Anlässlich des 94. Geburtstages von Autorenlegende Jack Vance führten wir ein ausführliches Interview mit einem, der dessen Werk wirklich in- und auswendig kennt – seinem deutschen Verleger und Übersetzer Andreas Irle.
Wohl jede/r Freund/in zeitgenössischer gehobener literarischer Phantastik weiß es: meistens verhungern im Deutschsprachigen die Werke großer und etablierter Autoren des Genres in mehr oder weniger schlampig edierten oder zumindest bald durch Abnutzung ins Unschöne zerliebten Taschenbuchausgaben. Da fällt es richtig auf, wenn es ausnahmsweise mal von einem großen Science Fiction- oder Fantasy-Autor eine edel aufgemachte Hardcoverausgabe gibt – so wie die schöne Space Opera-Box von Diogenes mit drei Hauptwerken von Altmeister Ray Bradbury im Leineneinband und mit Schmuckschuber drumherum. Sowas gibt es einfach viel zu selten.
Von entsprechenden Werkausgaben wagt man da kaum auch nur zu träumen. Vor Jahren konnten sich die Philip K. Dick-Freunde einer schönen vielbändigen Betreuung durch den Haffmans-Verlag erfreuen, aber auch das ist und bleibt die Ausnahme.
Um so erfreulicher ist es, wenn man dann auf die Edition Andreas Irle stößt, die sich seit nunmehr 15 Jahren fast ausschließlich dem umfangreichen Werk eines anderen Großmeisters der Phantastik widmet: Jack Vance.
Grund genug, sich einmal per E-Mail nach Bergneustadt zu begeben und sich mit dem Verleger zu unterhalten:
Guten Tag, Andreas Irle!
Guten Tag, Hendrik!
Um sich mit so nachhaltigem Enthusiasmus dem Werk eines einzelnen Autoren zu widmen, benötigt man ganz sicher eine ganz besondere Beziehung zu dessen Büchern. Was ist für Dich ganz persönlich das Besondere an den Werken von Jack Vance, und wie hast Du seine Werke einst für Dich entdeckt?
Es gibt einiges, was die Geschichten von Jack Vance besonders macht: Zum einen kann man sie immer wieder lesen und findet stets neue Aspekte und Details. Vance erschafft mit Worten farbige Welten, wie ein Maler Bilder. Ich vergleiche ihn immer gern mit Monet, nicht, weil der auch im Alter erblindete, sondern wegen der Technik. Die Werke des Impressionisten wirken auf die Distanz, geht man näher heran, bemerkt man die Technik, die der Künstler verwendet, nämlich Farbtupfen, die er auf die Leinwand gemalt hat. Bei Vance ist es ähnlich; er schafft mit Worten Atmosphäre, je nachdem, welche Worte er benutzt, verändert er die Atmosphäre. Die Geschichten haben eine Grundstimmung, die alles andere bestimmt.
Für Vance ist der Klang eines Wortes wichtig; er ist ein Künstler, insbesondere was die Namensgebung von Personen, Pflanzen, Orten angeht. Häufig findet man Aufzählungen von Pflanzen, bei denen man davon ausgehen kann, dass es einige davon wirklich gibt, auch wenn die Namen noch so ausgefallen sind und man denkt, die Bezeichnungen seien ausgedacht – so wusste Lore Strassl in einem Gespräch über ihre Vance-Übersetzungen zu berichten. Allerdings denkt sich Vance tatsächlich neue Worte aus, teilweise mit Wortteilen aus anderen Sprachen. 1992 erschien ein Lexikon mit seinen Wortneuschöpfungen. Zum anderen steht immer der Mensch, das Organische im Vordergrund; meist geht es darum, wie er in ungewöhnlichen oder extremen Situationen reagiert.
Es war 1980, ich lag krank im Bett, und meine Mutter brachte mir aus Köln ein Buch mit – „Maske: Thaery“ von Jack Vance. Der Roman war der Beginn einer lebenslangen Faszination für die Werke Jack Vances. Was Dagobert Duck sein „Glückszehner“ ist „Maske: Thaery“ für mich. Seit dieser Zeit sammle und beschäftige ich mich mit den Büchern von Jack Vance.
Oja, das vermag ich nachzufühlen, bei mir waren das seinerzeit „Die Gräber von Atuan“ von Ursula Le Guin und „Die Jagd“ von Stanislaw Lem – auch diese Vorlieben bin ich nie wieder ‚losgeworden‘. Aber zurück zu Dir: Könntest Du den Vance(noch)nichtkennern unter uns einen zusammenfassenden Überblick über das ja doch recht umfangreiche Schaffen des Kaliforniers geben?
Jack Vance, geboren 1916 in San Francisco, war während des 2. Weltkriegs bei der US-Handelsmarine und verbrachte seine Freizeit an Bord der Schiffe mit dem Schreiben von Geschichten. Die erste verkaufte Geschichte war „Der Welten-Denker“ 1945. 1950 erschien sein erstes Buch „Die sterbende Erde“, ein Werk, das heute als Klassiker gilt und von den Lesern des Magazins LOCUS unter die besten 15 Fantasy-Werke aller Zeiten gewählt wurde (zu den Geschichten um die „sterbende Erde“ gehören auch „Der Lachende Magier“, „Cugel der Schlaue“ und „Rhialto der Wunderbare“).
Das Schaffen eines Schriftstellers über mehr als sechs Jahrzehnte ist nicht in aller Kürze zusammenzufassen. Einige wenige Werke, die mir in den jeweiligen Jahrzehnten als wichtig erscheinen, möchte ich nennen, auf die wichtigsten ganz kurz eingehen:
40er Jahre: Hier sind die 10 Geschichten um Magnus Ridolph zu nennen (1948-1958), einem Detektiv, der, anders als die für die Zeit typischen Detektive, Fälle mit Köpfchen und Beobachtungsgabe löst. Dies ist ein typisches vancesches Thema: Der Außenseiter, der eine Kultur aus seiner Sicht beobachtet und, in diesem Fall, durch seine Außenseiterrolle Lösungen sieht, welche die in der Kultur selbst Lebenden nicht erkennen.
50er Jahre: Neben Romanen wie „Kaste der Unsterblichen“, in dem es um Unsterblichkeit geht, und „Die Kriegssprachen von Pao“, worin Vance der Frage nach dem Einfluss der Sprache auf die Verhaltensweise der Menschen nachgeht, schrieb Vance auch „Großplanet“, der seine bevorzugte literarische Form aufweist – die Odyssee: Kennzeichnend ist hier, dass er eine Reihe von Kulturen in relativ kompakter Weise behandelt. Für mich zählen zwei Kurzromane zu Vances besten Werken in den 50ern, nämlich „Die Häuser von Iszm“ und „Die Wunderwerker“.
60er Jahre: Dieses Jahrzehnt ist zum einen geprägt von den Büchern der Dämonenprinzen- und der Tschai-Serie, herausragend allerdings ist das Buch „Emphyrio“, welches ich für das Beeindruckendste aller vanceschen Werke halte. Es ist ein Buch, dass von der amerikanischen Autorin und Kritikerin Joanna Russ als typischer „Bildungsroman“ gepriesen wurde. Mit melancholischer Grundstimmung malt Vance in eher gedämpften Farben die Welt Halma und das Bestreben des heranwachsenden Ghyl Tarvoke, der Legende von Emphyrio auf den Grund zu gehen. Emphyrio hatte 2000 Jahre zuvor die Monstren von Sigil mit den Tafeln der Wahrheit konfrontiert und sie davon abgehalten, die Menschen zu unterdrücken. Ghyl will herausfinden, was ihm die Legende von Emphyrio für sein gegenwärtiges Leben sagen will … „Emphyrio“ ist ein Buch, das stellvertretend für einige andere Bücher von Vance steht, in denen eine erstarrte und geknechtete Gesellschaft jemanden hervorbringt, der Fragen stellt. Jemanden, der nach Antworten sucht, Antworten, die an die Grundfesten der Kultur rühren …
70er Jahre: Auch in diesem Jahrzehnt erschienen, neben den Durdane- und der Alastor-Sternhaufen-Trilogien, eigenständige Romane. Für mich herausragend ist „Maske: Thaery“. Die Geschichte an sich ist, wie es in einer frühen Besprechung hieß, von der Handlung her eher simpel, aber wie Vance sie erzählt, das ist einfach großartig! Einem jungen Mann, Jubal Droad, geschieht Unrecht. Er will sich rächen und deckt einen Plan auf, der ganz Maske verändern würde. Immer wieder muss er die Initiative ergreifen, damit ihm die Situation nicht aus den Händen gleitet … In „Maske: Thaery“ greift Vance auf ein weiteres seiner Hauptmotive zurück, dem Motiv der Heimat, deren Status Quo unter allen Umständen beizubehalten ist.
80er Jahre: Nach der Weiterführung der in den 60er Jahren begonnenen Dämonenprinzen-Reihe mit den hervorragenden Romanen „Das Gesicht“, 1979 und „Das Buch der Träume“ 1981, schrieb Vance die Lyonesse-Trilogie, einen epischen Fantasystoff, der auf den nun versunkenen Älteren Inseln südlich von Cornwall zur Zeit kurz vor König Arthur spielt. Viele halten diese Trilogie für Vances bestes Werk; alle drei Romane konnten sich weit vorn in den alljährlichen Umfragen des Magazins Locus nach den beliebtesten Büchern des Jahres platzieren.
90er Jahre: Bereits 1987 begann Vance mit „Station Araminta“ die Cadwal-Chroniken, die er mit „Ecce und die Alte Erde“ und „Throy“ Anfang der 90er Jahre vollendete. Cadwal ist ein unter Protektorat stehender Planet, dessen Natur geschützt werden soll. Die Bevölkerungszahl ist begrenzt; sie dient nur dazu, die Einhaltung der Cadwal-Charta zu gewährleisten. Glawen Clattuc ist einer jener, welche die Interessen der Charta schützen sollen. Dabei gerät er in Machenschaften politischer und wirtschaftlicher Art, die er zu meistern hat. Vance erklärt übrigens Begriffe oder Sachverhalte gern in Fußnoten. In „Station Araminta“ findet sich z.B. eine der umfangreichsten und schönsten Fußnoten, die den Lebenszyklus einer Tierart auf Cadwal schildert. „Nachtlicht“ ist wieder ein Roman, dem eine dunklere Grundstimmung zugrunde liegt. Jaro Fath wächst bei Adoptiveltern auf. Als junger Erwachsener zieht es ihn hinaus in den Weltraum, um dem Geheimnis seiner Vergangenheit nachzuspüren. Doch bevor es dazu kommt, muss er sich erst in den gesellschaftlichen Gegebenheiten auf Gallingale zurechtfinden, in der „Betragung“ – eine Mischung aus gutem Verhalten und Haltung – grundlegend ist. Manche Gesellschaftsschilderung lässt Vances Vorliebe zu P.G. Wodehouse erkennen.
Mit „Kaleidoskop der Welten“, 1999 und „Lurulu“, 2004 erschienen zwei inhaltlich unmittelbar zusammenhängende Bücher, die im Grunde eine Einheit bilden. Da diese – bis auf seine Autobiografie – Vances letzte Werke sind, hat er sie als seinen Schwanengesang bezeichnet. Myron Tany freundet sich mit der Mannschaft des Trampschiffes Glicca an und geht in der Funktion des Frachtaufsehers mit ihnen auf Reisen durch den Weltraum. Dabei werden neben Handelswaren auch solch illustre Gäste wie Moncrief der Mausreiter mit seiner Truppe und eine Schar Pilger befördert. Myron Tany lernt auf der Suche nach Lurulu viele Menschen und Orte kennen und kommt mehr als einmal gerade nur mit heiler Haut davon. Das Wort „subtil“ ist eine häufige Assoziation zu Vances Werken; diese beiden letzten Werke dürften seine subtilsten sein.
Danke erstmal für den ausführlichen Überblick! Einerseits wird Jack Vance aufgrund dieses umfangreichen und in der Summe hochwertigen Oeuvres von seinen Fans als einer der größten phantastischen Autoren der Gegenwart betrachtet, andererseits ist er außerhalb der phantastischen Genres Science Fiction und Fantasy relativ unbekannt – und das trotz eines sehr umfangreichen und vielgelesenen Oeuvres, das 1945 mit der von Dir schon erwähnten Kurzgeschichte namens „The World-Thinker“ begann und damit über 60 Jahre umfasst. In der New York Times hat man ihn im letzten Jahr sinngemäß umschrieben als einen „im Offensichtlichen versteckten“ großen Autoren seiner Zeit. Woran liegt das? Ist das trotz akzeptierter Gegenbeweise wie Bradbury und Lem einfach immer noch der alte Aberglaube, ein Buch mit einer Weltraumrakete auf dem Umschlag könne unmöglich etwas anderes als Trivialliteratur sein?
Sicher ist es so, dass Vance als Autor von Science Fiction in eine Schublade geraten ist, die verhindert, dass er eine größere Leserschaft und damit möglicherweise größere Anerkennung erhält. Science Fiction wird schnell als trivial abgetan, was vielleicht auf die Vergangenheit als Pulp- oder Heftchenveröffentlichungen zurückzuführen ist. Heute werden Marketingstrategien auf Zielgruppen ausgerichtet, wofür das Schubladendenken gut geeignet ist.
Bradbury und Lem wurden/werden meines Wissens nicht unbedingt als Science Fiction vermarktet, daher gelten für sie andere Regeln. Aber Vance ist auch ein spezieller Schriftsteller, der entweder gefällt oder nicht. Dass es sich „bei V.[ance] um den vielleicht besten Unterhaltungsautor des Genres handelt“, dass zugleich „seine Romane, seit Jahrzehnten von hoher und immer noch steigender Qualität, irgendwie austauschbar sind“, dieser Meinung des Lexikons der Science Fiction Literatur kann ich mich nicht anschließen. Folgt man der einschlägigen Sekundärliteratur über Vances Arbeit, wird deutlich, dass mehr hinter den Werken steckt als bloße Unterhaltung. Beeindruckend für mich war die Interpretation Arthur Jean Cox‘ zu „Die Häuser von Iszm“ in seinem Artikel „Der Weltenschöpfer“ in Science Fiction Times 7/1982; doch darauf hier einzugehen, würde den Rahmen sprengen. Verweisen möchte ich in diesem Zusammenhang auch auf das Werk „Demon Prince – The Dissonant Worlds of Jack Vance“ von Jack Rawlins.
Es gibt offenbar eine besonders innige Beziehung zwischen den Werken von Jack Vance und seinen Lesern; u.a. hat das in den 1990ern zu der – soweit ich weiß einmaligen – Faninitiative der Vance Integral Edition geführt, einer von Fans für Fans edierten und finanzierten, auf über 40 Bände angelegten Werkausgabe. Auch auf Deiner Homepage verweist Du auf die V.I.E.; wie sieht Deine Anbindung an diese Initiative aus? Kann/Soll man Deine Jack Vance-Edition als eine Art deutschsprachige Verlängerung dieser kollektiven Werkwürdigung betrachten?
Ja, so viel ich weiß, ist dieses Projekt tatsächlich einzigartig. Und es war nur über das Internet zu realisieren; weltweit haben mehr als 300 Personen dabei geholfen, das Gesamtwerk von Jack Vance in 45 Bänden zu veröffentlichen. Und es war keine Initiative Fans für Fans, sondern eigentlich mehr eine Initiative Fans für Vance. Denn Ziel dieses Projekts war es, Vances Werke bekannter zu machen und sie für die Zukunft zu erhalten. Es gab eine Stiftung, dank der etwa 50 Bibliotheken weltweit ein VIE-Set bekommen haben.
Viele der Texte von Vance sind editorisch bearbeitet worden. Beispielsweise hat der Verleger von „Slaves of the Klau“ (Sklaven der Klau) seinerzeit einen Absatz mit Happy End hinzugefügt. Es gibt eine Manuskriptsammlung in der Universität von Boston, in der viele Texte und Briefe gesammelt sind. Um Papier zu sparen, hat Vance oft auch die Rückseiten älterer Manuskripte für neue Geschichten verwendet. Die Urheber der VIE haben Wert darauf gelegt, dass die Texte in der ursprünglich vanceschen Fassung erhalten bleiben sollten und haben die Manuskripte den veröffentlichten Texten vorgezogen. In den Fällen, in denen kein Manuskript vorlag, wurden verschiedene veröffentlichte Versionen miteinander verglichen und so weiter.
Es war viel Arbeit. Das VIE-Projekt wurde 1999 von Paul Rhoads, einem in Frankreich lebenden amerikanischen Künstler aus der Taufe gehoben. Die ersten 22 Bände erschienen 2002, die restlichen 22 Bände 2005. 2006 wurde ein weiterer Band verlegt, in dem die drei Kriminalgeschichten gesammelt sind, die Vance unter dem Pseudonym Ellery Queen geschrieben hat.
Paul Rhoads ist ein Freund der Vances. Bei einem Besuch in Oakland Ende der 90er Jahre entdeckte er ein Exemplar von „Die Domänen von Koryphon“ von meiner Edition AI. Dieses Buch brachte ihn auf die Idee, das Gesamtwerk von Jack Vance in einer Edition herauszugeben. Mit dieser Vision nahm er Kontakt mit Mike Berro auf, der im Internet die „Jack Vance Information Page“ betrieb. Kurz darauf setzte Paul sich mit mir in Verbindung, ob ich bei dem Projekt mitmachen wollte. Einer meiner Beiträge ist also, dass die Bücher der VIE das Format der Bücher meiner Edition übernommen hat – Vorlage dafür war übrigens ein Buch aus der Verlagsfachkunde, „Der Verlagsbuchhändler“ von Ulrich Stiehl.
Später habe ich einige Texte digitalisiert und war einer von einer Handvoll Leuten, welche die Bücher gelayoutet haben. Dann war ich bei einem Treffen in Frankreich dabei, um bei den Abschlussarbeiten der 22 Bände, die 2005 erschienen sind, it zu layouten. Außerdem war ich zwei Mal in Mailand und habe dabei geholfen, die fertig gedruckten und gebundenen Bücher zu verpacken und zu verschicken. Natürlich wurde nicht nur von und über Jack Vance geredet, aber es war ein tolles Erlebnis, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und mit ihnen an der VIE zu arbeiten. Eine Zeit, auf die ich mit Stolz zurückblicke. Und natürlich steht die VIE in meinem Regal. Die Bücher sehen gut aus und repräsentieren das Gesamtwerk von Jack Vance. Ich hoffe, die Autobiografie wird noch hinzugefügt werden, damit sie wirklich vollständig ist. Meine Vision ist, alle Vance-Geschichten auch in Deutsch herauszubringen …
… eine Intention, die ich nur unterstützen kann.
Die Bücher Deiner Vance-Werkausgabe sind ja in der Tat sehr edel gemacht: Leineneinband, gutes Papier, limitierte und nummerierte Auflagen (150-250 Stück jeweils, glaube ich), einige der frühen Bände waren sogar von Vance selbst signiert. Da steckt offensichtlich eine Menge Herzblut drin. Wie gehst Du bei der Gestaltung Deiner Edition vor? Vielleicht kannst Du uns mal erzählen, wie Du arbeitest – beginnend bei der Festlegung, welcher Titel es als nächstes sein soll, und bis hin zum fertigen Buch.
Ich bin Diplombibliothekar und Verlagskaufmann, arbeite in keinem der Berufe, wollte aber gerne etwas mit Büchern zu tun haben. Deshalb habe ich 1995 bei dem Agenten nachgefragt, wie die Konditionen seien, Jack Vance zu verlegen. Die Rahmenbedingungen stimmten. Anfangen „musste“ ich mit „Die sterbende Erde“, da dies Vances erstes Buch war und auch die amerikanischen Verleger Underwood-Miller damit ihre schöne Vance-Edition begannen. Mit dieser „Tradition“ wollte ich nicht brechen.
Da „Rhialto“ eine Fortsetzung der Geschichten um die sterbende Erde war, von denen zwei Geschichten noch nicht in Deutsch veröffentlicht waren, erschien es mir logisch, dass dies das nächste Buch werden sollte – in eigener Übersetzung.
Das folgende Buch, diesmal ein damals Brandneues von Jack Vance – „Night Lamp“ (Nachtlicht) – hat mir die Agentur dann von sich aus angeboten. Ich habe das Manuskript als Übersetzungsgrundlage erhalten und konnte das Buch nur kurz nach der amerikanischen Originalausgabe in Deutsch herausbringen (allerdings waren die Niederländer noch schneller). Für mich war dieses Buch damals ein großes wirtschaftliches Wagnis, weil es mit über 500 Seiten sehr umfangreich und teuer in der Herstellung war. Da es aber ein neuer Vance war, wollte ich auch ein richtiges Ereignis daraus machen – es sollte Illustrationen und einen Schutzumschlag haben; und ich fragte Jack Vance, ob er einen Teil der Auflage signieren würde – er sagte zu!
2004 habe ich es dann geschafft, „Lurulu“ als Welterstveröffentlichung herauszubringen.
Wie bereits erwähnt, sollten die Bücher meiner Edition ein klassisches Aussehen und eine klassische Aura haben. Das ist, finde ich, gelungen. Dennoch habe ich die Auflage der ersten Bücher zu optimistisch eingeschätzt und musste die Höhe senken. Mit „Wyst: Alastor 1716“ erschien 2008 die letzte von Jack Vance signierte Ausgabe in einer Auflage von 125 Stück. Der Preis von EUR 65,– für dieses Buch und auch von „Magnus Ridolph“, 2009, ließ mich jedoch darüber nachdenken, ob es nicht einen Weg gäbe, den Preis wieder etwas niedriger zu gestalten. Irgendwo habe ich einmal gesagt/geschrieben, ich würde lieber die Edition aufgeben, als von der Fadenheftung abzuweichen.
Mittlerweile habe ich meine Meinung geändert. Die doppelt gelumbeckte Klebebindung ist von der Qualität her sehr gut. Bücher mit beiden Bindungstechniken sind ohne Weiteres von außen nicht zu unterscheiden; im Regal sehen sie absolut gleich aus. Aber die Klebebindung erlaubt es mir, den Preis wieder auf EUR 50,– zu senken, wie man an „Gestatten, Jack Vance!“ sieht. Daher werden auch die künftigen Titel der Edition AI klebegebundene Hardcoverausgaben sein.
Ich habe es gern, pro Jahr zumindest einen Vance herauszubringen, damit eine gewisse Kontinuität erhalten bleibt. Die meisten Bücher von ihm gab es bereits in Deutsch. Allerdings waren einige Ausgaben gekürzt; beispielsweise die ersten drei Bände der „Dämonenprinzen-Reihe“, „Sklaven der Klau“, „Großplanet“ etc. Diese Bücher wollte ich gern ungekürzt herausbringen.
Dies und die Tatsache, wann ein Titel zum letzten Mal in Deutsch erschienen ist, waren und sind die Kriterien, welches Buch als nächstes an der Reihe ist. Im Herbst dieses Jahr es soll eines meiner absoluten Lieblingsbücher erscheinen, eines, das 1986 zuletzt hierzulande verlegt wurde: „Maske: Thaery“.
Der zweite Teil des Interviews erscheint in einigen Tagen bei schoener-denken. Für heute schließen wir erstmal mit einer Fanverbeugung in Richtung des Mannes, der so vielen Freunden guter Science Fiction, Fantasy und Kriminalromane Stunden um Stunden der Lesefreude beschert hat:
Herzlichen Glückwunsch, Jack Vance!