Nicole will’s wissen: Wie halten wir es mit Notizbüchern?
Was da Ende der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts seine Wiedergeburt feierte, war eine Herausforderung an die junge, digitale Generation, die zwar schnell tippen konnte aber keine echte Handschrift mehr besaß. Jung wie alt wurde gleichermaßen infiziert von den 9 x 14 Zentimetern. Rasant eroberte die Maulwurfshaut Rucksäcke von Webbern der zweiten Generation und elegante Designer-Handtaschen, nahm ihren Platz ein neben Palms, Subnotebooks und i-Phones. Und es gab Nachahmer, zahllose, die aufsprangen auf den Zug der Zeit und Replikate schufen, manche besser, manche schlechter als das Original, aber alle mit einem Ziel, Heimat für zu Papier gebrachte Skizzen und Gedanken zu sein.
+++ Moleskine – Der Maulwurf in der digitalen Welt Dieser Beitrag ist der Start einer Blog-Parade von SchönerDenken. Wir rufen jeden bloggenden Notizbuchbenutzer auf, seine oder ihre “Moleskine-Geschichte” auf seinem Blog zu erzählen. Welche Notizbuch-Geschichten können Sie erzählen? Seit wann haben Sie ein Moleskine und was vertrauen Sie ihm an? Bitte schreiben Sie die Links zu Ihrem Blogbeitrag in einen Kommentar zu diesem Beitrag. Oder einfach die Geschichte direkt in unser Kommentarfeld schreiben. Diese Blogparade läuft bis zum 1. Dezember 2009 und wird am Ende alle Notizbuchgeschichten in einem Beitrag versammeln. +++
Moleskine, das ist das legendäre Notizbuch, das die Pariser Künstler- und Literaturszene der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für ihre Aufzeichnungen nutzte. Gemacht aus schwerem Baumwollstoff, unkaputtbar, mit einem Gummiband versehen, mit dem man das Buch schließen konnte und einer Innentasche für Reisereminiszenzen: Bons, Eintritts- und Visitenkarten und vieles geheimnisvolle mehr. Vincent van Gogh soll es genutzt haben, Pablo Picasso, Ernest Hemingway. Und Bruce Chatwin, dem es ein besonders treuer Reisegefährte gewesen sein soll und der mit den Worten zitiert wird:
Losing my passport was the least of my worries, losing a notebook was a catastrophe.
Als die Produktion der kleinen schwarzen Bücher 1986 in Frankreich eingestellt wurde, soll er tieftraurig gesagt haben:
Le vrai moleskine n’est plus …
Doch seit einigen Jahren gibt es sie wieder. Die italienische Firma Modo & Modo hatte 1998 die brilliante Idee, das Notizbüchlein wieder aufzulegen. Mit enormen Erfolg. Wer heute intellektuell dazugehören will, zieht leger sein Moleskine aus der Jackentasche und notiert seine Gedanken, während er seinen Espresso schlürft. Moleskine, das ist der Inbegriff für Kultur, Weltgewandtheit und Persönlichkeit.
Erstaunlich ist es nicht, dass sich das anachronistisch anmutende Notizbuch im digitalen Zeitalter so großer Beliebtheit erfreut. Die Hersteller der „Maulwurfshaut“ jedenfalls haben den scheinbaren Spagat zwischen der alten und der neuen Welt spielend geschafft. Wer sich auf ihre Homepage begiebt, kann sich mit Moleskinecity auf eine globale Reise begeben und Blicke werfen in die Notizbücher von Menschen aus aller Welt.
Aber egal ob Moleskine oder billiges Imitat. Damals wie heute kommt es auf den Inhalt an. Es gibt viele, die sich die schönsten und teuersten Notizbücher kaufen und keine Zeile hineinschreiben, aus Angst vor dem weißen Blatt Papier. Und es gibt jene, die am Fließband Notizbücher füllen ohne das jemand sie jemals lesen wird. Vielleicht ist Moleskine ja nur ein Ausdruck für den Wunsch vieler, mehr zu hinterlassen, als flüchtige Spuren in einer digitalen Welt.