Hallo, Mr. President

Am 4. November wählt das amerikanische Volk den mächtigsten Mann der Welt. Der Präsident der Vereinigten Staaten … das Amt an sich ist schon eine Ikone der Populärkultur, inklusive White House, Oval Office und Air Force One. Die Wartezeit bis zur Wahl vertreiben wir Ihnen mit der Serie “All the Presidents”.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Dieser Film aus dem Jahr 1995 ist nicht besonders politisch; er hat nichts kämpferisches, und die kleinen subtilen Botschaften – die Waffengesetze in den USA müssen restriktiver werden und der Umweltschutz viel höher bewertet – schwingen bloß unterschwellig mit. Denn in erster Linie handelt es sich um einen Liebesfilm, eine romantische Komödie, wie wir sie so in ihrer unbestreitbaren Perfektion von Regisseur Rob Reiner („Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers“, „When Harry Met Sally … – Harry und Sally“ und „Rumor Has It – Wo die Liebe hinfällt“) erwarten können.

Die Handlung ist schnell erzählt: Andrew Shepherd (Michael Douglas), der demokratische Präsident der USA, verliebt sich während der Kampagne für seine Wiederwahl in die Umweltaktivistin Sydney Ellen Wade (Annette Bening). Sie vereinbaren, dass er und sein Stab ein radikales und innovatives Umweltschutzgesetz voranbringen werden, wenn es Wade gelingt, durch Lobbyarbeit mindestens vierundzwanzig Kongreßabgeordnete von eben diesem Gesetz zu überzeugen. Die Liebesbeziehung wird öffentlich und zu einem gefundenen Fressen für den republikanischen Gegenkandidaten Robert Rumson (wunderbar in seiner Rolle als wehleidiger, verschlagener und selbstgefälliger „Schurke“: Richard Dreyfuss); er inszeniert eine Schlammschlacht vor allem gegen Wade und ihre radikale politische Vergangenheit.

Weil seine Umfragewerte im Laufe dieser Schmutzkampagne in den Keller stürzen, bricht Shepherd einseitig die Vereinbarung zur Unterstützung des besseren Umweltschutzgesetzes mit Wade, die ihn daraufhin verläßt. Nach einer kurzen Phase der Selbstreflexion (und des Vermissens von Wade) tritt Shepherd dann vor die Öffentlichkeit und rettet das Happy End – die Liebesbeziehung UND das revolutionäre neue Gesetz – durch eine flammende Rede. Diese Geschichte ist nichts besonderes, im Grunde eine simple Love Story, die mehr oder minder zufällig im Weißen Haus spielt und damit ziemlich weit entfernt ist von den Realitäten sonstiger Liebeskomödien, die in „ganz normalen“ Umgebungen angelegt sind.

Der Film lebt von seiner Riege außerordentlich guter Schauspieler, von Humor, Warmherzigkeit und Liebenswürdigkeit, Charme und intelligenten Dialogen und nicht zuletzt auch von dem (in mehreren Filmen und Serien verwendeten) großartigen Oval Office-Set und der (für einen Oscar nominierten) Filmmusik von Marc Shaiman. Rob Reiner verbrachte zur Vorbereitung für „The American President“ zwei Tage im Weißen Haus als „stiller Beobachter“ Bill Clintons. Es ist ausnehmend schade, daß es über diese Zeit keine Aufzeichnungen gibt, aber schließlich ist der Spagat, einerseits als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika DIE öffentliche Person schlechthin zu sein und anderseits auch ein Privatleben zu haben (sehr schön im Film: Shepherds Probleme, „ganz normal“ einen Blumenstrauß zu erstehen und ihn Wade zu schicken), der rote Faden der Geschichte und die Diskretion Reiners Clinton gegenüber nicht nur vor diesem Hintergrund verständlich und fair.

Drehbuchautor Aaron Sorkin hat entscheidenden Anteil an der Kurzweiligkeit, den witzigen Dialogen und dem zügigen Tempo des Films. Die Essenz liegt darin, den Präsidenten zu vermenschlichen, ihn so gut es geht von seinem Amt zu lösen. Unter anderem deshalb funktioniert nicht nur „The American President“, sondern auch „The West Wing“, eine von 1999 bis 2006 ausgestrahlte amerikanische Serie, die unmittelbar aus dem Film entstand. Es scheint so, als sei „The American President“ das Appetithäppchen gewesen und „The West Wing“ letztendlich der Hauptgang, zumal nicht verwendete Filmszenen in der Serie dann zum Einsatz kamen. Aaron Sorkin nahm nicht nur sein Filmdrehbuch als Quelle für die Serie, sondern verpflichtete auch einen Teil der Besetzung des Films und drehte im gleichen Set. Prädikat: ein echter Wohlfühlfilm für müßige Abendstunden (und – weil die Liebe ja schließlich siegt UND sogar die Politik verändert – auch für Tage, die alles andere als gut gelaufen sind, als Cheer-Up-Film geeignet)!

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