TV-TIPP „Sardiniens tödliches Geheimnis“ (Prof. Pu: „Tödlicher Staub“ – Monster aus dem Sperrgebiet)

Fernsehtipp Sonntag | 26. August 2012 | 13.30 Uhr | ZDF

In der Reihe „planet e.“ berichtet das ZDF über den größten NATO-Truppenübungsplatz – auf Sardinien. Die Hirten der Region um Salto di Quirra klagen über missgebildete Tiere. Zivilisten und Soldaten erkranken – Ursache könnten Giftstoffe aus den Waffen sein, die auf dem Truppenübungsplatz verwendet werden. Davon handelt auch der Roman „Tödlicher Staub“ von Massimo Carlotto & Mama Sabot, den uns Prof. Pu vorstellt:

[display_podcast]

Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Ich schätze es, wenn mich Belletristisches auf ein Thema bringt, von dem ich zuvor keine Ahnung hatte.

Am Rande hatte ich wohl schon einmal etwas über das militärische Versuchsgebiet Salto di Quirra auf Sardinien gehört. Es ist der größte europäische NATO-Übungsplatz, mitten in einem Naturschutzgebiet, an einem der schönsten Strände Europas. Die Empörung über die Ungeheuerlichkeiten, die dort geschehen, haben Massimo Carlotto, zusammen mit einer Gruppe sardischer Journalisten und Schriftsteller, Mama Sabot genannt, einen höchst spannenden Krimi schreiben lassen.

Nina, eine Tierärztin, untersucht und erforscht Missbildungen, die bei Schafen in der Nähe des Militärgebietes auftreten. Sie hegt den Verdacht, dass Nanopartikel, die sich bei Versuchen mit Uran-Munition in der Luft verteilen, diese Schäden verursachen. Ebenso wie die Häufung von Leukämie-Erkrankungen bei den Hirten, Quirra-Syndrom genannt. Solche Nachforschungen stören natürlich gewisse Kreise …

Ein ominöses Sicherheitsunternehmen zwingt Pierre Nazzari, einen Irak-Krieg-Deserteur des italienischen Militärs, erpresserisch dazu, sich auf die Fährte der Tierärztin zu setzen. Er soll etwas aus ihrem Keller holen:

Er stellte sich in die Mitte des Kellers und versuchte sich darüber klar zu werden, was er suchen sollte. Ein Schreibtisch, ein Arbeitstisch mit Mikroskop und anderen Geräten, an zwei Wänden Bücherregale voller dicker Bände, Hefte und Ordner, in einer Ecke eine Kühltruhe. Pierre ging hin und klappte den Deckel auf. Drinnen befanden sich vier kleine Plastikkisten, hermetisch geschlossen. Er nahm eine heraus, und stellte sie auf den Tisch. Erst konnte er den Inhalt nicht ganz identifizieren. Offenbar handelte es sich um ein kleines Tier, möglicherweise um ein Lamm, aber irgendetwas daran war seltsam. Ihm fehlten die Augen, an deren Stelle saßen zwei Öhrchen. Er sah auch in den anderen Kisten nach: noch drei solche Monster.

Er stiehlt den Computer mit ihren gesamten Entdeckungen, was sie völlig verzweifeln lässt. Dann nimmt er einen Job als Barmann in der von Nina häufig besuchten Strandbar an. Ihre Einsamkeit und ihren Hang zum Alkohol nutzt er aus, um sich an sie heranzumachen. Es dauert nicht lange, und sie geraten in einen gefährlichen Strudel von rivalisierenden Halb- und Vollkriminellen, die nur eines eint: Kein Interesse daran zu haben, dass Ninas Erkenntnisse ans Tageslicht kommen. Selbst die höchsten römischen Politikerkreise sind involviert, auch vor Mord schreckt man nicht zurück, denn viele verdienen daran. Industrie, Politik, Mafia und Militär, im Krimi und in der Realität. Jeder kann das Sperrgebiet für 50.000 Euro pro Stunde mieten, um Waffen zu testen, von denen ich als naive Friedensliebhaberin lieber nichts gehört haben möchte.

Carlotto sagte in einem Interview in Druckfrisch, er wolle nicht gefallen, sondern erbarmungslos schreiben. Dieser Krimi sei entstanden, weil es keinen investigativen Journalismus mehr gäbe, man die Lokaljournalisten eingeschüchtert hätte. Ich wünsche dem Autor und allem voran den Bewohnern Sardiniens von Herzen, dass es ihnen gelingt, auf diese Weise mehr Aufmerksamkeit auf eine gigantische Umwelt- und Menschenzerstörung lenken.

Text und Podcast stehen unter einer Creative Commons-Lizenz. Quelle: Petra Unger/SchönerDenken

Massimo Carlotto & Mama Sabot
Tödlicher Staub
Übersetzt von Hinrich Schmidt-Henkel
Tropen-Verlag € 14,95
978-3-608-50207-7

Diese Besprechung erschien zuerst am 8. Juli 2012.

Ausführlicher Beitrag aus dem Deutschlandfunk

Massimo Carlotto bei „Druckfrisch“ (Video)

Schreibe einen Kommentar