Yellow Sky …

… und die Grammatik des Bildererzählens
being the second (and last) part of:

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von Götz Kohlmann

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Podcast 41

Ohne die Imagination des Betrachters gibt es kein Kino. Oftmals lösen die Filme, die wir nur vom Hörensagen kennen oder einmal als Kind sahen, zu denen uns aber die Phantasie vage Szenen entworfen hat, sobald wir sie dann tatsächlich zu Gesicht bekommen, Enttäuschung aus. Manchmal lösen die Filme das Versprechen ihrer Boten aber auch vollkommen ein oder übertreffen es sogar noch. Das gilt auch für den Western „Yellow Sky“, den Götz Kohlmann für einen Klassiker des Genres hält. Der im März im Alter von 93 Jahren verstorbene Schauspieler Richard Widmark zeigt darin sein überragendes Können.

Die Gier nach Reichtum und die Vergewaltigung der Natur stehen im Mittelpunkt eines Westerns, der vor genau 60 Jahren von William A. Wellman gedreht wurde: „Yellow Sky“. Das Fehlen Wellmans in dem ansonsten hervorragenden Nachschlagewerk „Filmregisseure“ des Reclam-Verlags ist eine unverzeihliche Lücke. Wellman, wie viele der großen Hollywood-Autoren in allen Genres zu Hause, stand vor allem in den 30er Jahren in der ersten Reihe der Regisseure. 1931 schuf er mit „The Public Enemy“ eines der herausragenden Werke der frühen Tonfilmzeit, in dem sich Gesellschaftsanalyse, Gangsterromantik und realistisches Großstadtpanorama verbinden.

Berühmt wurde die Szene, in der James Cagney, der einen der Gangster spielt, seiner Freundin beim Frühstück eine halbe Grapefruit ins Gesicht presst, für Cagneys künftiges Rollenschema ein archetypischer Moment. Später drehte Wellman drei der schönsten und wichtigsten Western überhaupt: „The Ox-Bow-Incident“, „Colorado“ und eben „Yellow Sky“ – im deutschen Verleih hieß er früher „Nevada“ oder „Herrin der toten Stadt“.

Die beiden letzten habe ich als Kind gesehen und sie haben in mir damals einen so tiefen Eindruck hinterlassen, dass sie jahrelang immer wieder in meinen Tagträumen auftauchten und dann wie eine Erinnerung langsam verblassten. „Yellow Sky“ wurde im Fernsehen schon lange nicht mehr gezeigt, in den Programmkinos lief er auch nicht; vielleicht verpasste ich ihn auch unglücklicherweise. Der Film wurde für mich zu einem Phantom, oder nein, er wurde zu dem, was ich mir als Inbegriff von Kino vorstellte; ich denke dabei an einen Ausspruch von Jean-Luc Godard über seine Zeit als Kritiker bei den „Cahiers du Cinema“:

„Kino nannten wir die Filme, die wir nicht sehen konnten, Kino war das Unsichtbare“

sagte er.

„Yellow Sky“ habe ich nun endlich vor einigen Monaten als DVD im Internet entdeckt, in der Originalversion, ohne Untertitel. Ich wurde nicht enttäuscht. Er ist tatsächlich so gut, wie ich es mir all die Jahre ausgemalt hatte. „Yellow Sky“ wird selbst in Publikationen speziell zum Westerngenre allenfalls in Aufzählungen erwähnt. Als er 1948 in die Kinos kam, wurde er beim Filmfestival in Locarno ausgezeichnet. Er erzählt von einer Gruppe von „Outlaws“, die nach einem Banküberfall vor der Armee in die Salzwüste Nevadas flüchten. Als sie sich dort bereits verloren glauben, stoßen sie auf eine Geisterstadt, die nur noch von einem alten Mann und seiner erwachsenen Enkeltochter bewohnt wird.

Als Anführer der Bande sind Gregory Peck und Richard Widmark zu sehen, das Mädchen in der Stadt wird von Anne Baxter mit hemdsärmeliger Erotik verkörpert. Bald entdeckt die Bande, dass in der verlassenen Stadt einst nach Gold gegraben wurde. Bedrängt von der wachsenden Gier der Banditen muss der alte Mann eingestehen, dass in einer alten Mine ein Goldschatz versteckt ist. Die längst unterschwellige Rivalität zwischen Peck, der den Chef der Bande darstellt, und Widmark bricht nun offen aus. Hinzu kommt, dass ihnen allen das Mädchen die Köpfe verdreht hat.

Großartig, wie Wellman die einzelnen Affekte von Anfang bis Ende des Films miteinander verknüpft und wechselweise spiegelt: den Durst, die sexuelle Begierde und die Gier nach dem Gold. In der Wüste würden sie alles in der Bank erbeutete Geld für etwas Wasser hergeben. Als dieses elementare, natürliche Bedürfnis dann gestillt ist, treten mit aller Macht wieder die anderen Affekte hervor: der zwar natürliche, aber gesellschaftlichen Regeln unterworfene, sozusagen domestizierte Sexualtrieb und die ganz und gar der Zivilisation entstammende Gier nach materiellem Reichtum. Wellman verwischt aber diese Unterschiede: Peck stürzt sich auf die Frau wie zuvor auf die Wasserstelle, es handelt sich um eine kaum verbrämte Vergewaltigung, und dem von Kugeln getroffenen Widmark rieselt in einer berühmten Szene das Gold über den Körper, als sei es sein eigenes Blut.

Die optische Qualität des Films steht dem inhaltlichen Tiefgang des Drehbuchs nicht nach. Beide zusammen fügen sich zu Wellmans unverwechselbarem Stil, der realistisch und poetisch ist, und mit dem er in seinen besten Filmen Hawks und Ford auf Augenhöhe begegnet. Unterstützt wird er in „Yellow Sky“ von der ungemeinen Präsenz, der Aura seiner Hauptdarsteller. Das subtile Spiel Widmarks gipfelt in einem Monolog, der ein Glanzpunkt in jedem Shakespeare-Drama wäre. Man muss es hören, wie Widmark einzelne Worte betont, wie seine Stimme mal bitter und haßerfüllt, mal süßlich und fies, mal kalt und brutal und dann wieder fast liebevoll klingt.

Obwohl Peck nicht auf so einer großen Skala agiert, ist auch seine wortkarge Darbietung eindrucksvoll und Widmarks immer ebenbürtig. Daniel Day-Lewis hätte sich den Film anschauen sollen, während er seine Rolle in „There will be blood“ ausarbeitete; er hätte erfahren, dass weniger oft mehr ist. So sehr er den Oscar verdient hat, man merkt ihm seine Schauspieltechnik an, sie liegt manchmal offen bloß, er breitet sie geradezu wie den Inhalt eines Instrumentenkoffers vor uns aus, während Peck und Widmark ihr Handwerk verborgen halten, ganz eins sind mit ihren Figuren.

Die Exposition von „Yellow Sky“ ist grandios. Sie erzeugt sofort eine authentische, realistische Atmosphäre, zugleich eine poetische Stimmung, und sie hat darüber hinaus eine symbolische, verweisende Kraft. Man sieht ein wolkenverhangenes Gebirge, ein Gewitter ist vorübergezogen, man hört den fernen, davon rollenden Donner, das Sonnenlicht bricht wieder hervor, scheint auf die Bäume, das Schilfgras. Sieben Männer reiten quer durch das Bild, einer hinter dem anderen, gebeugt, schweigend. Man hört den Schritt der Hufe, man hört das Zaum- und Sattelzeug klappern. Sie reiten durch große Wasserlachen, es plätschert, es rieselt, gurgelt überall. Was jetzt im Überfluss da ist, wird ihnen bald, auf ihrer Flucht durch die Wüste, fehlen.

Am Wegrand entdecken sie einen menschlichen Schädel, in dessen Augenhöhle noch ein Indianerpfeil steckt. „Prospector“ (Goldsucher), sagt Peck und lässt sich den Indianerpfeil vom jüngsten Mitglied der Bande bringen. Sie sind nahe der Stadt, in der sie eine Bank überfallen wollen und Widmark erläutert mit Blick auf die kommende Flucht ihre Lage: an der einen Seite das Gebirge, dort die Salzwüste (die nicht einmal eine Klapperschlange durchqueren könnte, wie er mit süffisantem Sarkasmus hinzufügt), an der dritten Seite Indianergebiet.

„It´s just a place, a place can be crossed“

wird Peck später über die Wüste sagen, um den anderen Mut zu machen. Dann folgt der Überfall in der Stadt und die Szene, die mir als Kind vor allem im Gedächtnis blieb: wie die Männer verfolgt von der Kavallerie in die weiße Wüstenebene hinaus reiten und dabei förmlich auseinanderstieben, ein Bild dafür, dass sie fortan, wenn sie auch noch zusammen bleiben werden, keine Gemeinschaft mehr sind.

Wellman kommt fast ohne Musik aus. Die Durchquerung der Wüste wirkt so noch eindringlicher, die von fern aufgenommenen schwarzen Silhouetten der Reiterkolonne im Weiß, die Stille. Einmal brechen die Pferde im Salz ein, die Männer müssen absteigen und sie führen, die körperliche Not, die Anstrengung wird unmittelbar, der Film nimmt für Augenblicke einen geradezu dokumentarischen Charakter an.

Vieles in Wellmans Bildsprache stammt originär aus den Filmen John Fords. Wie dort dominiert auch hier eine autonome, ganz und gar menschenferne Natur die Figuren, ohne ihnen aber etwas von ihrer Größe zu nehmen. Großartig wie Peck das Maul seines Pferdes mit einem angefeuchteten Halstuch auswischt, immer skeptisch beobachtet von Widmark, dessen Miene dabei aber auch nicht frei ist von einer Art Zuneigung: „kind of noble“ kommentiert er spöttisch Pecks Verhalten. Das sind unprätentiöse Momente, die man im zeitgenössischen Kino kaum noch antrifft, die man auch in „There will be blood“ vermisst, die diesen Film aber noch eine Stufe höher gehoben hätten.

Wellmans Inszenierung lehnt sich vor allem an Fords „My Darling Clementine“ und „The Grapes of Wrath“ an, strebt ebenso nach Klassik. Nichts ist zufällig, jedes Bild, jede Einstellung ist mit Bedacht komponiert. So viel augenfällige Schönheit und Poesie sind selten geworden. Cimino strebte sie noch selbstverständlich an, Anderson zwar auch, doch es wäre ihm zu wünschen, dass er noch mehr seinen eigenen Willen gegenüber den Stereotypen des Dollardenkens durchsetzt, gegenüber einem Kino bewusst niedrig gehaltener Ansprüche, das immer wieder Chancen verschenkt.

Merkwürdig, es fielen mir viele Szenen aus sehr alten Filmen ein, die ich gerne so eingehend Einstellung für Einstellung beschreiben möchte wie die Eingangssequenz von „Yellow Sky“. Da war einmal eine Qualität, die dem Kino der Gegenwart oft fehlt, die Qualität in Bildern zu komponieren. Es genügt nicht ein Drehbuch gut zu fotografieren, es genügt auch nicht, das Material gut zu schneiden. Jean-Luc Godard erinnerte sich jüngst in einem Interview der „Zeit“, angesprochen auf die gegenwärtige Filmproduktion, an eine Formel aus seiner Kritikerzeit bei den „Cahiers du Cinema“:

„Das ist ein Film, aber kein Kino“

so hätten sie damals manchmal geschrieben. Und heutzutage gebe es zwar mehr Filme, aber weniger Kino. Was aber unterscheidet Kino und Film? Darauf gibt Godard in jenem Gespräch („Die Zeit“, Nr.49, 2007) eine Antwort:

„Die Politik der Autoren der Nouvelle Vague bestand … darin, den Beitrag des Regisseurs als eines Bilderschöpfers gegenüber dem Drehbuchautor anzuerkennen. Es ging darum, die Grammatik des Kinos als eigenständige visuelle Grammatik zu behandeln und zu retten … Es ist eine Grammatik des Bildererzählens, die sich fortwährend erneuern muss, gegen die Stereotypen und die Routine. Und die das Bild ins Verhältnis zu vorherigen (und späteren, möchte man hinzufügen) Bildern setzt.“

Hier fallen die Begriffe, die zählen: der Regisseur als jemand, der Bilder schöpft, und jemand, der in Bildern erzählt. Wobei es Godard um das „wirkliche Bild“ geht, nicht um den noch so gut fotografierten Text. Es geht ihm also um Bilder, die zuvor nicht geschrieben sein mussten. Perfekte Fotografie, perfektes Set-Design führen nicht zwangsläufig zu jenen Bildern, die das entstehen lassen, was Kino ist. Wenn wir Godards Maßstab des Kinos anlegen, der uns dazu führt, was einst die Essenz des Kinos war (worauf also seine Wirkung ursprünglich beruhte), dann bleiben viele heutige Großproduktionen trotz all ihrer Bildmacht hohl und oberflächlich, sie bleiben immer Film und werden nie Kino. Sie überwältigen nur den Zuschauer, bis er erschöpft und enttäuscht den Saal verlässt.

Godards „wirkliche Bilder“ lassen dem Zuschauer Atem, Raum; sie entstehen erst endgültig im Kopf des Betrachters. Im besten Fall verwandelt das Kino unser Bewusstsein, unsere Wahrnehmung lange über die Rezeptionszeit hinaus. Wir verlassen den Kinosaal und gehen mit den Augen des Films umher. Was ist aber ein „wirkliches Bild“? Die emotionale und künstlerische Kraft von Filmen steckt im Detail, in dem Maße an „lebendiger Wirklichkeit“, das sie einzufangen vermögen. Ich will versuchen noch genauer zu bestimmen, was Godard mit dem filmischen Bild meint.

Tarkowskij gibt in seinem Buch „Die versiegelte Zeit“ zwei Beispiele für Bilder, die die Magie des Kinos in reinster Form vermitteln. Tarkowskij betont, dass es nicht um einen symbolischen Gehalt des Bildes geht, ja das Bild soll sogar frei sein von einer allzu augenscheinlichen Symbolik. Vielmehr geht es ihm um die „Unwiederholbarkeit eines realen Faktums“. Er führt eine Szene in Luis Bunuels „Nazarin“ an. Ein kleines, elendes mexikanisches Dorf, in dem eine tödliche Seuche wütet. Wir sehen einen frontal aufgenommenen menschenleeren Weg und zwei Reihen perspektivisch verlaufender Häuser. Eine Seite des Wegs liegt im Schatten, die andere im Sonnenlicht. Der Weg ist absolut leer. Aus der Tiefe kommt nun ein Kind auf die Kamera zu, das ein blendend weißes Laken hinter sich herzieht. Und kurz bevor der Schnitt kommt, streicht der helle Stoff des Lakens über die Kameralinse hinweg.

Und aus Akira Kurosawas Film „Die sieben Samurai“ zitiert er jene Einstellung, in der während eines starken Regens zwei Samuraigruppen miteinander kämpfen. Ein Samurai wird erschlagen und stürzt zu Boden. Und nun sieht man wie der Regen langsam den Schlamm von den nackten Beinen des tot da liegenden Kriegers wäscht, bis die Beine ganz weiß sind: kein Symbol, aber ein ungeheuer kraftvolles Bild für den Tod. Nun mag man zu Recht einwenden, dass nur eine Traditionslinie des Kinos, die noch nicht alle Bindungen zur Ästhetik des Stummfilms gekappt hat, solche Bilder schafft, während man sie doch wohl in einem Film von Hawks vergeblich suchen würde.

Ja und sogar das Werk von Godard selbst, von dessen Stichwort ja diese Gedankenfolge ausging, verfügt vielleicht über keine einzige Einstellung, die den von Tarkowskij genannten entspräche. Doch auch in ihren (Godards und Hawks´) Filmen finden sich die „wirklichen Bilder“, die das Kino sind. Es zählt also nicht nur jene metaphorische Kraft, die Tarkowskij beschwört. Es gibt noch eine zweite Traditionslinie großen Kinos. Man muss schon den alten Begriff der Seele bemühen, um zu verstehen, um was es geht. Walter Benjamin sprach, Baudelaire zitierend, davon, dass im Bezirk der Kunst nur das eine Stätte hat, „dem der Mensch seine Seele mitgibt“. Ersetzen wir das Wort Kunst durch Kino, was wir dürfen, denn an jener Stelle von Benjamins Essay geht es um die Photographie (der Baudelaire noch den Zutritt zum Reich der Kunst verwehren wollte), und wir begreifen ein wenig mehr, was das Kino von einem bloßen Film unterscheidet.

Jeder der drei Filme, die im Mittelpunkt dieses Versuchs stehen, thematisiert in seiner Weise die zerstörerischen Auswirkungen des Kapitalismus, der der Natur, der Solidarität und der Gemeinschaft den Kampf ansagt. Dude in „Yellow Sky“ muss seine Gier nach Gold mit dem Leben bezahlen, so wie zuvor schon die Stadt am Rande der Wüste an ihrem Rausch zugrunde ging, Daniel in „There will be blood“ und James in „Heaven´s Gate“ sind am Ende unendlich einsam inmitten all ihres Reichtums und betäuben sich mit Alkohol. Diejenigen, die den amerikanischen Traum für sich verwirklichen konnten, haben sich schuldig gemacht. Diejenigen, die ihn für sich verwirklichen wollen, ohne ihre Humanität aufzugeben, kommen unter die Räder der brutalen Maschine, die Geschichte heißt.

Nur „Yellow Sky“, entstanden in einer im besten Sinne naiveren Epoche des Kinos, gönnt seinen Helden noch ein Happy End, einen Ausblick auf eine ideale Gemeinschaft. Der etwas unglaubwürdige, allzu versöhnliche Schluss ist das einzige Manko dieses wunderbaren Films. In dem Mädchen „Mike“ gibt Wellman dem Traum eines freien, selbstbestimmten Lebens eine Gestalt, und nicht von ungefähr ist Mike bei Indianern aufgewachsen.

„Fine people, if you understand them“

sagt Mikes kauziger Großvater hintersinnig über die Ureinwohner. In „Heaven´s Gate“ sind die Indianer längst verschwunden, doch an ihre Stelle sind die armen Einwanderer getreten. Dass er indirekt auch vom Schicksal der Indianer erzählt, macht Cimino deutlich, indem er etwa in der finalen Schlacht die Immigranten nach Taktik der Indianer im Kreis um die Truppe der Rancher reiten lässt.

In „Heaven´s Gate“ senden die Großfarmer und Rinderbarone Killer und eine Privatarmee aus, um die armen, hungernden osteuropäischen Einwanderer zu vertreiben. Dass der Film in den USA zum Flop werden musste, leuchtet ein. Doch der Misserfolg belegt erst recht die Wahrheit, die er ausspricht und die man damals, Anfang der 80er Jahre, noch nicht hören wollte. In allen drei Filmen gründet und mündet der amerikanische Traum in Gewalt (in „Yellow Sky“ gipfelt sie in der jüngst in den USA so umstrittenen Foltertechnik des „Waterboarding“).

Man kann es als Hinweis darauf verstehen, wie sehr die USA noch heute in der Pionierzeit stecken, sie haben den Wilden Westen noch nicht verlassen und ihre Kämpfe im Irak und Afghanistan erinnern an die Kämpfe gegen aufständische Indianer wie Geronimo. Die „Frontier“ befindet sich nun eben nur außerhalb Amerikas. Diese Erkenntnis begründet die aktuelle Renaissance des Western. Der Western ist Amerikas mythologische Kunstform, das bis heute großartigste Instrument zur Analyse und Verklärung der eigenen Geschichte, in seiner Bedeutung und Funktion vergleichbar der attischen Tragödie im antiken Griechenland, von deren Mustern und Konstellationen sich Westernregisseure immer wieder inspirieren ließen.

Zum Schluss noch zwei Anmerkungen:

Der schottische Videokünstler Douglas Gordon lässt legendäre Spielfilme mit extrem gedrosselter Geschwindigkeit laufen; Hitchcocks „Psycho“ dauert bei ihm 24 Stunden. Jedes einzelne Filmbild wird dann sichtbar. Und John Fords Western „The Searchers“ dehnt er sogar auf eine Abspielzeit von fünf Jahren – nur alle 14 Minuten wechselt das Bild. Welch eine wunderbare Idee, denn jede Einstellung in Fords Meisterwerk ist es wert, so in Einzelbilder geteilt lange und länger betrachtet zu werden. Und Gordons Methode lässt von Standbildexerzitien vieler, vieler anderer Filme träumen. Und das wären meist Western. Kein anderes Genre hat so viele rein visuelle Qualitäten. Den Beweis führen die drei hier betrachteten Filme.

Der Jurypräsident der Berlinale 2007, Paul Schrader, Autor von „Taxi Driver“, hat nach Abschluss der Filmfestspiele in die laufende Fernsehkamera hinein folgendes ausgesprochen:

„Das Jahrhundert des Kinos ist vorbei. Das war das 20. Jahrhundert. Filme werden niemals mehr diese Bedeutung haben, die sie einmal hatten.“

Oft bin ich versucht, ihm beizupflichten. Dann aber wieder, etwa bei den Filmen von Paul Thomas Anderson, denke ich, dass es doch noch eine Zukunft für das Kino gibt.

Ein Beitrag von Götz Kohlmann

Sprecherin: Petra Steck

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