„State of Play“: 40 Milliarden gute Gründe …

Die Üblichen Verdächtige kommen aus „State of Play – Stand der Dinge“ und finden ihn großartig:

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Cal McAffrey – ein investigativer Reporter aus dem Bilderbuch: Sein Büro, sein 1990er Saab, seine Wohnung, alles ein chaotischer Berg an Notizen, Berichten, Büchern, ein verwahrlost wirkender Single, ziemlich abgefuckt und ziemlich arrogant (langhaarig und überzeugend: Russell Crowe). Als Reporter beim Washington Globe geht er einem merkwürdigen Doppelmord nach.

Eigentlich würde er sich lieber mit dem Schicksal seines alten Kumpels und Kongressabgeordneten Stephen Collins beschäftigen, denn dessen hübsche, junge Referentin gerät unter die U-Bahn und Collins kann nicht verheimlichen, dass er eine Affäre mit ihr hatte. Das ist allerdings ein Boulevard-Thema für die Washington-Globe-Bloggerin Della Frye. Dabei war Collins gerade dabei dem Sicherheitskonzern PointCorp im Ausschuss die Hölle heiß zu machen, denn in den USA soll die innere Sicherheit privatisiert werden – für 40 Milliarden Dollar pro Jahr. Mit ihren Recherchen stoßen beide Journalisten in ein Wespennest. Es geht – wie immer – um Macht, um Sex und um sehr viel Geld …

9 von 10Nicht nur wer eine Schwäche für klassische „Reporter enthüllen Verschwörung“-Thriller hat, kommt hier auf seine Kosten. Daumen hoch für die Regie von Kevin MacDonald („Der letzte König von Schottland“), für das Drehbuch von Matthew Michael Carnahan („Operation Kingdom“) und Tony Gilroy („Bourne“-Trilogie), für den Kameramann Rodrigo Prieto („Babel“), für den Komponisten Alex Heffes („Der letzte König von Schottland“) und für den Produktionsdesigner Mark Friedberg. Stilsicher wandelt dieses Team auf den Spuren des Watergate-Thrillers „All the President’s Men“. Das Prädikat „besonders wertvoll“ des Filmbewertungsdienstes hätten die SchönerDenker für diesen spannenden Kinoabend auch vergeben.

Exkurs

„State of Play“ singt nebenbei auch ein Loblied auf den Qualitätsjournalismus der Zeitungen. Die Online-Welt besteht in diesem Film aus blutsaugenden Bloggern und die kümmern sich nur um Boulevard-Themen. Die Bloggerin Della wird während des Films vom Online-Saulus zum Print-Paulus und erklärt am Ende:

„Bei dieser Geschichte soll man beim Lesen Druckerschwärze an den Händen haben.“

Warum eigentlich? Wird eine gute Enthüllungsstory schlechter, wenn sie online erscheint? Wird eine banale Boulevardgeschichte besser, wenn sie auf Papier gedruckt wird? Letztlich ist die Frage: Wer zahlt für teuren, sehr guten Journalismus? Und: Kann es guten Journalismus geben, wenn Investoren die Zeitungen aufkaufen und nur hohe Renditen herausholen wollen? Genau das passiert dem „Washington Globe“ im Film und die Chefredakteurin erklärt:

„Die wirkliche Story ist der Untergang dieser Zeitung.“

Links

Flo Lieb lobt ihn mal kurz und mal ausführlich, Björn Helbig ist sehr zufrieden:

„Den Polit-Thriller erfindet Kevin Macdonald mit „State Of Play“ nicht neu, doch präsentiert er uns einen äußerst spannenden Vertreter seiner Zunft und bietet darüber hinaus einen cleveren Kommentar zur aktuellen Situation in Politik, Wirtschaft und Medien.“

Fritz Göttler glaubt tatsächlich, dass Bloggen ein Ausdruck mangelnder Solidarität ist, aber immerhin lässt er diesmal Godard und Barthes und den Ödipuskomplex aus dem Spiel:

„Die neuen Online-Formen, das Blogging, das ist dann ein Reflex der neuen Gesellschaft, die kein Interesse für den Menschen, keine Solidarität, kennt. Man kann das eine nicht retten ohne das andere.“

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