Alles ändert sich – ob wir damit zurecht kommen, oder nicht. Und die unaufhaltsame Kraft der Veränderung macht auch vor einem popkulturellen Phänomen wie „Star Trek“ nicht halt. Das sollte keinen Trekkie überraschen, denn die Serie hat schon immer versucht, sich neu zu erfinden. Das begann mit dem ersten Kinofilm, das ging weiter mit „The Next Generation“ und den weiteren Spinoffs „Deep Space Nine“, „Voyager“, und „Enterprise“.
Bei jeder neuen Erweiterung des Star Trek-Kosmos haben sich alte Fans verabschiedet und sind neue dazu gekommen. Also ist alles, was jetzt anlässlich des zweiten Star Trek-Films von J.J. Abrams diskutiert wird, eigentlich ein alter Hut. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass der Trennungsschmerz jetzt eine Generation trifft, die sich im Netz über Kino und Kultur äußert.
Trennungsschmerz nach dem Kino
Mich trifft der Trennungsschmerz auch. Warum? Da muss ich etwas ausholen. Mich erwischte als Jugendlicher die zweite Welle von „Star Trek“: „The Next Generation“. Das war trotz aller Pappmache-Kulissen und peinlichen Kostüme auch eine moralische und gesellschaftspolitische Angelegenheit. Eine positive Utopie: Wir haben im 24. Jahrhundert Mangel, soziale Probleme und den Kapitalismus (sic!) hinter uns gelassen.
Alle Probleme werden nichtmilitärisch angegangen und die Erste Direktive, keinen Einfluss auf fremde Kulturen zu nehmen, wird ernst genommen. Es werden die Rechte der Schwächeren, der Minderheiten, sogar der künstlichen Lebensformen verteidigt. Und angeführt werden die Helden von einem französischen Intellektuellen, der sich mit der Intensität eines Shakespeare-Darstellers ausdrücken kann. Über weite Strecken eine antichauvinistische Angelegenheit, in der auch Miniröckchen schnell verschwanden.
In der Originalserie war das alles schon angelegt, aber vor dem Hintergrund des Zeitgeistes der 1960er Jahre und in der Testosteronwolke der sympathischen Over-Acting-Granate William Shatner kaum zu sehen. Seit „Next Generation“ ist die moralische Ebene immer ein elementarer Teil von „Star Trek“ gewesen. Und das ist der wesentliche Unterschied zum anderen großen SF-Popkulturphänomen „Star Wars“. Da ging es um mehr um Märchen als um Moral, mehr um Abenteuer als um Ethos. Und damit sind wir bei J.J. Abrams.
Abrams ist (nach eigenen Aussagen) ein „Star Wars“-Gewächs. Eine Neigung zu gesellschaftspolitischen Themen kann man ihm bislang nicht vorwerfen. Er gibt mittlerweile zu, dass er nicht nur kein Trekkie ist, sondern damit im Grunde nicht viel anfangen kann. Das spielt bei seinem ersten Star Trek-Film überhaupt keine Rolle, denn da ging es um die Etablierung einer neuen Parallelwelt und vor allem darum, wie aus den jungen Protagonisten junge Helden werden. „Into Darkness“ kann allerdings nicht mehr verhehlen, dass er von einem anderen Geist durchdrungen ist. Und ab jetzt wird heftig GESPOILERT!
„Into Darkness“: Rücksturz in die 1960er
Es hätte Star Trek 2013 entsprochen, wenn Frauen und Männer, Menschen und Nichtmenschen absolut gleichberechtigt auftreten würden. Stattdessen springt Abrams mit seinem Drehbuchautor Lindelof zurück in die 1960er und lässt mit Uhura nur eine einzige starke Frauenfigur zu – es kehren nicht nur die Miniröckchen zurück sondern auch eine maskulin-voyeuristische Perspektive, wenn sich die Waffenspezialistin Carol Marcus ohne einen Grund bis auf die Unterwäsche vor Kirk auszieht.
Dann treffen sich nach einem terroristischen Angriff die militärischen Oberbefehlshaber – da habe ich fast nur weiße Männer gesehen. Und warum überhaupt treffen sich hier nicht die Vertreter der Förderation, also die Politiker? Am Ende, weil Lindelof den Unterschied im Star Trek-Universum nicht kennt? Dann wird auch noch der schillernde und großartige Bösewicht Khan (definitiv kein weißer Mann) vom fantastischen aber britisch-blassen Benedict Cumberbatch verkörpert. Und wenn sich Kirk ganz im ursprünglichen Geist von Star Trek dagegen wehrt, einen „Feind“ ohne rechtsstaatliches Verfahren zu töten, wird das nicht ausführlich verhandelt, sondern gleich unter der nächsten Welle von KrachBummPengSplitterBängAction begraben.
Action dominiert überhaupt den ganzen Film. Und die Action ist optisch exquisit angerichtet – wie überhaupt alles in diesem Film fantastisch aussieht. Die Eröffnungssequenz zum Beispiel in einem roten Dschungel samt einer Enterprise, die aus dem Meer auftaucht, ist atemberaubend. Spätestens bei der zweiten Sichtung aber kamen mir die zu häufigen, zu lauten und zu langen Action-Sequenzen vor wie LensFlareBlendwerkGlasperlen, die mich davon ablenken sollten, dass ich hier gar keinen Star Trek-Film anschaute, sondern ein großes, buntes Science-Fiction-Spektakel, in dem man den Protagonisten Star Trek-Kostüme angezogen hat. (An dieser Stelle wollen wir übrigens nicht über die Mützen sprechen ….)
Das ist also das Ende meiner Star Trek-Zeit. Kein Grund, traurig zu sein. Das Geschäftsmodell „Star Trek-Filme für Menschen, die vor 1980 geboren sind“ rechnet sich einfach nicht mehr. Um mich herum sitzen im Kino sehr zufriedene und bestens unterhaltene Zuschauer, die Vorstellungen sind gut besucht. Das ist euer Star Trek. Das ist eure Zeitlinie. Ihr habt Spaß an Butterfly-Effects und rasantem Tempo. Euer Star Trek ist größer, lauter, bunter und professioneller produziert als jemals zuvor. Euer Star Trek ist ein gutes Geschäft und ein Riesenspaß. Genießt es. Meine Themen werden derweil in anderen Filmen und TV-Serien verhandelt. Die Welt wandelt sich. Star Trek wandelt sich. Ich durfte dreißig Jahre Spaß mit meiner Art von Star Trek haben. Da darf man nicht undankbar sein. Also sage ich danke und: Tschüss.