Gerade gesehen:
Thomas über I Am Legend
… das ist auch ohne extrem aggressive Mutanten kein Kinderspiel. Will Smith ist in „I Am Legend“ dazu auch noch mutterseelenallein. Solange die Sonne scheint, ist er sicher und hat den Big Apple im wahrsten Sinne des Wortes ganz für sich. Aber mit der Dunkelheit kommen die Mutanten und machen Jagd. Seit drei Jahren überlebt Robert Neville das Katz- und Mausspiel.
Rückblende: Ein gefeiertes Krebsmedikament auf Virenbasis entpuppt sich als hochansteckender, tödlicher Erreger. Der größte Teil der Menschheit stirbt, ein kleiner Teil mutiert zu primitiven, lichtscheuen Jägern. Nur Robert Neville, Biochemiker im Dienste des Militärs, erweist sich als immun. Der einzige Überlebende beginnt mit Tests – auf der Suche nach einem Gegenmittel gegen den Virus.
Seine einzige Gesellschaft ist die Schäferhündin Samantha. Und als die sich in stockfinsteren Ruinen verirrt, folgt ihr Neville wider besseres Wissen. Leise ruft er nach seinem Hund, sonst hört man nur seinen Atem, stossweise, voller Angst, man sieht nur, was vom Lichtkegel seiner Lampe getroffen wird, wenn er nicht gerade die Hand davor hält, um die Mutanten nicht zu wecken. Schritt für Schritt geht er weiter ins Dunkle und dann ist da diese Blutspur … seine Todesangst springt über in den Kinosaal. Ich habe mich schon lange nicht mehr so gegruselt. Großes Lob an Regisseur Francis Lawrence, der weiß, was er zeigen will und vor allem, was er nicht zeigen will.
Auch sonst macht der Film vieles richtig. Will Smith in einer seiner besten bisherigen Rollen ist ein glaubwürdiger Überlebender. Langeweile, Angst und Verzweiflung, Rituale und Verrücktheiten zeigen, was drei Jahre unfreiwilliger Einsamkeit mit einem Menschen anstellen. Das reicht vom lässigen Golfspielen auf dem Flügel eines Kampflugzeugs bis zum selbstvergessenen lippensynchronen Mitsprechen von „Shrek“.
Will Smith einziger echter Filmpartner ist lange Zeit das menschenleere New York, langsam zurückerobert von Tieren und Pflanzen. Regisseur Lawrence findet hier die richtigen Perspektiven für die ungewohnte Einsamkeit mitten in Manhattan. Sehr schön: mit dem Sportwagen mit Vollgas durch die Häuserschluchten – erst ganz nah, dann aus der Vogelperspektive.
Irgendwann kippt die spannende Geschichte, andere Überlebende tauchen auf, das Finale trägt dick auf in Sachen Action, Dramatik und Pathos. Vielleicht zu dick. Da wird auch eine andere Schwäche des Films unübersehbar: die Mutanten (und die Löwen) kommen leider aus dem Rechner. Hätte es mehr gekostet, Menschen mit entsprechendem Makeup einzusetzen? CGI-Monster verraten immer: „Alles nur ein Film“. Da wirft „I Am Legend“ mit dem Hintern um, was er mit den Händen so gekonnt aufgebaut hat. Trotzdem sehr sehenswert – großartige Gruseleffekte, ein großartiger Will Smith und ein menschenleeres New York wiegen die wenigen Schwächen auf. Nach dem Kino fiel mir ein, wie wenig ich noch von der Verfilmung mit Charlton Heston („Omega-Mann“) in Erinnerung habe. Allein wegen der Szene am Brunnen muss ich mir das nochmal anschauen.
Links
Amerika im Hexenspiegel: Der Filmwissenschaftler Jerome Charyn setzt „I Am Legend“ in Beziehung zum 11. September 2001. Über 50 Jahre nach dem Roman immer noch aktuell, findet Haro Heide. Die Einsamkeit kann man auch als Computerspiel genießen.