Thomas liest den Superhelden-Roman „Dr. Impossible schlägt zurück“
Immerhin habe ich bei der Lektüre des Romans gelernt, was ein „Leotard“ ist: ein hautenges Kostüm, das entweder nur den Torso oder auch Arme und Beine bedeckt. Zusammen mit Cape und Maske das Standard-Outfit für Superhelden. Da fällt mir mein Lieblingskalauer zum Thema ein:
„Es ist nur der ein Superheld,
der sich selbst für super hält.“
Dr. Impossible ist aber bestimmt kein Superheld, er ist ein Superschurke. Sein Ziel ist ganz klassisch die Weltherrschaft. Als einer der 100 klügsten Menschen der Welt und ausgestattet mit besonderer Stärke kommt er seinem Ziel gefährlich nahe. Grossman erzählt mit milder Ironie aus zwei Perspektiven: einmal aus dem Blickwinkel des Superschurken und einmal durch die elektronisch verbesserten Augen einer Cyborgfrau, die einem Superheldenteam beitritt. Er spart dabei nicht an Rückblicken, um die Geschichte der Charaktere zu erzählen.
Zu beiden Ich-Erzählern bleibt der Autor aber unfreiwillig auf Distanz. Bei Dr. Impossible wird die Motivation nie wirklich klar und da Grossman kein Frauenversteher ist, gelingt es ihm nicht, der Cyborgfrau glaubwürdig eine Stimme zu geben. Er schlüpft einfach nicht tief genug in die Charaktere hinein, um sie leben zu lassen.
Das ist schade, denn er hat eine kurzweilige Geschichte mit interessanten Elementen und charmanten Wendungen zu erzählen. Zum Beispiel die Herkunft der verschiedenen Generationen von Superheldenteams (bekannt aus „Watchmen“) oder das Amt für metahumane Angelegenheiten oder das Schicksal zynischer, heruntergekommener Superschurken (wie sie die Comics seit den 1990er Jahren bevölkern).
Aber fairerweise müsste man auf den Buchrücken Werbetexte schreiben wie: „Unpolitischer als Watchmen“, „Harmloser als Frank Miller“ oder „Weniger lustig als Iron Man“. Und das liegt rein handwerklich daran, dass er immer wieder spannende Ideen als Botenbericht zusammenfasst statt sie en detail und atmosphärisch auszugestalten:
„Lange vor mir trat er (Baron Ether) gegen das Super Squadron“ an, kreuzte sogar im Zeitstrom und bekämpfte es drei Jahrtausende in der Zukunft. Einmal tat er sich mit seinem alternativen Selbst aus einer anderen Dimension zusammen und stahl ein Vermögen in Gold, nur um seinen Doppelgänger anschließend zu hintergehen. Typisch.“ (S. 139)
Da hätten Sie gerne mehr erfahren? Ich auch. Wie spannend und zum Brüllen komisch und wie hautnah man Zeitreisen erzählen kann, beweist zum Beispiel Jasper Fforde. Von Fforde ist Grossman aber so weit entfernt wie Malta von der Fußballweltmeisterschaft. Fazit: Ein spannender Ansatz für einen Superheldenroman, der sich aber nicht traut dahin zu gehen, wo es weh tut … und wo es richtig spannend wird. Nicht wirklich schlecht, aber auch nicht wirklich überzeugend. Vielleicht kann Grossman nach seinem hier vorgelegten Romandebüt ja noch eine Schippe oder zwei beim nächsten Buch drauflegen.
P.S. Bereits 2008 hatte Monsieur Molosovsky den Roman entdeckt – in dessen ausführlicher Würdigung kommt er etwas besser weg – siehe auch in den Kommentaren.