Wilder, bunter, besessener

Martina lässt ihre Notizbuch-Historie Revue passieren:

Foto: Martina Stauffer

Foto: Martina Stauffer

Bei mir liegt der Beginn des Aufzeichnungs-Zeitalters weit zurück. Ich erinnere mich an dünne Schulhefte mit Rauten (weil meine Schrift schon immer meiner gesamten Statur angepaßt war – ausladend eben), die ich UNTER den „offiziellen“ Schulheften verbarg und in die ich bei jeder sich bietenden Gelegenheit hineinkritzelte: Beobachtungen zu Lehren und Mitschülern, schmachtende Liebesgedichte an das jeweilige Objekt meiner Begierde, Oden an meinen Captain Kirk, an Kenneth „Hutch“ Hutchinson oder an Christian Quadflieg in der Rolle des  vornamenlosen Lehrers Fichte, Haßtiraden und Schmähungen gegen vermeintliche Konkurrentinnen um die Zuwendung eines angeschwärmten Mitschülers, gegen gemeine Politiker, Familienmitglieder, böse Nachbarn und das öffentlich-rechtliche Fernsehen, das die „Enterprise“ gegen die „Sportschau“ antreten ließ.

Zu Hause versteckte ich die vollgeschriebenen Hefte wiederum zwischen den Schulsachen, weil das der einzige nicht kontrollierte Bereich in der elterlichen Wohnung war, und wenn es zu viele wurden, tarnte ich sie im Inneren eines ausrangierten und „entkernten“ DIN-A4-Kinderlexikons.

+++ Moleskine – Der Maulwurf in der digitalen Welt Dieser Beitrag ist Teil einer Blog-Parade von SchönerDenken. Wir rufen jeden bloggenden Notizbuchbenutzer auf, seine oder ihre “Moleskine-Geschichte” auf seinem Blog zu erzählen. Welche Notizbuch-Geschichten können Sie erzählen? Seit wann haben Sie ein Moleskine und was vertrauen Sie ihm an? Bitte schreiben Sie die Links zu Ihrem Blogbeitrag in einen Kommentar zu diesem Beitrag. Oder einfach die Geschichte direkt in unser Kommentarfeld schreiben. Diese Blogparade läuft bis zum 1. Dezember 2009 31. Dezember 2009 (verlängert!) und wird am Ende alle Notizbuchgeschichten in einem Beitrag versammeln. +++

Später, in meinem eigenen Zimmer und in einem anderen Leben, wurden aus den Schulheften feste Bücher, in die ich auch meine „Andenken“ einklebte, Eintrittskarten, zugesteckte Zettel, Hüllen von Sammelbildchen, Rechnungen von Kneipenbesuchen, Flitterkram. Besonderen Raum nahmen dabei stets die Konzertkarten ein, die mit Filzstift-Strahlenkränzen und „herzigen“ Oblaten für Poesiealben verziert wurden, egal ob es sich um die Scherben oder Joy Division handelte.

Danach gestaltete es sich immer wilder und bunter und besessener: Termine, Listen, nächtliche Träume, Tagebucheintragungen, Geschichtenanfänge und –enden (nie die Mittelteile! Das Problem der unvollendeten Mittelteile! Ach, Freunde!), Gedichte, Fotos, Collagen etc. etc. Die Bücher wurden dicker, die Einbände luxuriöser, der Tinte blieb ich immer treu.

Mit dem Wiederaufkommen der Moleskines war klar, daß ich von nun an ihnen ergeben sein würde: so stabil, so elegant, so „leer“ – keine Vorgaben durch meinetwegen einen Paisley-Einband oder ein Streifenmuster, sondern schlichtes Schwarz, das ICH würde verzieren können, weiches, neutrales, gut duftendes Papier, das nur auf meinen Stift wartete, kurz: wie für mich gemacht. So ist es auch heute noch, und die meisten meiner „SchönerDenken“-Beiträge nehmen dort ihren Anfang. Darauf einen Dujardin! Moleskine lebe hoch!

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