Bleib mir wech mit Zwielicht, gib mir die finst’re Nacht

Hendrik zieht der Twilightomanie den Film „So finster die Nacht“ vor.

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Es mag ja an meiner nicht existenten Vorliebe für Vampirfilme liegen, aber der von der Süddeutschen Zeitung als „vielleicht bester Film von 2008“ gelobte, in Die Welt als „grandios“ bejubelte und auch von der Frankfurter Rundschau für „maßlos schön“ befundene schwedische Film „So finster die Nacht“ ist seinerzeit schlicht an mir vorbeispaziert.

Dabei blüht und gedeiht das Genre Vampirfilm äquivalent zu seinen Protagonisten derzeit ja wieder mal prächtig in abgedunkelten Sälen, was neben offenbar leiseren und ambitionierten Produktionen wie „Durst“ vor allem die für meinen Geschmack etwas zu penetrante Bewerbung von „Twilight“ belegt. Wie auch in der Musik, so entstehen oft neue Impulse aus der Verbindung zweier bis dahin so nicht miteinander verbundener Genres. „Twilight“ ist der unvermeidliche filmische Schattenwurf der Bestsellerreihe von Stephenie Meyer, die seinerzeit entdeckte, dass die Melodramatik, die Morbidität und der unterschwellige Erotizismus von Vampirgeschichten sich trefflich mit Teenagerdramen verrühren lassen.

Lass den Richtigen rein

Weil ich dergestalt verkulteten Büchern und Filmen stets schon aus reinem steinböckschem Widerspruchsgeist erst einmal ablehnend gegenüberstehe, mich zugleich aber solche thematischen crossover durchaus interessieren, schaute ich genauer hin, als mir zufällig die DVD mit „So finster die Nacht“ begegnete, einem ausnahmsweise mal halbwegs dezent verhunzendem deutschen Titel für einen Film, der eigentlich „Lät den Rätte komma in“ heißt, was soviel bedeutet wie ‚Lass den Richtigen herein‘, auch dies die Verfilmung eines Romanbestsellers. Also habe ich mir das gute Stück angesehen – stilvollerweise am Halloweenabend – , während ich erkälteterweise daheim herumschlurfte.

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Der 12-jährige Oscar lebt allein mit seiner Mutter in einer grauenerregend durchschnittlichen tristen Hochhaussiedlung irgendwo in Skandinavien. Er ist ein Außenseiter – etwas verträumt, fast etwas trottelig wirkend – , und wird als solcher von seinen Mitschülern teilweise ziemlich drangsaliert. Nachts geht er dann in den Innenhof der Siedlung und phantasiert davon, sich an seinen Quälgeistern zu rächen.

Dort lernt er eines Tages das Mädchen Eli kennen, die in das Nachbarhaus eingezogen ist. Er freundet sich mit dem zerbrechlich wirkenden Mädchen an, bemerkt aber zugleich, dass mit ihr irgendetwas nicht recht zu stimmen scheint.

Dass mit dem Mann, bei dem Eli wohnt, etwas nicht stimmt, bemerkt der Zuschauer recht rasch, als dieser nachts einen Passanten überfällt und ausblutet. Und wir erfahren auch bald, warum er das tut: Eli ist nämlich ein Vampir und benötigt regelmäßig die spezielle Diät aller Vampire: frisches Menschenblut.

Allmählich begreift auch Oscar, wer und was Eli ist, und doch hält er zu ihr, zumal sie ihm den Mut gibt, sich gegen seine Widersacher zu stellen.

Als der Fürsorger Elis bei einer seiner ‚Besorgungsaktionen‘ einen entscheidenden Fehler macht, ist Eli kurze Zeit später auf sich allein gestellt. Zugleich bleibt natürlich die Anwesenheit einer Vampirin nicht unbemerkt und nicht ohne Folgen in der Siedlung…

Mehr sei an dieser Stelle zur Handlung erst einmal nicht verraten, zumal die eigentlich auch gar nicht das Wichtigste des Filmes ist. Entsprechend ist das auch – wenn man so will – seine größte Schwäche, denn der kriminalistisch veranlagte Logikfan wird da einiges an potenziellen Löchern finden. Dem empfehle ich denn auch eher einen der zahlreichen hervorragenden Schwedenkrimis.

Denn Alfredson und Lindqvist erzählen vor allem erst einmal eine sehr zarte und filigrane Liebesgeschichte zwischen zwei zwölfjährigen Kindern, von denen eines zufällig ein Vampir ist. Das Gelungene an dem Film ist für mich, dass er diese Perspektive dem Betrachter unabhängig von der Handlung sehr nahebringt.

Wenn z.B. Oscar bei seinem Vater zu Besuch ist und mit ihm etwas spielt, ist er glücklich. Dann schaut ein Bekannter seines Vaters vorbei, die Erwachsenen beginnen zu trinken, und schon ist für Oscar die Vater-Sohn-Idylle zerstört. Das hat mit der Handlung absolut nichts zu tun, aber es ist ein wichtiges Mosaiksteinchen in Oscars Lebensgefühl, und so begreift man, warum er später tut, was er tut.

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Der Film erzählt in kühlschönen, präzisen Bildern und kommt mit angenehm wenigen, gut dosierten Spezialeffekten aus. Und weil selbst die deftigeren Effekte darunter (allen voran eine grausigpoetische im Krankenhaus, eine in doppeltem Wortsinn teilweise grausige im Schwimmbad und eine schlicht etwas merkwürdige mit Katzen) sparsam und ohne großes Soundtrackwumtata daherkommen, hatte ich an keiner Stelle das Gefühl, hier werde die Story dem Budenzauber geopfert.

Während die Erwachsenen und Oscars Mitschüler offenbar bewusst etwas einseitig inszeniert sind, so wie vielleicht ein Kind sie beschreiben würde (‚der Sportlehrer mit dem Bauch und dem komischen Akzent‘), sind Eli und Oscar die einzigen Charakterrollen in dem Film. Und ich ziehe absolut den Hut vor den beiden Jungdarstellern, insbesondere Lina Leandersson, die als ewig jugendliche Vampirin („Ich bin 12, aber schon sehr lange Zeit“) der Dreh- und Angelpunkt des ganzen Filmes ist: denn daraus, wie man diese Figur sieht, leitet sich alles weitere ab. Ist sie ein Opfer ihrer Natur und Oscar ein menschlicher Lichtblick in ihrer ewigen Flucht? Oder ist auch dies von ihr geplant, so dass der ursprüngliche Titel des Filmes eine mögliche Nebenbedeutung erhält: Denn so wie Oscar die Vampirin Eli in sein Zimmer, sein Leben hineinlässt, so lässt auch Eli Oscar in ihr Geheimnis und ihr Schicksal hinein. Und das mag aus Einsamkeit und Liebe geschehen oder auch nicht. Geschieht dort etwas Neues oder schließt sich nur ein Kreis? Leanderssons Eli enthält Andeutungen aller dieser Facetten, und deswegen ist es schön, dass ich mir das selber denken darf.

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Letzten Endes ist es wohl das, was „So finster die Nacht“ zu einem guten Film macht: Nicht nur, dass die ewig alte Geschichte anders und handwerklich gut aufgezogen wird, nein, sie wird zu einer völlig neuen Geschichte gemacht, an deren Ende eben zugleich noch nicht alles ausgeschöpft scheint. Und das sind für mich noch immer die schönsten Geschichten gewesen: die, welche sich mit dem letzten Bild, der letzten Zeile umwenden und sagen: „Man könnte das alles natürlich auch ganz anders sehen.“

Während mir – wobei ich mich da natürlich irren kann – der Trailer zu „Twilight“ als Surrogat für den ganzen Film schon jetzt völlig auszureichen scheint, erweist sich „So finster die Nacht“ in für mich völlig unerwartetem Genre als ein Film, der hängenbleibt und irgendwann nochmal gesehen werden will, weil er sich mit einmaliger Betrachtung einfach noch nicht zuende erzählt hat.

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Christian meint:

„„So finster die Nacht“ mag nun kein typischer Vampir-Film sein, nichts desto trotz ist er einer der besten Vertreter seines Fachs, der in den letzten Jahren zu sehen waren, eben weil der Film dieses Thema mit einer sehr wohltuenden weil beiläufigen Ernsthaftigkeit behandelt.

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