielmehr mit dem Wunsch nach privatem Glück. Bryan Singer kontrastiert das Bild vom Widerstandskämpfer. Stauffenberg, Vater, Ehemann und Vollstrecker in einer Person, entwickelt so neben seiner militärischen auch eine erkennbar menschliche Seite.
„Operation Walküre“ vermeidet Glorifizierung
Überhaupt findet Singer bei aller naturgegebener Dramatik immer wieder Zwischentöne, die die Handlung aus ihren historischen Fesseln befreien. Sei es der Walkürenritt, der während eines Bombenangriffs die Überlegenheit der Herrenrasse konterkariert oder die an Katte erinnernde Umarmung mit der sich Stauffenberg und sein Adjudanten vor dem Standgericht von einander verabschieden. Geschickt umgeht Singer die Problematik des deutschen Widerstandes, in dem er sich auf die eigentliche Planung und Durchführung des Anschlages konzentriert. So verzichtet „Operation Walküre“ schon beinahe charmant auf die nähere Charakterisierung einzelner Widerstandsmitglieder, was dem Zuschauer vor allem im Falle Goerdelers, aber auch bei Stauffenberg selbst unliebsame Details erspart. Singer bezieht hier eine neutrale Position und vermeidet auf diese Art und Weise sowohl die Glorifizierung der Beteiligten als Demokraten als auch deren Gegenteil.
Keine Populärkultur
„Operation Walküre“ ist eine durchaus spannende Neuauflage eines durchaus bekannten Themas. Singer transportiert die „Helden“ des 20 Julis ins 21. Jahrhundert und stellt sie einer Öffentlichkeit vor für die Hitler längst Geschichte geworden ist. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf der „Populärkultur“ verfehlt sein Ziel, verkennt die Vielschichtigkeit des Films und die Notwendigkeit Geschichte zu erzählen. Zumal es der Regisseur durch aus schafft das Attentat historisch einzuordnen. Nämlich als den verzweifelten Versuch deutsch-nationaler Verschwörer den Krieg durch ein Täuschungsmanöver zu beenden. Sichtbar werden auch die Skrupel, die der Ermordung Hitlers entgegenstehen. Hier sind keine Helden am Werk, die pathetisch zum letzten Schlag ausholen. Vielmehr halten sich Furcht und Entschlossenheit die Waage. Das militärische Festhalten an Eid und Ethos, sei es Vorwand oder Überzeugung, erhält so eine menschliche Dimension. Indem Singer das Thema aus dem deutschen Blickwinkel heraus holt und einem internationalem Publikum präsentiert gelingt ihm auf seine Weise eine längst überfällige Demokratisierung Stauffenbergs.