Nachtlektüre: PJ liest
Rüdiger Safranski: „Romantik – eine deutsche Affäre“
Eine Affäre ist eigentlich eine Liebesbeziehung zweier Menschen, die keine lange Bindung suchen. So hatten die Deutschen auch mit der Romantik immer wieder mal Affären, aber so richtig wollten sie dann doch nicht. Das zeigt Safranski beginnend mit den Vorromantikern zur Zeit der französischen Revolution bis hin zu den 68ern, die er als die letzten, neuzeitlichen Romantiker ansieht.
Romantisch denken heißt, das Gewöhnliche romantisch zu verklären und zu überhöhen und ihm so den Glanz des Ungewöhnlichen zu geben. Romantisches Denken ist aber nicht nur sentimentale Schwärmerei, es zeitigt konkrete politische Wirkungen; so wird im Verlauf der Lektüre deutlich, dass viele politische, gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen des 20. Jahrhunderts ohne die Romantiker des 19. Jahrhunderts völlig undenkbar wären.
Die Schattenseite dieser Strömungen bildet Richard Wagners aggressiver Antisemitismus, der sich direkt auf den jungen Adolf Hitler übertrug. Die Sonnenseite der Sucher nach der „Blauen Blume“ ist eindeutig die Tatsache, dass politischer Realismus ohne romantisches Denken staubtrocken und blutleer bleibt.
Die Lektüre für jeden, der eine Ahnung davon bekommen möchte, wie das Herz den Verstand und wie beide die Gesellschaft formen. Oder Lesefutter einfach auch für diejenigen, die mehr über E.T.A. Hoffmann, Schleiermacher, Nietzsche, Schopenhauer und andere Köpfe der deutschen Geistesgeschichte erfahren möchten. Dies alles in recht gut zu verdauenden und übersichtlichen Kapitelhappen.